Marcel Maschmeyer im Interview „Das Bauchgefühl haben wir gefeuert“

„Ich bin nicht im Elfenbeinturm groß geworden.“
Er trägt einen der bekanntesten Familiennamen in der deutschen Wirtschaft. Doch Marcel Maschmeyer will sich einen eigenen Ruf in der Finanzwelt aufbauen. Mit dem von ihm in Hannover gegründeten Vermögensverwalter Paladin, der aktuell rund 135 Millionen betreut, tritt nun die zweite Generation des Unternehmerclans an. Erstmals gab der 29-jährige Gründer und Paladin-Vorstand deshalb nun Auskunft über seine Pläne – und allerlei Privates.
Herr Maschmeyer, warum heißt Ihre Vermögensverwaltung Paladin?
Weil wir wie klassische Paladine für unsere Kunden starke und beständige Wegbegleiter und Helfer sein wollen.
Sie möchten nicht nur Wert schaffen, sondern auch Werte?
Die sind uns sehr wichtig, ja, vor allem Verbindlichkeit. Da erodiert in unserer Gesellschaft vieles. Ich selbst erlebe das immer wieder.
Inwiefern?
Ach, das fängt ja manchmal schon bei Kleinigkeiten an: Man macht einen Termin aus. Und wenn man nicht kurz zuvor noch mal konkret nachfragt, kann es passieren, dass der Gesprächspartner einfach nicht aufkreuzt.
Hapert’s in der Finanzbranche generell an Werten, an Verlässlichkeit?
Das kann ich zu wenig beurteilen. Wir jedenfalls konzentrieren uns stark darauf.
Der Markt der Vermögensverwalter gilt als Wachstumsnische, ist aber hart umkämpft. Womit wollen Sie da punkten – außer mit Verlässlichkeit?
Die Branche spaltet sich meiner Ansicht nach derzeit auf: Entweder man bietet hochspezialisierte Produkte in kleinen Nischen an, oder man stellt sich enorm breit und groß auf. Zu den Letzteren zählen wir sicher nicht. Unser Talent ist eher, dass wir für bestimmte Investoren einen guten Job machen. Investoren müssen am Ende auch zu uns passen.
Das heißt, Sie akzeptieren nicht jeden potenziellen Anleger, der in Ihren Fonds einsteigen möchte?
Bei uns kann grundsätzlich jeder investieren, schon ab 100 Euro. Es werden sich diejenigen Investoren besonders wohlfühlen, denen eine gewisse Langfristigkeit und Stabilität sehr wichtig ist – und Genauigkeit. Zum Beispiel schauen wir uns pro Jahr rund 40 Unternehmen sehr genau an. Da entstehen an internen Memos und Dokumenten mehr als tausend Seiten pro Jahr…
… die sicher keiner Ihrer Anleger lesen will.
Aber selbst unsere viermal jährlich versendeten Investorenbriefe können dann mal 17 Seiten lang sein. Derlei richtet sich schon an Menschen, die Freude daran haben, Komplexität zu durchdringen und erklärt zu bekommen. Das führte auch dazu, dass wir im letzten Quartal 2018 – anders als das Gros der Branche – keine Mittelabflüsse hatten. Diese Stabilität ist sehr wichtig.
Wer sind eigentlich Ihre Investoren?
Ganz breit. Viele Family-Offices, also vermögende Privatpersonen, die ihr Geld gut angelegt wissen möchten. Und genauso Privatanleger mit überschaubareren Beträgen. Außerdem kleinere institutionelle Investoren und Vermögensverwalter, die Freude daran haben, unser asymmetrisches Chance-Risiko-Profil als Baustein mit zu integrieren.
Was müssten wir als Kleinanleger mitbringen, um aufgenommen zu werden?
Das hängt letztlich nicht vom Geld ab, sondern von Ihrem Typ. Ob Sie zum Beispiel unsere Detailversessenheit mögen. Bei uns begann das ja zuerst klein und im eigenen Umfeld. Faktisch kann jeder zu uns kommen, der Freude an unserer Arbeit hat.
Ihr Fonds Paladin One soll zehn Prozent Rendite im langfristigen Durchschnitt einfahren, was ein ziemlich großes Versprechen ist.
Wir gehen ja noch weiter.
Nämlich?
Zehn Prozent Rendite nach allen Kosten und Gebühren, bei deutlich geringeren Schwankungen als in den gängigen Indizes.
Haben Sie keine Angst vor einer massiven Korrektur an den Börsen?
Wir haben solche Korrekturen in den vergangenen Jahren schon mehrfach erlebt. Auch in diesen Phasen haben wir aber unsere Stabilität bereits bewiesen.
