Investmentfonds Wie Geldanlage-Roboter in der Coronakrise abschneiden

Noch ist es ein junges Thema in der Fondsbranche.
Frankfurt Der Corona-Crash an den Finanzmärkten schockt die Anleger. Können smarte Algorithmen helfen? Die Hoffnung mancher Investoren: Künstliche Intelligenz trifft bessere Entscheidungen bei der Geldanlage als der fehlbare, menschliche Fondsmanager. Doch die Wirklichkeit bleibt hinter den Erwartungen der Experten zurück, die ihre Strategien von derartigen Computermodellen steuern lassen.
Eine Handelsblatt-Recherche zeigt: Seit dem Börsenhoch am 19. Februar verloren die Aktienmärkte rund ein Drittel an Wert, und viele Fonds mit Steuerung durch smarte Algorithmen litten in ähnlicher Größenordnung.
„Die Ansätze haben sich in der aktuellen Krise weniger bewährt“, sagt Hendrik Leber, Chef des Vermögensverwalters Acatis. Er forscht seit vielen Jahren in dem Bereich und bietet einige solcher Fonds an. Vereinzelte Strategien lieferten in den Krisenwochen zwar sehr gute Ergebnisse. Aber dort stehen oft recht spezielle Konzepte dahinter, oder es fehlt eine langfristige Erfolgsbilanz.
Künstliche Intelligenz versucht aus Daten Muster herauszulesen, die für Prognosen eingesetzt werden können. Die reine Datenfülle ist in den vergangenen Jahren explodiert. Gleichzeitig können die Informationen immer schneller verarbeitet werden. Außerdem sind heute ganz andere Datenquellen verfügbar als vor einigen Jahren, wo man sich auf Finanzmarktzahlen wie Kurse oder Firmeninformationen beschränkte.
Heute werden häufig auch reine Texte, Nachrichten aus dem Internet und den sozialen Medien, Kreditkarteninformationen oder Satellitenbilder genutzt. Aufnahmen aus großer Höhe können beispielsweise die Auslastung von Parkplätzen vor Einkaufsmärkten erkennen und damit vor den offiziellen Firmenveröffentlichungen Rückschlüsse auf die Umsätze zulassen.
Die große Euphorie um Big Data und eine intelligente Verarbeitung der Informationen steht allerdings in Widerspruch zu den bisherigen Angeboten in der Geldverwaltung. „Ich beobachte etwa drei Dutzend Ansätze mit einem Kapital von insgesamt knapp einer Milliarde Euro“, sagt Fred Sage, Chef der schweizerischen Beratungsfirma Nextgen Alpha.
Zwar arbeiten und experimentieren viele Hedgefonds mit solchen Ansätzen. Die Palette der auch für Normalanleger erwerbbaren Strategien in einem regulierten Fonds ist jedoch sehr überschaubar. Es ist ein heterogenes Feld: Die Anbieter arbeiten mit unterschiedlichen Daten, unterschiedlichen Strategien und investieren in unterschiedlichen Bereichen der Finanzmärkte, manche können zusätzlich auch auf fallende Kurse setzen.
In dem Feld tummeln sich klassische Vermögensverwalter ebenso wie Start-ups aus dem Technologiesektor. Das Gros der Fonds ist sehr jung und mit zweistelligen Millionen-Euro-Volumina sehr klein.
Indexfonds sind in der Talfahrt keine Hilfe
Wer gemeint hatte, die smarten Roboter würden mit dem schwarzen Schwan Coronakrise besser klarkommen als ihre lebenden Konkurrenten, der sah sich getäuscht. „Kein Wunder zumindest bei reinen Aktienstrategien, wo man immer investiert ist, denn es ging eigentlich überall nach unten“, erklärt Alessandro di Soccio, Chef von A.I. Machines, einer Londoner Firma, die Anlagemodelle mit Künstlicher Intelligenz entwickelt. Die Abwärtsdrift spürten beispielsweise ein Produkt von Oddo BHF Asset Management und zwei der Angebote von Acatis.
Auf Talfahrt waren ebenso spezialisierte Indexfonds von Amundi und der DWS unter dem Markennamen Xtrackers. Interessant ist, dass sowohl bei Amundi mit Fokus auf Technologiewerte als auch bei Oddo BHF ein doppelter smarter Ansatz nicht half: Beide Strategien wählen mit Künstlicher Intelligenz Aktien von Firmen aus, die vom Einsatz Künstlicher Intelligenz profieren sollen.
Besser fühlt sich Jamie Wise. Der Kanadier ist Gründer von Buzz Indexes. Die Firma entwirft Marktindizes und Anlagestrategien, die auf der Analyse großer Datenmengen basieren. Bereits vor sieben Jahren konzipierte Wise ein Programm, das mit Künstlicher Intelligenz arbeitet. Es nutzt ausschließlich soziale Medien und Onlinequellen in den USA.
Die Algorithmen werten die Kommentare zu den großen amerikanischen Firmen aus. Der Ansatz lieferte in den vergangenen Wochen zwar keinen echten Schutz vor Verlusten. „Aber im Schnitt konnten wir seit dem Start jährlich über sechs Prozentpunkte Ertrag mehr erzielen als der S&P 500, das ist ermutigend“, sagt Wise, der das Modell bereits seit einiger Zeit zusammen mit Acatis auch in Deutschland anbietet.
Zu den Neustartern im Geschäft gehört Daniel Willmann. Der Gründer des Berliner Start-ups Othoz Capital arbeitet bei seinem Ansatz des sogenannten maschinellen Lernens mit Finanzmarktdaten und fundamentalen Daten. Er lancierte vor zwei Jahren mit einer Partnerfirma den US-Mischfonds „AI US Dynamic“ sowie später den „Art AI US Balanced“ mit beschränkter Aktienquote.
