Invesco-Chef Flanagan sagt: „Die Inflation bleibt uns länger erhalten“
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InterviewInvesco-Chef Flanagan: „Die Inflation bleibt uns länger erhalten“
Der Chef der US-Fondsgesellschaft Invesco spricht über die Perspektiven am Anleihemarkt, die Aussichten für verschiedene Branchen und die Bewertung der eigenen Aktie.
„Anleihen werden die großen Verlierer sein, gerade die mit langen Laufzeiten“, sagt der Chef des US-Fondshauses Invesco.
(Foto: Invesco)
Frankfurt Marty Flanagan, der Chef der großen US-Fondsgesellschaft Invesco, fürchtet, dass die Inflation nicht so schnell wieder verschwinden wird, wie von vielen Notenbankern erhofft. Gerade in den USA spricht nach Meinung des 61-Jährigen einiges für länger anhaltende hohe Preissteigerungsraten – auch wenn die Teuerungsrate im August mit 5,3 Prozent etwas moderater ausfiel, als erwartet worden war. Anleihen sind für ihn daher eine schlechte Anlage.
An den Aktienmärkten erkennt der Invesco-Chef einige preiswerte Branchen, etwa Finanzen und Luftfahrt. Die schlechte Performance der eigenen Aktie seit der Jahrtausendwende und die noch immer niedrige Bewertung verteidigt Flanagan. Er weist auf die Vervierfachung des Kurses in den vergangenen eineinhalb Jahren hin. Außerdem erwartet er weitere große Zusammenschlüsse in der Fondsbranche. Der Zwang zur Größe sei die treibende Kraft hinter der Konsolidierung.
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Herr Flanagan, wird Ihnen beim Blick auf die Rekordjagd an den Aktienmärkten nicht angst und bange? Ist das schon eine Blase? In der Pandemie haben Notenbanken und Regierungen unglaublich viel Geld in die Wirtschaft und ins Finanzsystem gepumpt. Aktien aus bestimmten Branchen sind dagegen billig, zum Beispiel Finanzen oder Luftfahrt, aber in anderen Bereichen sind die Bewertungen hoch. Insgesamt sind wir in einem inflationären Umfeld, was man auch an den weiter steigenden Preisen für Immobilien und Rohstoffe sieht.
Jerome Powell als Chef der US-Notenbank glaubt ja, die aktuell höhere Inflation sei nur ein kurzfristiges Phänomen ... Wir stimmen dieser Einschätzung nicht zu, sondern glauben, dass uns die Inflation länger erhalten bleiben wird. Wir sehen die Unterbrechungen der Lieferketten, an vielen Stellen fehlen Arbeitskräfte. Das treibt die Geldentwertung.
Das heißt was für die Börsen? Anleihen werden die großen Verlierer sein, gerade die mit langen Laufzeiten.
Und was halten Sie für das größte Risiko an den Finanzmärkten? Wie gesagt eine hohe und länger anhaltende Inflation. Außerdem wäre es auch sehr schädlich, wenn die Pandemie wieder gefährlicher werden sollte.
Welchen Plan verfolgen Sie in diesem Umfeld für Invesco? Wie sieht die grundsätzliche Strategie aus? Da die Investoren immer mehr Angebote aus einer Hand wollen, und dazu Indexfonds und alternative Anlagen suchen, haben wir uns genau auf diesen Feldern verstärkt. Jenseits solcher Produktgedanken ist ein Land für uns ganz wichtig: China. Ist das nicht heikel? Immerhin ist da der Handelskrieg mit den USA und außerdem greifen die chinesischen Regulierer immer härter in den Technologiesektor ein. China bietet vielleicht die größte Anlagechance unseres Lebens. Wir haben dort ein Joint Venture mit Invesco Great Wall Fund Management. Insgesamt betreuen wir fast 100 Milliarden Dollar für chinesische Privatanleger und institutionelle Investoren. Zählen wir die Investments hinzu, mit denen Anleger außerhalb des Landes dort einsteigen, verwalten wir fast 150 Milliarden Dollar an chinesischen Vermögenswerten.
Vor dem Handelskonflikt mit den Amerikanern haben Sie keine Angst? Die USA und China brauchen einander wirtschaftlich, beide Länder sind durch den Handel verflochten. Und die Chinesen werden ihre Finanzmärkte weiter öffnen. Sie wollen ja das Wirtschaftswachstum unterstützen.
Nach den Regulierungseingriffen bei den großen Tech-Konzernen haben Aktien etwa Alibaba, Tencent oder Baidu bis zur Hälfte an Wert verloren. Aktuell kommt beispielsweise die Krise beim Immobilienkonzern Evergrande hinzu … Regulierung kann natürlich eine Herausforderung sein. Aber wir halten diese Vorgänge für vorübergehend. Deswegen haben wir unsere Aktienbestände per saldo gehalten. Die kommenden fünf Jahre bieten großartige Anlagechancen in chinesische Aktien.
