Anleihemarkt Bond-Investoren sorgen sich wegen der Nullrunde der Notenbanken

Anleiheanleger beobachten die Politik ihres Hauses genau.
Frankfurt Wenn sichere Staatsanleihen aktienähnliche Renditen abwerfen, können sich die Investoren meist bei den Notenbanken bedanken. So zumindest war es im vergangenen Sommer: Der scheidende Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, läutete einen neuen Zyklus sinkender Leitzinsen ein. Wenige Monate später folgte die US-Notenbank Fed. Und die Anleihemärkte legten eine Rekordjagd hin.
Der Kurs der marktbestimmenden zehnjährigen deutschen Bundesanleihe stieg in der Spitze knapp zehn Prozent. In diesem Jahr allerdings dürfte die Schützenhilfe der Zentralbanken ausbleiben. Wenn Anfang März EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Fed-Chef Jerome Powell mit den Kollegen zu ihren jeweiligen Zinssitzungen zusammenkommen, rechnen Investoren und Strategen meist damit, dass die Leitzinsen unverändert bleiben.
Auch für den Rest des Jahres erwartet Rose Ouahba, Anleihe-Chefin beim französischen Vermögensverwalter Carmignac, keine Impulse von der EZB. „Die Hürden für eine Zinssenkung sind sehr hoch.“ Und für die USA erwartet Andrew Wilson, der die Anleihestrategie in Europa von Goldman Sachs Asset Management verantwortet: „Damit die Fed ihre Zinsen senkt, müsste sich das Wachstum schon spürbar abschwächen.“
Bondinvestoren stellt das vor ein Problem: Die Kurse in sämtlichen Märkten sind schon jetzt sehr hoch. Im Gegenzug sind die Renditen für Anleihen stark gesunken. So fiel die Rendite der zehnjährigen griechischen Staatsanleihe am Mittwoch erstmals in der Geschichte des Landes unter ein Prozent. Zehnjährige Staatsanleihen aus Deutschland, den Niederlanden und Frankreich werfen schon länger sogar negative Renditen ab. Damit fällt für Anleiheanleger ein wichtiges Sicherheitsnetz weg: Der Zinsschein.
Die Kuponzahlungen wirken bei Zinspapieren wie ein Puffer gegen Kursverluste. Doch dieser Puffer ist wegen der Niedrigzinsen immer weiter abgeschmolzen. Die Folge: Investoren sind zuletzt immer abhängiger von der Kursentwicklung der Anleihen geworden – und damit von den Notenbanken. Paul Jakubowski, Chefanlagestratege für Europa beim US-Fondsriesen Vanguard, warnt: „Die geringe Renditeaussicht ist ein Risiko für die Märkte.“
Weitere Rally unwahrscheinlich
Carmignac-Strategin Ouahba bestätigt: „Heutzutage sorgt bereits eine leichte Korrektur der Zinsen für Stress an den Anleihemärkten.“ Sie fokussiere sich daher darauf, das Risiko steigender Zinsen, die bei Anleihen für Kursverluste sorgen, frühzeitig zu erkennen: „Zinsen sind der Schlüssel für alle finanziellen Entscheidungen.” Andere makroökonomische Faktoren seien mittlerweile in den Hintergrund gerückt.
Angesichts schwacher, aber stabiler Wachstumsdaten und niedriger Inflation gebe es jedoch kaum Gründe für die Notenbanken, einzugreifen. Eine Rezession, die sinkende Leitzinsen nötig machen würde, sehen nur wenige Experten. Ein sprunghafter Anstieg der Inflation, der Notenbanken zu Zinserhöhungen zwänge, ist allerdings ebenfalls nicht abzusehen. Schließlich berät die EZB derzeit darüber, ob sie ihr Inflationsziel in Zukunft lockern und auch Preissteigerungen von über zwei Prozent tolerieren will.
