Fondsmanager Jens Ehrhardt: „Der Dax kann auf 16.000 Punkte steigen“
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Vermögensverwalter im InterviewFondsmanager Ehrhardt: „Der Dax kann auf 16.000 Punkte steigen“
Einer der bekanntesten deutschen Vermögensverwalter glaubt an weitere Kursgewinne an den Börsen. Die größten Chancen sieht Jens Ehrhardt auf dem Heimatmarkt.
Der prominente Geldverwalter sieht die Chance auf neue Dax-Rekorde.
(Foto: Bernd Roselieb)
Frankfurt Jens Ehrhardt zählt zu den prominentesten deutschen Geldverwaltern. Ein halbes Jahrhundert ist der Wahl-Münchner im Finanzgeschäft. Damit gehört der Fondsmanager und Gründer von DJE Kapital zu den Erfahrensten seiner Branche. Anleger schätzen seine scharfsichtigen Börsenanalysen.
Im Gespräch macht der 77-Jährige vor allem Aktienbesitzern Hoffnung. Erhardt erwartet ein gutes Aktienjahr 2020, auch wenn er zunächst einen kurzen Rückschlag für möglich hält. Der Vermögensverwalter setzt weiter auf Technologiewerte, als größte Chance sieht er jedoch die deutschen Versorger.
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Herr Ehrhardt, ein Spitzen-Aktienjahr mit 26 Prozent Gewinn beim Dax liegt hinter uns. Ist so ein Ergebnis 2020 wiederholbar? Rein statistisch können wir das zumindest hoffen. Für die letzten einhundert Jahre am Weltleitmarkt Wall Street habe ich ausgerechnet: Wenn die Aktien in einem Jahr sehr gut liefen, dann gab es auch in den Folgejahren in drei Viertel der Fälle Gewinne zwischen zehn und 15 Prozent.
Könnte die Wall Street wieder den Ton angeben? Anleger haben in der Vergangenheit dort viel mehr verdient als am deutschen Aktienmarkt. Als Vergleich müssen wir den sogenannten Kurs-Dax heranziehen, der die Dividenden nicht einrechnet. Nur dann ist der deutsche Leitindex vergleichbar etwa mit dem US-Marktbarometer S&P 500. Und in der Tat: Seit der Finanzkrise vor elf Jahren verfünffachten sich US-Aktien, während die deutschen Standardwerte sich nur etwas mehr als verdoppelt haben.
Wie erklären Sie den großen Vorsprung der US-Börsen? Zum einen durch die enormen Aktienrückkäufe in den USA. Das halte ich für den wichtigsten Grund. Dort haben die Unternehmen in zehn Jahren eigene Aktien im Gegenwert von fünf Billionen Dollar zurückgekauft. Außerdem beflügelten die hohen Staatsdefizite unter Donald Trump und seine Steuersenkungen die Wirtschaft.
Wie wichtig ist die lockere Geldpolitik der amerikanischen Notenbank? Die kommt noch dazu. Die Börsen bekommen weiter Rückenwind von der Geldpolitik. Notenbankchef Jerome Powell kauft jeden Monat für 60 Milliarden Dollar kurz laufende US-Staatsanleihen. Außerdem stehen im November die Präsidentschaftswahlen an. Und in einem Wahljahr hat die Notenbank noch nie geldpolitisch gebremst.
Vita Jens Ehrhardt
Der gebürtige Hamburger ist seit einem halben Jahrhundert im Finanzgeschäft. Er startete als Aktienanalyst und schreibt bis heute einen eigenen Börsenbrief. Seine Freizeit verbringt der 77-Jährige gerne auf dem Wasser, er ist passionierter Segler.
Ehrhardt gründete 1974 die DJE Kapital AG in München. Die unabhängige Vermögensverwaltung bietet eine Reihe von Investmentfonds an und betreut 13,5 Milliarden Euro an Kapital. Es ist ein Family Business: Ehrhardt ist Vorstandsvorsitzender, sein Sohn Jan sein Stellvertreter.
Wo sehen Sie die größten Risiken für ihre positiven Prognosen? Einige Stimmungsindikatoren zeigen extremen Optimismus der Anleger. Das war in der Vergangenheit eher ein schlechtes Omen. Die Lage sieht ähnlich aus wie im Januar 2018. Im Februar fielen dann die Kurse. Auch die Aktienbewertungen sind höher als früher. Das sehen wir bei den Technologietiteln an der Wall Street. Die sind seit der Finanzkrise stark gestiegen und haben damit den Gesamtmarkt nach oben geschoben.
Ist das nicht auch ein Teil der Erklärung, warum die Wall Street so viel besser lief als der Dax? Sicher. Eine Apple oder Microsoft allein haben schon einen höheren Börsenwert als der gesamte Dax mit seinen 30 Titeln. Wir hier in Deutschland haben auf dem Feld der Technologie sehr wenig zu bieten außer einer SAP.
Wann könnte der Trend zugunsten der Wachstumswerte brechen? Bei einer Aktienbaisse oder wenn unsere Konjunktur besser laufen würde. Dann hätten sogenannte Value-Werte wieder eine Chance. Davon haben wir viele im Dax, das heißt in den Bereichen Industrie, Banken, Versorger, Versicherungen. Und genau die sind seit der Finanzkrise schlechter gelaufen als die Technologiepapiere. Ich nehme aber an, dass das Wachstum weiter von den großen Tech-Unternehmen getrieben wird.