Vita Marty Flanagan
Marty Flanagan führt Invesco seit 16 Jahren. Er ist 61 Jahre alt, lebt mit seiner Ehefrau in Atlanta und hat drei Kinder. Vorher arbeitete Flanagan für den Wettbewerber Franklin Resources.
Invesco ist unabhängig und börsennotiert. Die in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia ansässige Investmentgesellschaft verwaltet 1,5 Billionen Dollar an Geldern, davon rund 28 Milliarden in Deutschland. Sie steht damit auf Rang 15 in der Liste der größten Asset-Manager weltweit.
Invesco verwaltet weltweit mehr als 1,5 Billionen Dollar. Damit sind Sie unter den Anbietern auf Platz 15. Wollen Sie weiter nach vorn? Da gibt es kein Ziel für uns. Wichtiger ist, dass wir in einer starken Phase sind. Letztes Jahr investierten Anleger netto 7,4 Milliarden Dollar bei uns, in diesem Jahr belaufen sich die langfristigen Nettozuflüsse in den ersten sechs Monaten sogar auf 55,6 Milliarden Dollar. Das sind sehr gute Zahlen, und ich erwarte weiteres Wachstum.
Wie passt das zum Aktienkurs? Der ist kaum höher als zu Beginn des Jahrtausends. Die Kurse anderer Asset-Manager haben sich vervielfacht. Die Aktien Ihres US-Konkurrenten T. Rowe Price sind mehr als zehnmal, die des weltgrößten Verwalters Blackrock sogar 60-mal so teuer wie damals … Es kommt immer auf die Periode an, die man betrachtet. Seit dem Corona-Börsencrash im März letzten Jahres hat sich unser Kurs in der Spitze vervierfacht.
Aktienkäufer bewerten künftiges Wachstum. Sie trauen der Blackrock-Aktie da mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 24 weit mehr zu als Invesco mit einer Bewertung von nur acht … Wenn ich unsere eigene Geschäftsentwicklung anschaue, dann muss ich sagen: Das sieht nach einer guten Anlagechance aus. Die Invesco-Aktie ist meiner Meinung nach relativ billig.
Lassen Sie uns über die Konsolidierung in der Branche sprechen: Es scheint, als wären die Vermögensverwalter in diesem Jahr im Kaufmodu. Die Anlagesparte von Goldman Sachs kauft NN Investment Partners, in Europa hat Amundi bei Lyxor zugegriffen … Es ist eigentlich logisch, denn wir haben es mit einer alten Branche zu tun. Das heißt: Die Großen werden größer, seit Jahren. Das beschleunigt sich nur. Diese Entwicklung ist von den Investoren getrieben, die immer mehr Anlageangebote suchen, und das möglichst von einer Adresse. Aber es geht um mehr als Aufkäufe. Es gibt parallel eine organische Konsolidierung: Die neuen Gelder fließen vor allem zu den großen Anbietern.
Was glauben Sie: Wer wird der nächste Käufer sein, wer als Nächstes geschluckt? Das kann ich natürlich nicht sagen. Aber eines ist klar: Für einen Deal müssen sich die Partner bei ihren Fähigkeiten ergänzen. Gibt es Dopplungen, kommt Unsicherheit über die Zukunft auf. Das ist schlecht, weil Investoren Stabilität mögen.
Wer wird Ihrer Meinung nach auf der Käuferseite stehen, und wer auf der Verkäuferseite? Amerikanische Häuser werden sich weiter für europäische interessieren. Und Adressen von beiden Kontinenten schauen nach Asien. Aufkaufkandidaten sind vor allem kleinere Verwalter mit speziellen Fähigkeiten. Da gibt es ein Oberthema: Viele Asset-Manager wollen globale Spieler werden.
Invesco ist ja so etwas wie ein Aufkaufchampion. Sie haben in 15 Jahren viermal zugegriffen, sich zuletzt vor zwei Jahren Oppenheimer Funds einverleibt. Gibt es schon neue Pläne? Wir suchen nicht aktiv. Aber wir könnten uns zumindest vorstellen, den Bereich alternativer Anlagen, der jetzt rund 200 Milliarden Dollar groß ist, noch zu verstärken.
Unter den Zukäufen waren drei Anbieter börsengehandelter Indexfonds (ETFs). Haben Sie auf dem Feld noch mehr vor? Als wir die erste Gesellschaft kauften, war das ein verwaltetes Vermögen von nur drei Milliarden Dollar. Heute sind wir mit 471 Milliarden Dollar weltweit der viertgrößte ETF-Anbieter. Wir werden kaum noch ein weiteres Mal zukaufen und konzentrieren uns jetzt stärker auf organisches Wachstum.
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