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Verborgene RisikenDer gefährliche ETF-Boom
ETFs sind preiswert, unkompliziert und daher die neuen Anleger-Lieblinge. Experten warnen jedoch vor verborgenen Risiken. Die US-Börsenaufsicht ist bereits aufmerksam geworden. Was Sie über die Indexfonds wissen sollten.
Immer mehr Experten warnen vor Gefahren von börsengehandelten Indexfonds, sogenannten ETFs.
(Foto: IMAGO)
New York Der legendäre Chef der Fondsgesellschaft Vanguard, John Bogle, sieht sich am Ziel. „Die Idee, in Indexfonds zu investieren, setzt sich weltweit durch“, verkündet der 87-jährige Amerikaner stolz. Die Zahlen geben ihm recht. Das Volumen börsengehandelter Fonds (ETFs), die besonders populär zur Anlage in Indizes sind, ist weltweit seit 2003 von gut 200 Milliarden Dollar auf knapp 2,9 Billionen Ende 2015 gestiegen. Und es geht rasant weiter: Die Beratungsgesellschaft PwC erwartet bis 2021 eine Verdoppelung. Allein im vergangenen Jahr legte der Bereich um neun Prozent zu, während die gesamte Branche der Vermögensverwalter nur um ein Prozent auf 71 Billionen Dollar wuchs. Die Deutsche Bank, die selbst diese Fonds anbietet, schreibt in einer Analyse: „ETFs bleiben ein fruchtbarer Grund für neue Ideen, neue Anbieter und neue Arten der Anlage.“
Doch mit dem unkontrollierten Wildwuchs wachsen die Risiken. Manche Experten sprechen von einem gefährlichen Hype. Sie befürchten, dass die Anleger die handlichen ETFs falsch einsetzen. Oder dass die Anbieter ihnen Produkte verkaufen, die unter der simplen Oberfläche zu kompliziert und zu spekulativ für private Investoren sind. Die US-Börsenaufsicht (SEC) will die Erfolgsprodukte daher künftig strenger beaufsichtigen. Und US-Investor Carl Icahn hat den Vermögensverwalter Blackrock wegen seines hohen ETF-Bestands als „extrem gefährlich“ bezeichnet.
Dabei ist der Siegeszug der Indexfonds gerade dadurch zu erklären, dass sie bestechend simpel sind. Sie bilden in der Regel einen Index nach („passives Investment“), zum Beispiel den Dax oder den S&P 500, und brauchen kein teures Team von Analysten und Managern, die Anlageentscheidungen treffen („aktives Investment“). Weil sich herumgesprochen hat, dass die meisten aktiven Manager schlechter abschneiden als Indizes, wird diese Anlage immer populärer. Und das nicht nur bei Privatanlegern. Institutionelle Investoren schätzen ETFs, weil sie damit flexibel ein- und wieder aussteigen können. Zudem werden Indexfonds an der Börse gehandelt und sind dadurch unkompliziert zu handhaben. Und anders als bei den meisten konventionellen Fonds fallen beim Kauf keine hohen Gebühren an. ETFs sind also preiswert, was in Zeiten ausgereizter Renditen ins Gewicht fällt.
Aber gerade die Tatsache, dass ETFs so leicht zu handhaben sind, birgt eine gefährliche Versuchung. George Walker etwa, Chef der aktiven Vermögensverwaltung Neuberger Berman, hält ETFs zwar für gute Produkte. Aber er warnt davor, dass sie Anleger dazu verleiten können, zu hektisch bei Märkten ein- und auszusteigen. Das führt oft zu Verlusten, weil die Masse der Investoren meist zu spät kommt. Laut Walker verspielen auch Großinvestoren häufig Geld, wenn sie ihre Bestände zu häufig kaufen und verkaufen.
Gefährlich ist zudem, dass unter der Bezeichnung ETF mittlerweile auch komplizierte, zum Teil spekulative Produkte angeboten werden, die möglicherweise mit simplen Indexfonds verwechselt werden. Kara Stein, Kommissarin der US-Wertpapieraufsicht (SEC) hat daher eine Initiative ihrer Behörde angestoßen, diesen Markt stärker zu regulieren. „Privaten Investoren werden innovative ETFs angeboten, die zwar eine attraktive Rendite versprechen, aber auch komplexere und riskantere Strategien beinhalten“, sagt sie. Als Beispiel nennt sie Indexfonds mit abgesicherten Währungskursen, sogenannte Smart-Beta-Strategien und ETFs, die die Kurse von Bank-Darlehen abbilden, die in den USA ähnlich wie Anleihen gehandelt werden können. Unter dem Stichwort „Smart-Beta“ laufen Produkte, die mit diversen Tricks versuchen, doch noch etwas besser als der jeweilige Index abzuschneiden – was aber mit entsprechendem Risiko verbunden ist. Häufig werden auch ETFs kritisiert, die mit Krediten arbeiten, sich also intern verschulden, weil das ebenfalls das Risiko erhöht.
Dazu kommt ein weiteres Problem: In Stresssituationen weichen auch simple ETFs im Kurs manchmal kurzfristig von dem Index ab, den sie abbilden sollen. Ein Beispiel waren Börsenturbulenzen am 24. August 2015, ausgelöst von Ängsten über die Entwicklung in China. Das trifft freilich vor allem sehr kurzfristig orientierte Anleger. Nach dem Referendum zum Brexit wurden in dem Punkt zudem keine größeren Probleme bekannt. Der Investor Carl Icahn warnt jedoch in dem Zusammenhang vor der „Scheinliquidität“ von Indexfonds. Dieses Problem kann, wie auch bei konventionellen Fonds, besonders dann auftreten, wenn ETFs in wenig liquide Märkte investieren, etwa in hochverzinste, risikoreiche Anleihen.
