Anlegen wie die Reichen Was Sie von wohlhabenden Familien lernen können

Wohlhabende haben es leichter beim Investment, Verluste tun nicht so wehr.
Frankfurt, Düsseldorf Nur 20 Autobahnkilometer von der Finanzmetropole Frankfurt entfernt taucht man in eine andere Welt ein: Im Taunusstädtchen Bad Homburg ist vieles entspannter, edler und vornehmer als im Rest der Republik.
Hier, am Rand der Gemeinde, die mit Champagnerluft und Spielkasino wirbt, wird das Geld der wirklich Reichen verwaltet. Am Pilgerrain 17, umgeben von Getreidefeldern und doppelstöckigen Villen, residieren die Vermögensverwalter der Familie Harald Quandt – die HQ Trust GmbH.
Gleich zwei Porträts des Industriellen hängen zur Erinnerung im Foyer – extra angefertigt von der Pop-Art-Ikone Andy Warhol. Quandt war mit ihm befreundet. Es sind nicht die einzigen Kunstwerke von Wert, die die Villa schmücken. Welche noch, das soll nicht verraten werden – aus Sicherheitsgründen.
HQ Trust managt seit mehr als drei Jahrzehnten das Vermögen der vier Töchter Harald Quandts über ein Family Office: Gabriele Quandt-Langenscheidt, Colleen-Bettina Rosenblat-Mo, Katarina Geller und Anette May-Thies sowie die Kinder der verstorbenen fünften Tochter Patricia Halterman.
Der Familienschatz ist heute aber nur ein Teil des verwalteten Vermögens, der Assets under Management, wie die Angelsachsen sagen. Gesamtvolumen: rund 4,5 Milliarden Euro. Über die Jahre hat sich unter den Millionären herumgesprochen, dass die Quandt-Manager ein gutes Händchen bei ihren Investments hatten. Großen Versuchungen, wie etwa zu Zeiten des Internethypes Ende der neunziger Jahre, widerstanden die Vermögensverwalter – und machten sich damals teilweise zum Gespött der Branche. „Im Jahr 1999 haben wir ‚nur’ ein Plus von 37 Prozent geschafft. Da sagten die Kunden: Ihr Schwachköpfe, alle anderen verdoppeln ihr Vermögen alle drei Monate“, sagt Reinhard Panse, einer der Geschäftsführer von HQ Trust. „Wir bekamen damals mächtig Prügel“. Im Jahr 2000 aber hätten sie dann ein Plus von fünf Prozent erreicht, 2001 waren es plus vier Prozent. Andere Spieler im Markt aber seien „um 50 bis 70 Prozent abgesackt“, erinnert sich Panse – ein Lächeln huscht ihm übers Gesicht.
Das Konzept der Family Offices, das viele Reiche nutzen, um ihr Vermögen zu bewahren, stammt aus den USA. Der Bankier John Pierpont Morgan, besser bekannt als J.P. Morgan, vereinte 1838 sein Vermögen im „House of Morgan“, später zogen die legendären Rockefellers nach. Wird nicht nur eine Familie betreut, spricht man vom Multi Family Office – ein weit verbreitetes Modell.
Das Geschäft lohnt sich, denn Deutschland ist ein reiches Land. Die Zahl der Millionäre stieg 2015 um fünf Prozent auf knapp 1,2 Millionen, schätzt die Beratungsgesellschaft Cap Gemini. Selbstgenutzte Immobilien und wertvolle Sammlungen sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Hinter den USA und Japan belegt Deutschland damit den dritten Rang. Auf der „Forbes“Liste der 500 reichsten Männer und Frauen der Welt finden sich immerhin 44 mit deutschem Pass, darunter die Kinder der Discount-Ketten-Gründer Theo und Karl Albrecht: Theo Albrecht junior sowie Beate Heister und Karl Albrecht junior mit 29,9 Milliarden und 20,3 Milliarden Dollar Vermögen.
Besonders groß ist die Millionärsdichte am Starnberger See – und eben hier, im Taunus bei Frankfurt. Um sie kümmern sich rund 450 Family Offices. Ihr Auftrag: Sie sollen die über Generationen erwirtschafteten Vermögen erhalten – oder sogar steigern.
Der Durchschnittsanleger kommt meist nicht in den Genuss ihres Könnens, weil er nicht über genügend Vermögen verfügt. Doch auch er kann von den Anlagestrategien der reichen Familien für seinen eigenen Vermögensaufbau lernen. Viele der Leitlinien, an denen sich Family Offices bei ihren Anlageentscheidungen orientieren, lassen sich nämlich unkompliziert und kostengünstig im eigenen Portfolio nachbilden. Wer die folgenden sieben Regeln beherzigt, kann sein Vermögen im Kleinen ebenso nachhaltig vermehren, wie es Quandt & Co. im Großen tun.