Seit wenigen Wochen gibt es das Mischfonds-Pendant für europäische Aktien. Der „Art AI Euro Balanced“ konnte die Abschläge in den letzten Wochen noch weiter begrenzen und verlor lediglich drei Prozent. „Bislang kamen wir fast unbeschadet durch, weil wir die Aktienquote schon Ende vergangenen Jahres zu senken begannen“, sagt Willmann. Von den damaligen 42 Prozent seien Ende Februar nur noch sieben Prozent übrig geblieben: „Wir haben jetzt viel Cash, um bei tieferen Bewertungen wieder zu kaufen.“
Zufrieden ist auch Bastian Lechner. Seit einem Jahr ist der Chef von Catana Capital mit dem europäischen Mischfonds „Data Intelligence Fund“ im Geschäft. Das Produkt erweist sich in den Coronawochen mit einem Abschlag von lediglich sechs Prozent als Verlust-Minimierer. „Die Ergebnisse sind okay, es funktioniert, wie man in der Krise sieht“, sagt Lechner. Die Ergebnisse über etwas längere Sicht waren allerdings weniger spektakulär.
Der Catana-Chef nutzt als Input für sein Modell Informationen aus dem Internet auf Deutsch, Englisch und Chinesisch. „Wir berücksichtigen ungefähr zwei Millionen Nachrichten pro Tag“, sagt er. Der wichtigste Unterschied zu den Konkurrenten ist allerdings: Der Fonds kann auch auf fallende Kurse setzen und so von Talfahrten profitieren.
Spezialisten setzen sich von Konkurrenten ab
Ein Ausreißer ist der „Tungsten Trycon AI Global Markets“ des kleinen Verwalters Tungsten Capital Management. Die Krisenbilanz für die heiklen Wochen weist einen Wertgewinn von fünf Prozent aus. „Das lag an Index-Shorts, in der Abwärtsphase haben wir uns gut geschlagen“, erklärt Tungsten-Mann Pablo Hess.
Auch dieser Fonds kann auf fallende Kurse setzen – und machte damit Gewinn. „Unsere Modelle haben aus den schwierigen Märkten 2001, 2008, 2011 und 2018 gelernt, das kam uns zugute“, sagt Hess. Viele Einzelstrategien steuern diesen Fonds. Genutzt werden Aktienindizes, Währungen, Staatsanleihe-Futures. Als eine Superstrategie will Hess den Ansatz trotz der jüngsten Ergebnisse nicht verstehen: „Das ist kein Modell, mit dem man jedes Jahr seine 15 Prozent macht.“
Manche Anbieter arbeiten ohne regulierte Fonds. Sie bieten ihre Modelle mit Künstlicher Intelligenz Finanzhäusern und deren Großkunden an. In diese Gruppe gehört die Münchner Firma Rise Wealth Technologies. Seit sieben Jahren arbeitet das Unternehmen an Ansätzen, die sich von herkömmlichen Investmentkonzepten auch dadurch unterscheiden, dass sehr kurzfristig gekauft und verkauft wird.
„Die Handelsstrategien werden immer kurzlebiger, momentan würde ich die Haltbarkeit nur noch auf wenige Wochen schätzen“, sagt Firmenchef Stefan Tittel. Deshalb müsse man ständig bisherige Modelle anpassen oder ganz neue entwickeln. Das eigene Modell arbeite mit Terminkontrakten auf den US-Aktienindex S&P 500. Dazu kämen sehr kurzfristige Trades mit Instrumenten auf den Volatilitätsindex für das Aktienbarometer. Dieses Stimmungsbarometer schwankte in den vergangenen Wochen so extrem wie zuletzt in der Finanzkrise.
„In den letzten vier Wochen lag unser Modell mit seinen Vola-Trades sehr häufig richtig“, sagt Tittel. Für diese Phase nennt er einen Ertrag von etwa 17 Prozent – ein krasser Unterschied zu den Ergebnissen der Konkurrenten. Über die gesamte Lebensdauer von vier Jahren habe das Konzept jährlich im Schnitt 13 Prozent Rendite geschafft.
Die Wertschwankungen erreichen nach seinen Angaben etwa ein Drittel typischer Aktienschwankungen. Bisher steckten nur 25 Millionen Euro in dem Ansatz. Über die nächsten Monate erwartet Tittel allerdings einen großen Kapitalschub durch Neuengagements institutioneller Investoren. Damit könne er die Milliarden-Euro-Hürde beim Volumen überspringen. Tittel glaubt: „Für Kleinanleger ist das weniger geeignet, unter anderem deshalb, weil das Modell sehr erklärungsbedürftig ist.“
Auf der internationalen Bühne der smarten Produkte ist die Bilanz ebenfalls gemischt. „Fast alle Konzepte hatten im vergangenen Jahr keine Zuflüsse, weil die Erfolgsbilanzen fehlten“, sagt Günter Jäger, Leiter der liechtensteinischen Beratungsfirma Plexus Investments. Er beobachtet längerfristig ausgerichtete Investmentansätze wie auch kurzfristig agierende Tradingmodelle, wie sie eher bei Hedgefonds üblich sind.
Manche Experten bleiben trotz der bisher gemischten Renditebilanzen optimistisch. An die guten Aussichten glaubt beispielsweise Berater Sage von Nextgen Alpha: „Dieser Markt wird wachsen, weil die Anlageentscheidungen ohne Angst und Panik getroffen werden – das nutzt auch den Anlegern.“
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