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Dramatische Daten Flucht aus Fonds: Anleger in Europa ziehen Gelder in Rekordhöhe ab

Europas Anleger verkaufen in der Coronakrise so viele Fondsanteile wie noch nie. Am härtesten trifft es das große US-Haus Pimco. Die Vermögensverwalter schweigen.
15.04.2020 - 18:45 Uhr Kommentieren
Pimco & Co.: Wegen Coronavirus verkaufen europäische Anleger Fondsanteile in Rekordhöhe  Quelle: Pimco
Pimco Zentrale in Kalifornien

Pimco als Anleihehaus war in den vergangenen Jahren großer Nutznießer des Booms in dieser Anlageklasse.

(Foto: Pimco)

Frankfurt Ein Kartell des Schweigens beherrscht den europäischen Fondsmarkt. Keiner der großen Vermögensverwalter möchte über die massive Flucht der Anleger aus den Produkten reden. Im März zogen Kunden in Europa wegen der Corona-Panik an den Märkten unter dem Strich insgesamt 232 Milliarden Euro aus Fonds ab – so viel wie noch nie.

Die Zahl basiert auf neuesten Schätzungen der Ratingagentur Morningstar für das Handelsblatt. Sie liegt deutlich über den vor etwas mehr als einer Woche veröffentlichten Daten. „Die Zahl dürfte auch weiter steigen, weil uns von einigen Fonds noch die Angaben fehlen“, sagt Morningstar-Analyst Ali Masarwah.

Die dramatischen Daten für den europäischen Fondsmarkt mit einem Volumen von 9,5 Billionen Euro Ende Februar sind eine direkte Folge der Börseneinbrüche im März. Viele Experten sprechen von panikartigen Verkäufen durch die erwartete schwere Rezession nach dem Abschalten der Wirtschaften in Europa und anderswo in der Welt.

Fondsanleger zogen aus sämtlichen Produktgruppen Geld ab. Das belastete insbesondere risikobehaftete Anleihefonds, aber auch Aktienprodukte und Mischfonds. Nur noch eines erschien den Anlegern als letzter Rettungsanker: Cash.

Praktisch alle Anbieter waren betroffen – doch in höchst unterschiedlichem Ausmaß. Laut Morningstar traf es drei Schwergewichte am heftigsten: Blackrock, Pimco und Amundi. Aus Fonds aller drei Häuser zogen die Anleger Gelder jeweils in zweistelliger Milliardenhöhe ab. Das Minus bei der zum Allianz-Konzern gehörenden Pimco liegt mit 11,2 Milliarden Euro zwar unter den 17,2 Milliarden Euro beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock.

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Doch die absoluten Zahlen sind nur aussagekräftig im Vergleich mit dem gesamten Fondsbestand. Und da sieht es bei Pimco weit dramatischer aus: Anleger zogen bei diesem Anbieter über elf Prozent des Kapitals der in Europa aufgelegten Fonds ab, während es bei Blackrock nur rund zwei Prozent waren. Allerdings fehlen Morningstar noch Daten zu vielen Blackrock-Fonds.

Pimco als Anleihehaus war in den vergangenen Jahren großer Nutznießer des Booms in dieser Anlageklasse. „Das brach alle Rekorde“, sagt Masarwah. Spiegelbildlich fiel der Absturz im März bei der branchenweiten Verkaufswelle von Bondsprodukten aus.

Im Fokus steht das Flaggschiff „Pimco Income Fund“, dessen Volumen binnen eines Monats auf 52 von 74 Milliarden Euro schrumpfte. „In der Differenz enthalten sind 14 Milliarden Euro an Abflüssen – eine gigantische Summe“, erklärt der Morningstar-Experte. Gerade solche Fonds mit hohen Beständen an risikoreichen Anleihen seien im März von der Verkaufswelle erwischt worden - auch bei Wettbewerbern.

Auch Indexprodukte leiden

Blackrock leidet wie manche anderen Asset-Manager unter den Verkäufen von Indexfonds. Der Verwalter ist auch der größte Anbieter der börsengehandelten Variante, den sogenannten Exchange Traded Funds, kurz ETF. Das belastete ebenso andere größere Emittenten in Europa wie Amundi und die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS, weniger dagegen Lyxor Asset Management und Vanguard. Wie für die europäische Gesamtbranche geht der März auch für die ETF-Anbieter als Monat der Rekord-Mittelabzüge in die Geschichte ein.

An diesem Punkt spielen professionelle Investoren eine wichtige Rolle. Sie nutzen ETF häufig als Bausteine in ihren eigenen Depots oder Fonds. Indexfonds gibt es für Aktien-Messlatten und zunehmend auch für Bondindizes. Im März senkten viele Investoren ihre Anlagequoten in beiden Wertpapiergruppen. „Es ging nur noch um Risikosenkung, deshalb traf es auch einige der bekannten ETF-Anbieter“, erklärt der Chef eines ausländischen Fondshauses.

Auf der europäischen Anbieterliste mit den höchsten Abzügen aus Fonds steht hinter dem genannten Trio mit zweistelligen Beträgen eine kleine Gruppe mit Geldabzügen in der Größenordnung von fünf bis zehn Milliarden Euro. Dazu gehören Schroders, JPMorgan Asset Management, Alliance Bernstein, KBC Asset Management, die DWS. Der in Deutschland wenig bekannte Anbieter Eurizon Asset Management, der zur italienischen Bank Intesa Sanpaolo gehört, musste nach bisherigen Berechnungen knapp acht Milliarden Euro Abflüsse hinnehmen.

