Anlagestrategie Zinsen statt Dividenden: Firmenbonds werden im Vergleich zu Aktien wieder attraktiver

Bei Anleihen sind die Zinsen als regelmäßige Erträge festgeschrieben, bei Aktien werden die Dividenden dagegen jedes Jahr neu festgelegt.
Frankfurt Vor dem Hintergrund des inzwischen schon jahrelang anhaltenden Niedrigzinsumfelds gingen Marketingleute für Aktienfonds bislang gerne mit einem Spruch hausieren: „Dividenden sind die neuen Zinsen.“ Gemeint war damit: Für Anleihen gibt es kaum noch laufende Erträge, dafür aber hohe Ausschüttungen an Aktionäre. Wer auf regelmäßige Erträge Wert lege, sei deshalb mit Aktien besser bedient als mit Anleihen.
Das war lange Zeit zumindest teilweise nachvollziehbar, doch das Bild wandelt sich in Corona-Zeiten. Die Aktienkurse erholen sich zwar schon wieder deutlich, aber: Die Gewinne und Aufträge der Unternehmen brechen weg, die Firmen müssen ihr Geld zusammenhalten, und auch große Konzerne beantragen Staatshilfe. Deshalb haben bereits ein Viertel aller europäischen Konzerne ihre Dividendenzahlungen für dieses Jahr gestrichen oder zumindest empfindlich gekürzt.
Aus dem Dax zum Beispiel lassen in diesem Jahr der Sportartikelhersteller Adidas und die Deutsche Lufthansa die Aktionäre leer ausgehen. Beide Konzerne haben wegen der Folgen der Corona-Pandemie Staatshilfen beantragt. Auch die Deutsche Bank zahlt Aktionären keine Dividende, der Autokonzern Daimler strich die Ausschüttung besonders deutlich zusammen.
Firmen müssen mehr Zinsen zahlen
Bei Anleihen dagegen zeigen sich Unternehmen wieder großzügiger. Die Ängste vor einer schweren Rezession haben auch die Kurse von Unternehmensanleihen unter Druck gebracht. Im Gegenzug sind die jährlichen Renditen der Anleihen für Investoren, die sie jetzt kaufen und bis zur Rückzahlung halten, gestiegen.
Deshalb steigen auch die Zinszahlungen für neue Anleihen, die Unternehmen seit März im Rekordumfang begeben. Dass die Firmen wieder höhere Zinsen bieten, ist vor allem deshalb auffällig, weil der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) immer noch bei null liegt – und das auf Jahre auch noch so bleiben dürfte.
Martin Wilhelm, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung IfK – Institut für Kapitalmarkt erklärt das so: „Viele Investoren sind verunsichert, deshalb müssen Unternehmen auch für ihre Anleihen höhere Risikoprämien bieten.“ Dabei schwanken die Zinsen und Risikoprämien je nach Laufzeit und Kreditwürdigkeit der Schuldner.
Siemens zum Beispiel platzierte zuletzt eine in zwei Jahren fällige Anleihe mit einem Zinskupon von 0,25 Prozent und eine sechsjährige mit 0,375 Prozent. Daimler stattet eine in sechs Jahren fällige Anleihe mit einem Zinskupon von zwei Prozent aus, Heidelberg Cement eine vierjährige mit 2,5 und Volkswagen eine achtjährige sogar mit 3,375 Prozent. Das ist nicht gerade üppig, aber: Zumindest die Zeiten, in denen sich bonitätsstarke Unternehmen Geld bei Investoren leihen konnten, ohne dafür einen einzigen Cent an Zinsen zu zahlen, sind passé.
Sind also jetzt Zinsen die neuen Dividenden? Ganz so würde Christian Schwab, Co-Leiter des Portfoliomanagements bei der Rothschild & Co. Vermögensverwaltung, es nicht ausdrücken: „Der Vergleich zwischen Zinsen und Dividenden hinkt, weil Zinsen im Gegensatz zu Dividenden feste Größen sind.“
Dazu kommt, dass Anleihen am Ende der Laufzeit von den Schuldnern zurückgezahlt werden, Aktionäre ihre Aktien dagegen verkaufen müssen, um an ihr Geld zu kommen. Doch auch Schwab meint: „Wenn man allein die laufenden Erträge betrachtet, sind Anleihen im Vergleich zu Aktien wieder attraktiver geworden.“
Robeco gibt Firmenbonds den Vorzug
Jeroen Blokland, der als Head of Multi Asset beim niederländischen Fondshaus Robeco die Anlagestrategie für die Mischung verschiedener Wertpapierarten verantwortet, geht noch einen Schritt weiter: „Wir gewichten Unternehmensanleihen jetzt über – auf Kosten von Aktien.“
Das liegt indes nicht nur an den gesunkenen Dividenden. Blokland geht davon aus, dass die Konjunkturerholung nach der Corona-Pandemie „holprig ausfallen“ wird. Da die Kurse von Anleihen weniger stark schwanken als die von Aktien, sieht der Robeco-Manager entsprechend bei „Aktien größeres Rückschlagspotenzial als bei Unternehmensanleihen“.