Ihre Fonds haben die Grenze von 100 Millionen Euro überschritten. Wie groß soll Paladin noch werden?
Wir liegen jetzt bei 135 Millionen. Unser oberes Limit sehen wir bei rund 200 Millionen Euro. Es ist also noch ein bisschen Luft. Aber darüber würde es zunehmend schwieriger werden, unsere Ziele noch verlässlich umzusetzen. Ich sehe das bei anderen Fonds, die so viel Geld aufnehmen, dass sie zunehmend schwer und unbeweglich werden.
Wie verlässlich kann ein Vermögensverwalter noch sein angesichts all der Unwägbarkeiten, die von der Weltpolitik derzeit provoziert werden?
Der Lärm aus der Politik ist an den Aktienmärkten tatsächlich omnipräsent: Was machen die USA? Wie reagiert China? Was wird aus der Türkei? Wie geht es mit dem Brexit weiter? Wie verhält sich die EZB? Darauf müssen wir uns alle einstellen: Die Börsen sind schon lange politisch geprägt. Zumindest kurzfristig. Langfristig bewegen sich die Kurse noch immer anhand der Entwicklung der jeweiligen Unternehmen.
Welche Rolle spielt bei Ihnen noch das berühmte Bauchgefühl?
Das Bauchgefühl haben wir als Einflussfaktor längst gefeuert. Wir prüfen ungefähr sechs Wochen jedes mögliche Investment sehr tief und von allen Seiten. Anfängliche Euphorie wird dann sukzessive durch Fakten ersetzt. Am Ende sitzen wir mit dem Team zusammen und sprechen alle kritischen Punkte durch.
Und auch dann steigen wir bisweilen nicht sofort ein. Die Bedeutung des richtigen Timings wird noch oft unterschätzt. Da machen es sich viele Value-Investoren zu einfach.
Viele Anleger setzen mittlerweile auf passive ETF-Fonds, die deutlich günstiger sind. Was haben Sie denen entgegenzusetzen?
In vielen Märkten haben die ETF inzwischen tatsächlich einen Marktanteil von 50 Prozent erreicht. Das heißt, dass da draußen 50 Prozent Schafe unterwegs sind, also Kapital, das jemandem hinterherläuft. Aber irgendwer muss ja vorneweg gehen.
Wenn ich 100 Prozent Schafe hätte, wüsste niemand mehr, wo es langgeht. Es kommt also der Punkt, wo der aktive Investor im Vorteil ist, weil er weiß, dass er eine ganze Herde hinter sich hat. Insofern haben aktive Manager wie wir weiter ihre Berechtigung.
Laut Umfragen genießen die Sparkassen bei den Kunden das größte Vertrauen in puncto Geldanlage. Hat Ihre Branche ein Imageproblem?
Tja, ich glaube, Teile der Branche werden noch mehr Probleme bekommen. Die Welt trennt sich einfach auf in Nischenanbieter, die etwas Besonderes können, und die ETF-Welt, die besonders kostengünstig das macht, was alle von ihr erwarten.
Dazwischen gibt es heute noch eine Fraktion, die selbst nicht weiß, ob sie Fisch oder Fleisch ist. Und die muss sich bald entscheiden. Entweder sie wird deutlich kostengünstiger – oder sie bietet klaren Mehrwert. Einfach so mitzuschwimmen, wird künftig nicht mehr reichen.
Verstehen Sie eigentlich die aktuell wieder aufflammende Kapitalismuskritik, die ja bis weit ins bürgerliche Lager ragt?
Aussagen zu Enteignungen oder Verstaatlichungen von Unternehmen wären vor zehn Jahren vermutlich nicht derart unkritisch hingenommen worden. Offenbar fühlen sich viele Menschen eben nicht mehr abgeholt. Das macht mich schon nachdenklich.
Es ist ja auch in unserer Demokratie verlockend, dass es immer jemanden gibt, der – links wie rechts – scheinbar einfache Antworten liefert für komplexe Sachverhalte. Fraglich, ob die Lösung am Ende so einfach ist.
Ex-„Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann und der frühere Topbanker Lenny Fischer tun sich mit ihrem Zukunftsfonds schwerer als gedacht. Wie hilfreich ist ein prominenter Name fürs Geschäft?
Ich glaube, die Branche ist – was das angeht – recht effizient. Wenn man lange dabei ist und gute Arbeit macht, dann wird man eigentlich immer belohnt. Die großen Namen der beiden helfen sicher dabei, Aufmerksamkeit zu generieren. Um ihre Ergebnisse beurteilen zu können, ist es aber einfach noch zu früh.