Bisher haben wir noch gar nicht über die Folgen der Ausbreitung des Coronavirus gesprochen … China legt ganze Millionenstädte still. Das hat es noch nie gegeben. Natürlich drücken die Auswirkungen der Epidemie die Firmengewinne. Die wirtschaftlichen Folgen sind erheblich. Das chinesische Wachstum könnte um einen Prozentpunkt sinken, vielleicht sind es dann nur fünf statt sechs Prozent.
Und die Auswirkungen für die internationalen Börsen? Die Frage ist, ob die Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit die ansatzweise besseren globalen Konjunkturdaten beeinträchtigen. Die China-Ereignisse kommen ja zu einer Zeit, in der die Börsen ohnehin anfällig sind. In der Vergangenheit haben solche Epidemien die Aktienmärkte nie langfristig gedrückt.
Was bedeutet diese Diagnose für Ihre Börsenprognose? Die Folgen der Virusbekämpfung könnten zusammen mit der anfälligen Markttechnik und der Anlegerstimmung eine kurzfristige Korrektur auslösen. Der Rückgang könnte bis zu drei Monate anhalten. Anschließend sollten die Kurse weiter steigen.
Wie weit kann dieser Aufschwung gehen? Ich rechne mit einem guten Börsenjahr. Rein charttechnisch, wenn ich also das langfristige Verlaufsmuster anschaue, kann der Dax mindestens auf 16.000 Punkte steigen.
Und über das Jahr 2020 hinaus? Da sehe ich einen zusätzlichen Pluspunkt für Aktien bei den Kapitalströmen. Im vergangenen Jahr kauften die Anleger für Rekordbeträge Anleihefonds, und verkauften dagegen Aktienfonds. Dieser Trend wird mittelfristig drehen. Das gibt dann den Aktien Rückenwind.
Apropos Anleihen: Sind Zinspapiere in der Tiefzinswelt überhaupt noch ein Thema? Staatsanleihen bringen praktisch keinen Zins mehr. Auch die Zinsaufschläge für Bonds mit schlechtem Kreditrisiko sind extrem gering. Weitere Kursgewinne sind fraglich. Nur ein Konjunktureinbruch könnte an dieser Prognose etwas ändern.
Die geopolitischen Spannungen sehen Sie nicht als Risiko? In diesem Jahr sind US-Präsidentschaftswahlen. Trump wäre dumm, wenn er da Auseinandersetzungen anzetteln und damit der eigenen Konjunktur schaden würde. Aber im nächsten Jahr könnten die Amerikaner den Konflikt mit China wieder hochkochen. Das wäre auch für das Aktienjahr 2021 ein Problem.
Immer mehr Banken fordern von ihren Kunden Strafzinsen. Werden Anleger unter diesem Druck auf Aktien umschwenken? Schon eine Welt ohne Zins könnte das bewirken. Ich glaube aber nicht, dass sich der Strafzins in der Breite durchsetzt. Möglicherweise wird auch der Druck auf die Banken nachlassen, negative Einlagesätze an die Sparer weiterzugeben.
Wie soll das gehen? Der Tiefzins scheint zementiert … Ich könnte mir eine Art politischen Deal zwischen Regierung und Notenbank vorstellen. Kanzlerin Angela Merkel gibt den vielfachen Wünschen nach höherer Staatsverschuldung nach und schiebt grüne Investitionen an. Dafür nimmt die neue Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, den Minus-Einlagenzins ein wenig zurück. Man darf nicht vergessen: Ein Strafzins könnte auch Unmut in der Gesellschaft schüren und radikalen Kräften Auftrieb geben.
Sie haben grüne Investments erwähnt. Wie nachhaltig ist denn der Trend zur Nachhaltigkeit? Klimahysterie wurde zum Unwort des Jahres gekürt. Das hat seine Berechtigung. Aber etwa 80 Prozent der Energie kommen weiter aus dem fossilen Bereich. Wenn wir das zu schnell ändern, riskieren wir eine Rezession, viele Arbeitslose, die Menschen würden auf die Straße gehen. Das wäre dann auch eine politische Gefahr.
Aber der Wunsch nach regenerativen Energien ist da … ... und bietet vielleicht eine Chance an der Börse. Die Konsolidierung der Versorgerbranche in Deutschland mit Kosteneinsparungen und Effizienzgewinnen halte ich für so eine Möglichkeit. Außerdem werden wir viel mehr Strom und mehr grünen Strom brauchen. Treiber der steigenden Nachfrage sind die Elektroautos und das 5G-Mobilnetz. Außerdem sind die Versorgeraktien recht preiswert und zahlen attraktive Dividenden.
Welche Branchen finden Sie außer den Versorgern noch spannend? Auch Goldminen können interessant sein. Die sind heute kaum verschuldet, im Gegensatz zu früher. Manche zahlen sogar wieder Dividenden. Nur kurzfristig sind sie ebenso wie der Edelmetallpreis labil. An den Terminbörsen hat die Spekulation auf einen steigenden Goldpreis einen Rekordstand erreicht, ähnlich wie vor über acht Jahren. Das macht den Preis anfällig.
Wo sind Sie eher zurückhaltend? Im Konsumbereich bei den schon lange populären Konzernen wie Nestlé. Viele Investoren glauben, dass deren Geschäft nie etwas passieren kann, die Aktien sind daher recht teuer. Auf die Liste der Werte, bei denen ich vorsichtig bin, gehören auch Einzelhändler, die stärker durch den Onlinehandel geschädigt werden. Wenig Chancen bieten außerdem Ölaktien, trotz der höheren Dividendenrenditen. Der Ölpreis sollte eher fallen als steigen und damit die Kurse eher drücken. Herr Ehrhardt, vielen Dank für das Interview.
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