Auch Vermögensverwalter Wilhelm betont, dass langfristig Anleihen stabiler sind als Aktien – und die relative Attraktivität von Unternehmensanleihen im Vergleich zu Aktien in Teilbereichen gestiegen ist.
Hinzu kommt: Anleihen von Unternehmen werden noch längere Zeit durch die Käufe der Europäischen Zentralbank (EZB) gestützt, wie Blokland betont. Die EZB hat ihre Anleihekaufprogramme im Zuge der Coronakrise deutlich hochgefahren und kauft dabei auch Unternehmensanleihen. Erst am Donnerstag hatte EZB-Chefin Christine Lagarde angekündigt, dass die Notenbank ihr 750 Milliarden Euro schweres Pandemie-Kaufprogramm, kurz PEPP, um weitere 600 Milliarden aufstocken und die Laufzeit bis Juni 2021 verlängern will.
Chris Bowie, Fondsmanager und Partner beim zur schweizerischen Vontobel gehörenden Asset-Manager TwentyFour Asset Management, ist sogar davon überzeugt, dass sich Unternehmensanleihen „über viele Jahre hinweg besser als Aktien entwickeln werden“. Bowie spricht dabei allerdings pro domo – er managt Anleihefonds. Doch er hat einen Vergleich parat, der seine Einschätzung untermauert.
Parallelen zu Banken in der Finanzkrise
Bowie sieht Parallelen von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen zu den Banken während der Finanzkrise. „Unternehmen müssen eine ähnliche Entwicklung durchmachen, wie sie die Finanzbranche nach 2008 hinter sich gebracht hat: Schuldenabbau, Rekapitalisierung und größere Liquiditätspuffer.“
Tatsächlich haben sich die Anleihen von Banken in den Jahren seit der Finanzkrise wesentlich besser entwickelt als Bankaktien. Anleihen europäischer Banken brachten Investoren seither einen jährlichen Gesamtertrag aus Zinsen und Kursgewinnen von 70 Prozent. Das ist mehr als doppelt so viel, wie sich mit Bankenaktien inklusive der oft nur mageren Dividenden verdienen ließ.
Im breiten europäischen Aktienindex Stoxx Europe 600 liegt die durchschnittliche Dividendenrendite – also die Dividende im Verhältnis zum Kurs – derzeit mit knapp drei Prozent zwar noch deutlich über der Rendite von vergleichbaren Unternehmensanleihen mit gut einem Prozent.
„Doch die Dividenden sind eben freiwillig, Zins- und Rückzahlung von Anleihen dagegen eine Verpflichtung“, unterstreicht Bloekland von Robeco. Auch er glaubt angesichts der immer größer werdenden Hilfspakete für die Wirtschaft und die Unternehmen: „Das Kürzen und Aussetzen der Dividenden wird weitergehen.“
Davon ist auch Bowie überzeugt. Unternehmen, die in der Coronakrise auf die Unterstützung des Staates angewiesen sind, würden auch künftig deutlich weniger Dividende zahlen, sagt der Fondsmanager. Und selbst Firmen, die ohne Hilfe durch die Krise kommen, dürften in Zukunft vorsichtiger wirtschaften – und mehr Bargeld in der Bilanz halten, um für künftige Krisen besser gerüstet zu sein
Dividendenaussetzung erhöht Zahlungsfähigkeit der Firmen
Davon profitieren auch die Anleiheinvestoren. „Die Aussetzung von Dividenden ist für Anleihegläubiger positiv, weil das Geld im Unternehmen bleibt und das Eigenkapital gestärkt wird“, betont Wilhelm von der Vermögensverwaltung IfK. Ebenso gut sei es für Anleiheinvestoren, wenn Unternehmen auf Aktienrückkäufe verzichten: „Beides erhöht die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen – und die ist entscheidend für die Anleihebesitzer.“
Das sieht auch Schwab von Rothschild & Co. so. Unternehmen seien auf Liquidität angewiesen, deshalb verschiebe sich der Fokus vom Shareholder- auf den Bondholder-Value. Das bedeutet: Die Interessen der Aktionäre sind den Unternehmen derzeit nicht so wichtig wie die der Anleiheinvestoren.
Dennoch sollten sich Anleiheinvestoren nicht zu sehr freuen, warnt Schwab. „Auf lange Sicht ist es auch für Bondholder kein gutes Zeichen, wenn ein Unternehmen keine oder nur eine sehr geringe Dividende zahlt.“ Der Grund: „Das kann ein Hinweis darauf sein, dass das Geschäftsmodell langfristig nicht tragfähig ist.“
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