ETFs versus Investmentfonds
ETF: Sondervermögen. Es ist das Kapital, welches der Anleger seiner Investmentgesellschaft gegen die Ausgabe von Anteilsscheinen überlässt. Dadurch ist dieses Geld klar von den anderen Vermögenswerten der Gesellschaft getrennt und selbst vor dem Zugriff der Gläubiger im Insolvenzfall geschützt.
Investmentfonds: ebenfalls Sondervermögen
ETF: ETFs werden an der Börse gehandelt. Sie müssen, anders als normale Investmentfonds, nicht bei einer Investmentgesellschaft erworben werden. Weil sie an der Börse gehandelt werden, wird der Nettoinventarwert des Sondervermögens fortlaufend veröffentlicht.
Investmentfonds: Ein normaler Investmentfonds muss bei der Kapitalanlagegesellschaft physisch erworben werden. Diese gibt den Anlegern im Gegenzug ein Zertifikat und verwaltet das Kapital im eigenen Namen auf gemeinschaftliche Rechnung der Anleger.
ETF: ETFs sind deshalb beliebt, weil sie eine hohe Liquidität aufweisen und problemlos ganztägig an der Börse gehandelt werden können.
Investmentfonds: Anders als ETFs ist es nicht so leicht, einen normalen Investmentfonds zu verkaufen. Die Liquidität ist niedrig, verkauft wird einmal täglich zum Nettoinventarwert.
ETF: Das ETF-Sondervermögen muss täglich veröffentlicht werden.
Investmentfonds: Im Unterschied dazu ist die Transparenz der meisten Investmentfonds gering, veröffentlicht wird nur im Jahres- beziehungsweise Halbjahresbericht.
ETF: ETFs werden passiv verwaltet, die Kosten sind niedrig.
Investmentfonds: Bei Investmentfonds dagegen verwaltet ein Manager das Fondsvermögen und verfolgt eigene Strategien. Das kostet die Anleger unter Umständen mehr Gebühren.
ETF: Der Ausgabeaufschlag ist ein Aufgeld, das auf den Nennwert eines Wertpapieres erhoben wird. Bei ETFs entfällt er.
Investmentfonds: Bei Investmentfonds kann der Aufschlag dagegen bis zu fünf Prozent des Net Asset Value, des Anteilswertes, betragen.
ETF: Die ETF-Verwaltungsgebühr ist niedrig und beträgt zwischen 0,05 und 0,75 Prozent pro Jahr.
Investmentfonds: Für Investmentfonds müssen Anleger dagegen hohe Gebühren zahlen, bis zu zwei Prozent pro Jahr plus weitere Fondsgebühren.
ETF: Wertpapierprovision wird bei ETFs für deren Kauf und Verkauf erhoben.
Investmentfonds: Beim Investmentfonds entfällt sie
Die SEC will nun die interne Verschuldung der Indexfonds begrenzen und ein Minimum an Liquidität, also jederzeit veräußerbaren Papieren, vorschreiben. Ähnliche Regeln gelten schon für konventionelle Fonds. Nach Meinung von Experten führt das möglicherweise aber dazu, dass die Anbieter statt ETFs dann sogenannte ETNs verkaufen. Dabei handelt es sich um Schuldpapiere, die ähnlich wie ETFs funktionieren, aber nicht mit tatsächlichen Werten unterlegt sind.
Vor einigen Jahren gab es, etwa bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Sorgen, ETFs könnten mit steigendem Marktanteil das Finanzsystem gefährden. Bedenken haben vor allem sogenannte synthetische ETFs hervorgerufen, bei denen die Anbieter gar nicht die Wertpapiere kaufen, die ihr Fonds abbildet, sondern mit Hilfe von Investmentbanken künstlich deren Kurse nachbilden. Diese Fonds sind aber inzwischen außer Mode gekommen, weil die Investoren sie nicht mögen. „Ein wichtiger Schritt war, dass die Deutsche Bank sich davon verabschiedet hat“, sagt Ben Johnson von Morningstar.
Ein anderer Anstoß zur Sorge war, dass ETFs, die mit Krediten arbeiten, zur Gesamtverschuldung des Systems beitragen. Der Anteil dieser Papiere ist aber so gering, dass er nicht wirklich ins Gewicht fällt. „Der Schwanz wackelt nicht mit dem Hund“, sagt Johnson. Zu Unbehagen führt manchmal auch der Eindruck, dass bei immer weiter steigendem Anteil an passivem Investment die Märkte irgendwann nicht mehr richtig funktionieren könnten, weil zu wenig aktiv gehandelt wird. Von dem Zustand ist die Finanzwelt aber noch weit entfernt. Achim Schwetlick von Boston Consulting ist zudem überzeugt: „Ein paar Hedgefonds, die aktiv handeln, möglicherweise automatisch gesteuert, reichen aus, um den Markt funktionsfähig zu erhalten.“ Der Siegeszug der ETFs wird durch derartige Bedenken jedenfalls nicht gebremst. Vanguard hat 2015 nach Zahlen von Boston Consulting in den USA per saldo 230 Milliarden Dollar zusätzlich von den Investoren bekommen. Die Firma lag damit weit vor Blackrock mit 106 Milliarden, dem größten Anbieter für ETFs nach Bestandsvolumen. Insgesamt hatte Vanguard netto einen höheren Zufluss als der gesamte US-Markt für alle Fonds, der nur auf 180 Milliarden kam – ein Zeichen dafür, wie sehr traditionelle Anbieter geschrumpft sind. Der Hype geht also weiter.
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