Das Prinzip Wolkenkratzer Himmel ohne Grenzen

2017 wird das Rekordjahr der Wolkenkratzer. Ein Ende des Baubooms ist nicht in Sicht. Selbst 1.000 Meter sind nicht mehr unmöglich. Die weltweite Keimzelle der Wolkenkratzer-Wissenschaft ist – Venedig.
04.11.2017 - 14:10 Uhr Kommentieren

Wer an Venedig denkt, dem fallen Gondeln ein, der Markusplatz, die bunten Karnevalsmasken. An Wolkenkratzer denkt niemand. Warum auch, sind die höchsten Gebäude hier doch schwimmende Wohnblöcke, die sich mit Namen wie „MSC Musica“ oder „Aidablu“ durch die Lagune dieseln. Klar, es gibt auch noch den Campanile, den 99 Meter hohen Markusturm – aber das war’s dann auch.

Und doch ist Venedig die weltweite Keimzelle der Wolkenkratzer-Wissenschaft. Hier an der Universität (drei Stockwerke) erforschen sieben Ingenieure und Architekten die Zukunft der Mega-Hochhäuser. Sie schreiben Studien zu Aufzügen, forschen zu Dämpfungssystemen, die Gebäude weniger schwanken lassen, beschäftigen sich mit feuerfesten Fassaden.

Verantwortlich dafür ist Dario Trabucco. Der Architekt lebte 2013 für ein Jahr in Chicago, Geburtsstadt der Wolkenkratzer, 1885 entstand dort das erste Hochhaus der Welt, 42 Meter hoch. Trabucco arbeitete in Chicago für die Non-Profit-Organisation „Council on Tall Buildings and Urban Habitat“, den weltgrößten Zusammenschluss von Baufirmen, Entwicklern und Stadtplanern sowie Hütern der „Skyscraper Database“, der detailliertesten Datenbank über Wolkenkratzer.

Als der Chef der Chicagoer Forschungsgruppe aufhörte, bewarb sich Trabucco. Er bekam die Stelle – und nahm das Research-Center 2014 mit in seine Geburtsstadt Venedig. Anfangs zu zweit, sind sie heute sieben Kollegen. „Wir befinden uns im Jahrhundert der Wolkenkratzer“, sagt der 37-Jährige begeistert.

Der „längste“ Wolkenkratzer der Welt – und seine großen Brüder
„The Big Bend“
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Es ist eine ungewöhnliche Idee und wäre ein ambitioniertes Projekt: Das US-Architekturbüro oii Studio hat seine Pläne für „The Big Bend“ vorgestellt. Das Bauwerk würde die Skyline von New York allein schon aufgrund seiner Form verändern. In 600 Metern Höhe soll das Hochhaus nicht etwa enden, sondern einen Bogen machen. Wenn man vom Anfang bis zum Ende misst, wäre „Big Bend“ mit zweimal 600 Metern der „längste“ Wolkenkratzer der Welt. Designer Ioannis Oiaonomou will mit dem Bauwerk auch ein Zeichen setzen: Höhe ist nicht alles. Welche Wolkenkratzer momentan besonders hoch in den Himmel ragen.

(Foto: oiio Studio)
Platz 9: Petronas Twin Towers (Malaysia)
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Die Petronas Twin Towers in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur messen je 452 Meter und teilen sich damit Platz neun. Sie wurden 1998 fertiggestellt und waren lange Jahre die höchsten Gebäude der Welt. Errichten ließ sie der Mineralölkonzern Petronas, der ihnen damit auch den Namen gab.

(Foto: Reuters)
Platz 8: International Commerce Centre (Hongkong)
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Das Gebäude übertraf bei seiner Fertigstellung 2010 das 412 Meter hohe Two International Finance Centre Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite des Victoria Harbour um 72 Meter – und übernahm damit den Rang des höchsten Gebäudes in Hongkong.