Regel 1: Krisen muss man aussitzen
Trotz aller Aufklärungsversuche, die meisten Anleger machen immer die gleichen Fehler. An den Börsen steigen sie meist dann ein, wenn die Kurse nahe der Höchststände notieren, und oftmals steigen sie auch noch zum schlechtesten Zeitpunkt wieder aus: in der Baisse, wenn die Kurse am Boden sind. Die Reichen dagegen behalten die Nerven und vertrauen ihrem Vermögensverwalter. „Wir sind nie in einem Crash am Aktienmarkt ausgestiegen, auch wenn wir ihn vorher nicht erkannt haben, was beispielsweise 2008 der Fall war. In den Krisenzeiten haben wir die Aktienquote stets erhöht“, schildert etwa Quandt-Stratege Panse seine Strategie.
Und er rechnet vor: Die beste Zeit für Aktien in den USA sei in den Jahren 1984 bis 2000 gewesen. Der S&P-500-Index stieg durchschnittlich jedes Jahr um satte 16,3 Prozent. Aus 100.000 Dollar hätten Kleinanleger mit einem börsennotierten Indexfonds (ETF), der alle im Börsenindex Standard & Poor’s enthaltenen Aktien abbildet, 1,1 Millionen gemacht. In nur 16 Jahren wären sie zum Millionär geworden. Doch die Realität sieht anders aus, sagt Panse. Alle Aktienfondsbesitzer zusammen hätten in dieser Zeit nur fünf Prozent pro Jahr verdient, aus 100.000 Dollar wurden also „nur“ 230.000 Dollar. Und das aus einem einzigen Grund: Bei schlechten Nachrichten seien die Anleger ausgestiegen.
Zum Durchhalten an der Börse muss man sich zwingen. Zu den fundamentalen Unterschieden zwischen Reichen und Normalanlegern zählt für Christian von Bechtolsheim das langfristige Denken über mehrere Generationen hinweg. Von Bechtolsheim ist ein direkter Nachfahre des schwäbischen Kaufmannsgeschlechts der Fugger, die im 16. Jahrhundert nicht nur die vermögendste, sondern auch die mächtigste Familie weltweit waren. Damals wurde der Name Fugger europaweit zum Synonym für Reichtum. Der Freiherr, der zugleich Vorstandssprecher des Multi-Family-Offices Focam ist, warnt: Man dürfe nicht gleich „Muffensausen bekommen, wenn man abends in der Tagesschau sieht, dass der Dax 100 Punkte verloren hat“. Historisch gesehen habe sich der Aktienmarkt immer recht schnell von einem Absturz erholt. Einzige Ausnahme: der Crash im Jahr 1929. Erst Anfang der 40er-Jahre seien alte Höchststände wieder erreicht worden.
Das Geheimnis des Erfolgs ist also die Langfriststrategie. Der Durchschnittsanleger dagegen agiert sprunghaft. „Verschiedene Verträge werden schneller abgeschlossen – ein Berater präsentiert ein neues Produkt oder ein Bekannter hat einen heißen Tipp. Dies hat selten System und kaum wissenschaftlichen Unterbau“, sagt von Bechtolsheim, der auch Unternehmer und Waldbesitzer ist.
Regel 2: Diversifizieren ist Trumpf
Hans-Adam II. Fürst von und zu Liechtenstein hält sich an den Klassiker unter den Börsenregeln: Nicht alle Eier in einen Korb legen. Aus gutem Grund – er würde sein Vermögen von geschätzt sieben Milliarden Euro gefährden, setzte er nur auf ein Investment. Der wohl reichste Monarch Europas ist aber angetreten, das Vermögen der Dynastie zumindest zu erhalten. Und er lässt über die familieneigene LGT Bank Privatanleger an seiner Strategie teilhaben. „In der Vermögensverwaltung bekommen Kunden die gleiche Allokation wie der Fürst“, sagt Hans Kaspar von Schönfels, Chef des Fachmagazins „Elite Report“, das regelmäßig Vermögensverwalter bewertet. Möglich macht es das „Fürstliche Portfolio“, mit dem Anleger die Strategie Seiner Durchlaucht nachstellen können.
Das Milliardenvermögen der Familie stammt aus der Zeit der Habsburger: Ländereien, Immobilien, Kunst. Ein Teil der Kunstsammlung ist im barocken Stadtpalais Liechtenstein im Zentrum Wiens zu bestaunen. Dort steht auch das teuerste Möbelstück der Welt: das Badminton-Cabinet, ein Barockschrank, der im 18. Jahrhundert in den Werkstätten der Medici in Florenz gebaut wurde. Experten schätzen seinen Wert auf über 20 Millionen Euro. Familienschätze wie den Schrank zu erhalten ist teuer. Deshalb muss selbst bei den wirklich Reichen wie dem Fürsten das Kapital arbeiten. Als aktuelle Daumenregel gilt für Kaspar von Schönfels, dass eine nominale Rendite von rund 3,5 Prozent im Jahr auf das eingesetzte Kapital erwirtschaftet werden muss, damit sich das Vermögen real – also nach Inflation, Steuern und Kosten – erhalten lässt.
