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Interview Fidelity-Chefin Anne Richards will an Aktien von Klimasündern festhalten – aus gutem Grund

Die Chefin des Vermögensverwalters Fidelity International erklärt, warum sie an Aktien von Klimasündern festhält – und wie sie ihr Unternehmen umkrempelt.
24.01.2020 - 04:00 Uhr Kommentieren
Die Chefin der Fondsgesellschaft Fidelity International glaubt, dass in der Fondsbranche eine weitere Konsolidierung ansteht. Quelle: Bloomberg
Anne Richards beim Weltwirtschaftsforum in Davos

Die Chefin der Fondsgesellschaft Fidelity International glaubt, dass in der Fondsbranche eine weitere Konsolidierung ansteht.

(Foto: Bloomberg)

Frankfurt Anne Richards hat in ihrem ersten Jahr als Chefin von Fidelity International Struktur und Management des Vermögensverwalters umgekrempelt. Erste Erfolge zeichnen sich für die gelernte Elektroingenieurin ab. Nachdem jahrelang Kapital abgeflossen ist, vertrauten die Kunden Fidelity 2019 unter dem Strich wieder neues Geld an.

Im Gespräch mit dem Handelsblatt prognostiziert Richards, dass das Thema Nachhaltigkeit die Branche der Vermögensverwalter grundlegend verändern wird. Trotzdem will sie Aktien von Klimasündern nur im Notfall verkaufen. Der Grund: Nur wer an einem Unternehmen beteiligt ist, kann auch Druck auf das Management ausüben.

So will Richards die Firmen dazu bewegen, ihre Geschäftsmodelle so zu verändern, dass sie „unsere Lebensbedingungen weniger gefährden“. Wenn alle Großinvestoren mit Anspruch an Nachhaltigkeit solche Aktien abstoßen würden, „blieben nur solche Investoren übrig, die keinen Einfluss nehmen wollen.“

Als Schottin treibt die Fidelity-Chefin das Thema Brexit besonders um. Sie hofft auch nach dem Ausstieg der Briten aus der EU auf ein enges Verhältnis zwischen beiden Partnern. „Wenn sich der ganze Lärm um das Gezerre um die Austrittsbedingungen gelegt hat, werden wir eine neue Normalität untereinander finden“, sagt Richards.

Die Vermögensverwalter-Branche sieht sie anhaltend unter Margen- und Konsolidierungsdruck. Die Zahl der Anbieter am europäischen Markt dürfte sinken, und an dieser Entwicklung könnte auch die Deutsche-Bank-Tochter DWS beteiligt sein, meint die Managerin.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Frau Richards, wird Ihre Heimat Schottland das Vereinigte Königreich verlassen und aus Großbritannien ein Kleinbritannien machen?
Das ist heute nicht zu beantworten. Der britische Premierminister hat sehr nachdrücklich darauf hingewiesen, dass er ein zweites Referendum in Schottland zumindest in absehbarer Zeit nicht zulassen wird, sodass es zum jetzigen Zeitpunkt keinen Mechanismus für ein Referendum gibt.

Drohen durch den Brexit denn Verwerfungen an den Märkten?
Großbritannien und die Europäische Union werden trotzdem ein enges Verhältnis bewahren – wegen ihrer räumlichen Nähe, ihres Handels und ihres vielseitigen Austauschs. Wenn sich der ganze Lärm um das Gezerre um die Austrittsbedingungen gelegt hat, werden wir eine neue Normalität untereinander finden. Es bleibt viel auszuhandeln, aber es ist im Interesse aller, dass wir ein gutes Miteinander beibehalten.

Sind britische Aktien jetzt ein Schnäppchen?
Unsere Analysten sind überzeugt, dass die britische Börse wegen der Belastungen durch die dauernden Brexit-Diskussionen übertrieben gedrückt ist. Gerade die Aktien inlandsorientierter Firmen mit guten Ertragszahlen haben Aufholpotenzial – sie sind attraktiver als in der Vergangenheit.

Ein noch größeres Thema als der Brexit ist der Klimawandel: Wie wird das Thema die Branche verändern?
Der Klimawandel nimmt bereits jetzt Einfluss. Einer unserer Fondsmanager, der seit zwanzig Jahren dabei ist, sagte mir kürzlich: Bis zum vergangenen Jahr bin ich in Kundengesprächen nur drei Mal überhaupt zum Thema Nachhaltigkeit gefragt worden. Seither gibt es kein einziges Gespräch mehr, in dem wir nicht darüber diskutieren.

Debattiert wird das Thema in der Branche ja schon seit Jahrzehnten …
Aber nun passiert etwas. Wir als Fidelity beispielsweise haben uns gemeinsam mit über 370 anderen Investoren der Initiative „Climate Action 100+“ mit dem Ziel der Senkung von Treibhausgasemissionen angeschlossen. Jüngst ist auch der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock dazugekommen, was wir sehr begrüßen.