Eine Sonderrolle haben die bekannten großen deutschen Verwalter ohne bedeutendes ETF-Angebot. Sowohl Allianz Global Investors als auch Union Investment und die Deka kamen wegen der Mittelabzüge von weniger als drei Milliarden Euro mit einem blauen Auge davon. Die beiden zuletzt genannten Häuser unterscheiden sich von ihren Konkurrenten. Union Investment als Fondsgesellschaft der genossenschaftlichen Bankengruppe bietet ihre Fonds ausschließlich den eigenen Volksbanken an.

Ähnlich ist die Deka als Zentralinstitut der Sparkassengruppe eng an die Sparkassenkunden gebunden. Beide Institutsgruppen haben über ihre große Zahl an Filialen den breitesten Kontakt zu den klassischen Sparern und bedienen sie mit hauseigenen Produkten. „Viele Experten lästern über solche geschlossenen Vertriebskanäle, aber in schwierigen Zeiten kann das ein Vorteil sein“, erklärt Masarwah.

Nur geringe Transparenz

Doch so gut wie keiner der bisher genannten und vom Handelsblatt angesprochenen Anbieter will die eigene Lage kommentieren. Vergleichsweise offen ist Union Investment. Die Morningstar-Schätzungen für das eigene Haus „gehen in die richtige Richtung“, antwortet ein Sprecher. Dagegen wollen sich weder die DWS noch Allianz Global Investors äußern. Ebenso kommentieren Blackrock, Pimco, Amundi und Schroders ihre Zahlen nicht. „Es hält sich jeder bedeckt, keiner will sich aus dem Fenster lehnen“, meint Rüdiger Sälzle, Vorstand von Fonds Consult.

Die börsennotierten Verwalter berufen sich meist auf ihr Listing, wenn sie aktuelle Abflusszahlen nicht nennen und diese auch nicht kommentieren wollen. Sie müssen mögliche kursrelevante Nachrichten veröffentlichen.

„In der Tat ist das bei börsennotierten Asset-Managern eine ad-hoc-pflichtige Tatsache, weshalb es dort keine Aussagen zu dem Thema außerhalb der üblichen Reportings gibt“, meint der auf Kapitalmarktfragen spezialisierte Rechtsanwalt Klaus Nieding. Einige notierte Verwalter werden noch in diesem Monat Quartalszahlen veröffentlichen. Bei Blackrock stehen Daten an diesem Donnerstag an. Die DWS folgt am 29. April, einen Tag darauf präsentiert Amundi.

Anders sind laut Experten die nicht gelisteten Adressen zu beurteilen. „Gerade in solchen Zeiten entsteht Verwirrung durch unvollständige Information“, kritisiert Masarwah. Anwalt Nieding kommentiert: „Auch diese Fonds haben nur eine eingeschränkte Berichtspflicht, im Wesentlichen im Halbjahres- und im Jahres-Rechenschaftsbericht. Das kritisiere ich schon lange, denn der Anleger erhält so frühestens im August das erste Update mit ausführlicheren Erläuterungen.“

Crash gefährdet Aktienkultur

Aus der rein deutschen Brille ist die Transparenz sogar gesunken. Einzelne Anbieter haben eine unterschiedliche Neigung zur Übermittlung der Mittelaufkommen für ihre Fonds an den Branchenverband BVI. Gesellschaften wie Robeco, Nordea, Fidelity International oder JP Morgan Asset Management verweigern diese Daten grundsätzlich.

Wegen der daraus resultierenden Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedsgesellschaften veröffentlicht der Fondsverband seit einiger Zeit seine entsprechende Statistik statt vorher monatlich nur noch quartalsweise. So ist die Transparenz gesunken. „Dann kommen die schlechten Zahlen mit Zeitverzögerung – und bleiben dann auch drei Monate im Markt“, meint Masarwah. Er glaubt mit Blick auf die aktuelle Lage: „Das fällt den Anbietern auf die Füße.“

Ähnlich sehen es andere Branchenbeobachter, etwa Matthias Hübner von der Beratungsfirma Oliver Wyman. Das „die Schotten Dichtmachen“ verwundere ihn kaum: „Die Branche ist ungeübt in Krisenkommunikation.“ Der Experte macht sich auch Sorgen über längerfristige Folgen der abrupten Börsenverluste. Es gebe die Sorge, dass die Anleger nicht zurückkommen würden. Hübner meint: „Alle zehn Jahre ein Crash, das hat viele Deutsche nachhaltig verschreckt.“

Laut Sälzle könnten die aktuellen Verkaufszahlen noch überboten werden. Seiner Einschätzung nach ist die Baisse auch wegen ihrer historisch kurzen Dauer von wenigen Wochen nicht vorbei. Er wartet auf eine zweite Verkaufswelle an den Märkten: „Dann sehen wir noch einmal größere Abflüsse aus den Fonds.“

Mehr: Die Gewinne der Vermögensverwalter werden durch die Börsenkrise einbrechen – die Rekordjahre sind vorbei.

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