Mehr Prominenz als den Namen Ihres durchaus umstrittenen Vaters kann man sich in der hiesigen Wirtschaft kaum vorstellen. War das für Sie beruflich nützlich oder eher hinderlich?
Ich würde sagen, dass prominente Eltern immer Licht und Schatten bedeuten. Manche Türen öffnen sich dadurch natürlich, andere bleiben anfangs noch verschlossen. Ob man will oder nicht, wird man manchmal in Schubladen gesteckt, in die man gar nicht gehört.
Ich sehe das Leben wie ein Kartenspiel: Man kann sich nicht aussuchen, was für Karten man bekommt. Man kann nur das Beste aus dem machen, was einem gegeben wurde. Das versuche ich jeden Tag.
Wie war es, als Sohn von Carsten Maschmeyer aufzuwachsen?
Ich glaube, ich hatte eine weitgehend normale Kindheit. Mein Vater hatte schließlich erst wenige Jahre vor meiner Geburt gegründet. Meine Mutter hat uns meist zur Schule gefahren. Später, als ich in Frankreich zur Schule ging, bin ich fast ausschließlich mit dem Schulbus gefahren. Ich bin jedenfalls nicht im Elfenbeinturm groß geworden.
Haben Sie auch mal gegen den Papa opponiert?
Nein. Wir haben ein wahnsinnig gutes Verhältnis – und die Vorwürfe gegen ihn sind ja inzwischen auch weitgehend entkräftet. Ich schätze meinen Vater sehr und halte ihn für einen fleißigen, aufrichtigen und großzügigen Menschen.
Wie viel Geld von Ihrem Vater steckt heute noch in Paladin?
Durch unser Wachstum ist sein prozentualer Anteil etwas kleiner geworden. Heute kommen noch rund 20 Prozent des Geldes von ihm – der Rest stammt von externen Investoren.
Was war der beste Rat, den Ihr Vater Ihnen gegeben hat?
Seit dem achten Lebensjahr gehen wir gemeinsam laufen. Da haben sich immer tolle Gespräche ergeben. Was ich von ihm vor allem gelernt habe: durchzuhalten. Aufgeben war nie eine Option. Ich weiß noch, wie ich einmal im Alter von 13 für einen Charity-Lauf meiner Schule angetreten bin.
Für jeden gelaufenen Kilometer konnten Freunde und Bekannte etwas für einen guten Zweck spenden. Ich habe das damals total ernst genommen und bin zur Verblüffung aller fünfmal hier in Hannover um den Maschsee gelaufen – insgesamt fast 31 Kilometer. Auf diese Weise habe ich am Ende wohl mehr als die Hälfte der gesamten Spenden erlaufen.
Ihr Vater wollte sicher, dass Sie in seine Fußstapfen treten, oder?
Nein. Er vermittelte mir immer: „Mach, was du willst! Aber mach es dann richtig.“ Er hätte es also auch akzeptiert, wenn ich Feuerwehrmann geworden wäre. Wichtig war ihm nur der hohe Qualitätsanspruch, den man im Alltag dann an sich selbst stellt. Auch das habe ich wohl von ihm geerbt.
Im Gegensatz zu Ihrem Vater sieht man Sie aber selten auf roten Teppichen oder Galas.
Ich bin im Grunde meines Wesens ein Techniker. Ich habe Freude daran, Dinge zu verstehen, Sachen auseinanderzupuzzeln und zu optimieren, egal, worum es geht. Ich kann mich in Excel-Modellen verlieren. Mein Vater hätte daran sicher weniger Spaß. Er ist ein Macher. Er möchte lieber mit Menschen arbeiten und Dinge bewegen und vorantreiben.
Extrovertiert ist auch Ihre Stiefmutter, die Schauspielerin Veronica Ferres. Sie verkündete via „Bild“, dass ihre Kinder sie für die perfekte „Milf“ halten, was mit „attraktiver Mutter“ nur unzureichend übersetzt ist.
Hahaha, das hab ich auch gelesen. Aber ganz ehrlich: Von mir stammt der Spruch definitiv nicht.
Möchten Sie irgendwann wie Ihr Vater in der „Höhle der Löwen“ als Juror Start-ups checken?
Nein, das bin ich nicht. Ich habe Freude daran, mit gleichgesinnten Menschen über unsere Arbeit zu reden. Aber darüber hinaus habe ich kein Interesse an Bekanntheit und öffentlicher Wahrnehmung. Ich stehe gerne außerhalb des Rampenlichts.
Herr Maschmeyer, vielen Dank für das Interview.
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