Wie geht denn Fidelity konkret mit der Herausforderung um?
Entscheidend ist, dass Nachhaltigkeitskriterien in den gesamten Investmentprozess integriert werden. Seit vergangenem Jahr arbeiten wir mit unseren eigenen Nachhaltigkeitsratings für alle Aktien und Anleihen unseres Investmentuniversums. Seit Ende 2019 sind alle Emittenten auf Nachhaltigkeit geprüft. Ein Team von zwölf Experten hat dieses System entwickelt und schult unsere rund 200 Analysten. Ziel ist, eine vorausschauende Einschätzung über die Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen zu erhalten. Dennoch greifen die Analysten auch auf die Einschätzungen spezialisierter Agenturen zurück, beispielsweise von Sustainalytics. Für jedes unserer Portfolios kann damit seine Nachhaltigkeitsgüte gezeigt werden.

Besonders in der Kritik stehen fossile Energieträger, die die Erdatmosphäre aufheizen.
Wir halten als Vermögensverwalter auch Wertpapiere aus diesen Bereichen. Wir sind absolut überzeugt davon, dass wir als aktiver Vermögensverwalter mit den Unternehmen im Dialog sein müssen, um ihr Wirken zu ändern. Daher ist ein Verkauf nicht die erste Option.

Warum stoßen Sie Klimasünder nicht ab?
Um Druck auf die Unternehmen ausüben zu können – deren Geschäftsmodell so zu verändern, dass es unsere Lebensbedingungen weniger gefährdet. Das können nur die Eigentümer erwirken. So gesehen müssen wir die Aktien sogar behalten. Ansonsten blieben nur solche Investoren übrig, die keinen Einfluss nehmen wollen.

Und gibt es einen Zeitpunkt, an dem Sie doch verkaufen würden?
Ja, wenn es nicht anders geht. Das wäre die Ultima Ratio. Wir engagieren uns also zunächst. Wenn wir schließlich keine Veränderung sehen, dann nutzen wir von Zeit zu Zeit dieses Instrument der Sanktion.

Aus welchen Unternehmen oder Branchen sind Sie schon ausgestiegen?
Nachhaltigkeit bezieht sich nicht nur auf den Umweltaspekt, sondern auch auf soziale Kriterien und eine gute Unternehmensführung. In diesem Zusammenhang hat Fidelity eine Ausschlussliste für Streumunition und Antipersonenminen eingeführt.

Sie rechnen also nicht damit, dass die Kapitalströme im großen Stil aus Nachhaltigkeitsgründen umgelenkt werden?
Vorerst nicht. Ein Desinvestment kann nur der letzte Schritt sein. Als Kapitalgeber müssen wir mit den Unternehmen am Tisch bleiben, um Einfluss auszuüben. Und es sind gerade diese Unternehmen, die das hohe Forschungs- und Entwicklungsbudget stemmen können, um alternative Energien voranzubringen.

Halten Sie nichts davon, Klimasündern im Zweifel ihre Refinanzierung zu erschweren?
Dieses Druckmittel kann vielleicht in ferner Zukunft wirken. Vorerst wird es aber immer noch jemanden geben, der trotzdem Geld gibt, wenn der Ertrag stimmt – zunächst bringt es mehr, sich zu engagieren.

Vor welchen anderen großen Herausforderungen steht die Vermögensverwaltungsbranche?
Ich bin 1992 in die Branche gestartet und war überrascht, wie analog sie arbeitete im Vergleich zu der Forschungs- und Ingenieurswelt, aus der ich kam.

Warum war oder ist das so?
Die Finanzindustrie insgesamt, aber besonders die Vermögensverwalter haben es versäumt, neue technologische Plattformen aufzubauen. Es wurden immer die alten Systeme ergänzt. Denn es ist weithin bekannt, wie schwierig es ist, Systeme neu aufzusetzen. In den letzten Jahren aber haben dann einige große Finanzhäuser in neue Systeme investiert. Nun passen sich die Vermögensverwalter an – so gibt es Fortschritte. Denn: Daten und Menschen, also Kunden und Mitarbeiter, sind die größten Aktivposten der Branche.

Ist das Ihre Antwort auf das Vordringen digitaler Vermögensverwalter, immer weiter sinkende Gebühren und den Margendruck?
Für das Managen von Kosten sind Daten heute das Entscheidende. Mit den richtigen Informationen über Kunden, Portfolios, den Markt, unser Unternehmen, die auch noch passend verwendet werden, drücken wir auch unsere Kosten. Das ist in Zeiten zunehmenden Margendrucks entscheidend. Zugleich sollte das Datenmanagement aber auch die Qualität des Portfoliomanagements und der Kundenbetreuung erhöhen. Diese Industrialisierung der Vermögensverwaltung markiert eine Zeitenwende – vergleichbar mit der Revolutionierung der Autoproduktion durch die Einführung der Fließbandproduktion durch Henry Ford.

Unternehmensberater wie McKinsey meinen, dass die goldene Zeit der Vermögensverwalter vergangen sei.
Die Kurse an den Wertpapiermärkten sind ohne Zweifel auf einem hohen Niveau. Und es gibt keinen Zinspuffer mehr, dennoch braucht die alternde Bevölkerung regelmäßige Einkommen. Die Möglichkeiten, ausreichend hohe Renditen zu erzielen, sind begrenzt. Das ist eine besondere Herausforderung für Vermögensverwalter.

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