Stephan Kind fährt als Fondsmanager bei der LGT Bank für die Liechtensteiner Fürstenfamilie eine Strategie mit verschiedenen Anlageklassen. Sein Ziel: „Renditen, die langfristig denen von Aktien ähneln, aber geringeren Kursschwankungen ausgesetzt sind.“ In den vergangenen 17 Jahren wurde immerhin eine jährliche Rendite von sechs Prozent erzielt. Neben Aktien befinden sich im Portfolio Hedgefonds und Private Equity. Bestimmte Anleihen spielen auch eine wichtige Rolle, zudem sind auch Rohstoffe und Immobilien enthalten. Für den Großteil des Vermögens sucht Kind aktiv gemanagte Fonds, die mehr als die Marktrendite herausholen sollen. Bei Rohstoffen kauft er börsennotierte Indexprodukte ein; bei Anleihen mischt er aktive Fonds mit passiven ETFs.

„Ein Portfolio muss das Ergebnis einer langfristigen Anlagestrategie sein, nicht die Summe diverser Einzelentscheidungen.“
Für Immobilien rät Gerit Heinz, Chefanlagestratege für die Vermögensverwaltung der Schweizer Großbank UBS in Deutschland, zu breit gestreuten Anlagen über Fonds oder börsennotierte Immobiliengesellschaften, den sogenannten Reits. So könnten zu große Einzelinvestments und damit das Risiko eines gewichtigen Verlusts vermindert werden.
Was für ein Unterschied zum deutschen Normalanleger, der, sofern er sich überhaupt an Aktien herantraut, meist auf einige wenige Dax-Standardwerte setzt, womöglich noch die Papiere des eigenen Arbeitgebers. Ein gewaltiges Klumpenrisiko. Ähnliches gilt auch für die eine vermietete Eigentumswohnung, die sich Privatanleger gerne kaufen, um am Immobilienboom teilzuhaben.
Regel 3: Im Zweifel für die Aktie
Es war im Sommer 2012, als Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, mit einem Satz Wirtschaftsgeschichte schrieb. „Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the Euro.“ Er versprach, alles zu tun, um den Euro zu retten. Und er tat viel, senkte die Zinsen fast auf null und legte ein Programm zum Ankauf von Anleihen im Volumen von inzwischen 80 Milliarden Euro im Monat auf. Heute, vier Jahre nach der Ankündigung, bekommen Anleger den Preis für die Politik des ultrabilligen Geldes schmerzlich zu spüren: null Prozent Zinsen auf das Sparkonto, bei großen Summen geht es sogar ins Minus.
Besonders zu leiden haben die Deutschen als Volk von Anleihe- und Sparbuchbesitzern – sie setzen nur wenig auf Aktien und auf Immobilien. Das rächt sich. Angesichts der Minuszinsen wird das Vermögen aufgezehrt. „Dem Normalbürger bleibt vor allem die Möglichkeit, sich über Aktien am Erfolg unternehmerischer Aktivität zu beteiligen. Dabei bietet sich ein weltweiter börsennotierter Index auf Aktien, ein sogenannter ETF, an“, sagt Quandt-Vermögensmanager Panse.
Doch bei Aktien verlässt die Deutschen der Mut. Von einer Aktienkultur wie in anderen Industrienationen sei Deutschland noch „weit entfernt“, klagt Christine Bortenlänger als Chefin des Deutschen Aktieninstituts. Gerade einmal ein gutes Zehntel aller Deutschen, genau 9,007 Millionen Menschen, haben im vergangenen Jahr Aktien oder Anteile an Aktienfonds besessen.
Höchste Zeit, dass sich das ändert. Denn in der Nullzinswelt bekommt das Risiko eine neue Bedeutung. Wer nicht bereit sei, Risiken wie etwa einen kurzzeitigen Wertverlust einzugehen, der bekomme keine Chance mehr auf Ertrag, sagt UBS-Banker Heinz. Was bleibt, sind Aktien.
Zumal die kurzfristigen Kursschwankungen auf lange Sicht kaum eine Rolle spielen. Für Privatbanker Thomas Fischer von Marcard, Stein & Co. steht außer Frage, dass die „Teilhabe am Produktivvermögen“ langfristig das beste Rezept ist, um Vermögen zu sichern. Wer kein eigenes Unternehmen hat, für den bleiben nur Aktien, um hier profitieren zu können. „Wenn die Qualität der Aktie stimmt, dann kann man auch hohe Bewertungen akzeptieren“, glaubt Vorstandssprecher Fischer. Allerdings ist die Auswahl von einzelnen Dividendentiteln vor allem etwas für Profis. Am besten, man beherzigt den Rat der Investorenlegende Warren Buffett, der ebenfalls vor allem auf die langfristige Perspektive schaut. Er selbst ist zwar mit der Auswahl einzelner Aktien extrem erfolgreich. Kleinanlegern rät er aber davon ab. Sie sollen ETFs, also Indexfonds, kaufen.
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Und Tipp Nr. 8 sollte lauten: Erben Sie so fett wie die hier zitierten Herrschaften, dann können Sie sich die Beschäftigung mit den in den 7 Tipps davor verbreiteten Anleger-Plattitüden sparen...