(Foto: Reuters)
Platz 7: Shanghai World Financial Center (China)
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Im August 2008 wurde das Shanghai World Financial Center eröffnet. Es misst 492 Meter und gilt damit als das achthöchste Gebäude der Welt und das zweithöchste Chinas. Es hat 101 Stockwerke. Gleich daneben findet sich der Jin Mao Tower, 421 Meter hoch, mit 88 Stockwerken.

(Foto: PR)
Platz 6: Taipei 101 (Taiwan)
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Bis 2010 galt das Taipei 101 in der Hauptstadt Taiwans, Taipeh, offiziell als die Nummer eins der Welt. Doch dann musste der Wolkenkratzer den Titel abgeben – und findet sich mittlerweile nur noch auf Rang sechs der Rangliste wieder. Den Namen trägt das Hochhaus wegen seiner 101 Stockwerke. Taipei 101 ist mehr als einen halben Kilometer hoch und wurde Silvester 2004 eröffnet. Es muss großen Belastungen, zum Beispiel Erdbeben und Taifunen, trotzen können.

(Foto: Reuters)
Platz 5: Guangzhou CTF Finance Centre (China)
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Das Guangzhou CTF Finance Centre wurde erst 2016 eröffnet und ist damit das neueste Gebäude in den Top Ten. Mit einer Höhe von 530 Metern landet der Wolkenkratzer der chinesischen Millionenmetropole auf Platz fünf.

(Foto: New World Development)
Platz 4: One World Trade Center (USA)
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Das One World Trade Center wurde zwischen 2006 und 2014 auf dem Ground Zero errichtet, auf dem vor den Terroranschlägen am 11. September 2001 das World Trade Center stand. Der Wolkenkratzer ist 541,3 Meter hoch und hat 94 Stockwerke.

(Foto: Reuters)

Die Daten geben ihm recht: 2016 wurden 128 Gebäude fertiggestellt, die höher als 200 Meter sind. Dieses Jahr sollen es 150 sein – so viel wie nie. „Wenn in den Achtzigern ein Wolkenkratzer entstand, war das meist ein Büroturm in den USA“, sagt Trabucco. Heute boomt der Vertikalbau vor allem in China. Neue Millionenstädte entstehen – und mit ihnen der Bedarf an Wohn- und Arbeitsraum, aber auch an Symbolik. Allein in Shenzen kamen 2016 elf Wolkenkratzer dazu. Ein Großteil der Türme sei „mix-used“, erklärt Trabucco. Die Bauherren öffnen ihre Objekte für Hotels, Büros, Apartments, Aussichtsplattformen. Das streut das Risiko. Denn: Je höher hinaus es geht, desto teurer wird es.

„Zwei Hochhäuser mit 200 Meter Höhe zu bauen ist viel billiger als eines mit 400“, weiß Trabucco. Wer sich einen 800-Meter-Bau in die Wüste stellt, will sich vor allem ein Denkmal setzen. So wohl auch in Jeddah, Saudi-Arabien: Der Tower, der dort gerade entsteht, soll einmal einen Kilometer hoch sein. Ein Kilometer, ist das die Grenze? „Nein“, sagt Trabucco. „Rein technisch können wir auch zwei Kilometer hohe Türme bauen.“ Am Ende braucht es wohl nur jemanden, der den Wahnsinn bezahlt.

Dieser Text ist entnommen aus dem Handelsblatt Magazin N°6 – November 2017. Weitere Themen im neuen Heft sind u.a.:

  • Zeit-Geist: Die Welt gleicht im Jahr 2017 einem 1.000-Teile-Puzzle, das nicht mehr überall zueinanderzupassen scheint. Für die Uhrenbranche ist das Chaos Risiko und Rettung zugleich.
  • Bild der Frau: Wie der Pirelli-Kalender von der Spind-Deko zum Kulturgut werden konnte.
  • Roland Berger: Die Legende unter den Unternehmensberatern zieht im großen Gespräch zieht Bilanz.
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