Für Anleiheinvestoren bedeutet dieses Umfeld: Große Kursstürze sind nicht in Sicht, weitere Rallys aber ebenfalls unwahrscheinlich. Daher reagieren Anleger vor allem mit einer Strategie: Sie erhöhen ihr Risiko im Portfolio. „Die Jagd nach Rendite geht weiter“, begründet Goldman-Manager Wilson. Investoren rechnen zudem damit, dass vom Handelskonflikt in diesem Jahr keine neue Marktpanik ausgelöst wird.
Im Wahljahr habe Trump ein hohes Interesse an stabilen und hohen Börsenkursen, meint Wilson. Dementsprechend würden Unternehmensanleihen wahrscheinlich stärker an Wert gewinnen als Staatsanleihen.
Zu den gestiegenen Anleihekursen dürften zuletzt auch die Kaufprogramme der Notenbanken beigetragen haben. Die EZB kauft jeden Monat Staats- und Unternehmensanleihen im Wert von 20 Milliarden Euro.
Und auch die US-Notenbank kauft im großen Stil Anleihen, auch wenn die Fed dies nicht als geldpolitische Intervention verstanden wissen will. Doch die Anleihekäufe hätten wie eine Zinssenkung gewirkt, sagt Jeroen Blokland, Chef für gemischte Portfolios beim niederländischen Vermögensverwalter Robeco. „Ich bin überzeugt, dass die Ausweitung der Fed-Bilanz zum Preisanstieg vieler Vermögenswerte beigetragen hat.“
Dafür sprechen aus seiner Sicht „harte ökonomische Daten“, etwa die Investitionen von Unternehmen. Denn diese seien trotz der günstigen Finanzierungsbedingungen dies- und jenseits des Atlantiks kaum gestiegen. „Es zeigt sich, dass die überschüssige Liquidität nicht in der Realwirtschaft ankommt“, sagt Blokland. Stattdessen fließe die Liquidität in die Finanzmärkte und hebe dort die Preise.
Blokland selbst hält jedoch nichts davon, Anlegergeld in riskante Teile des Anleihemarkts umzulenken. „In diesem Konjunkturzyklus investieren wir nicht mehr in Hochzinsanleihen“, sagt der Robeco-Manager. Auch für ein Quäntchen mehr Rendite auf länger laufende Bonds zu setzen, ist nach seiner Ansicht riskant.
Bargeld als Alternative
Üblicherweise haben Unternehmensanleihen mit zehn, 15 oder 20 Jahren Laufzeit noch einen vergleichsweise hohen Kuponzins, versprechen also stabile Zinseinnahmen. Doch der Kurs dieser Papiere reagiert deutlich stärker auf Zinsänderungen. Bondfachleute blicken dabei auf die Kennziffer Duration. Diese misst, wie stark der Kurs einer Anleihe bei einer Zinsänderung reagiert. Bei steigenden Zinsen müssen Anleger mit Kursverlusten rechnen.
Doch aktuell seien Investoren sehr sorglos, stellt Blokland fest: „Das Durationsrisiko ist noch stärker falsch gepreist als das Kreditrisiko.“ Aus Sicht des Vanguard-Strategen Jakubowski treffen die gestiegenen Anleihekurse jedoch nicht nur Anleihemanager – sondern jeden, der ein klassisch gestreutes Portfolio mit 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen hält. „Wenn die Bewertungen sehr hoch sind, fehlt es an Diversifikation zwischen den Anlageklassen.“
Angesichts der hohen Bewertungen seien Bonds immer weniger geeignet, als Risikopuffer zu Verlusten am Aktienmarkt zu wirken. Daher rät er Anlegern: „Wenn sie Aktien halten, sollten sie zusätzlich über Bargeld nachdenken.“ Für völlig falsch halt es Jakubowski jedoch, wenn sich Privatanleger an der Jagd nach Rendite beteiligen und in immer riskantere Anlageklassen investieren.
Die Risiken, die Anleger eingehen, sollten sich immer an den eigenen Zielen, ihrem Zeithorizont und der persönlichen Risikoneigung orientieren. „Wenn Anleger zu hohe Risiken eingehen, werden sie emotional“, schildert er das Problem. Das bedeutet: Sie kaufen und verkaufen zum ungünstigsten Zeitpunkt.
Zwar sieht auch Jakubowski das Problem, dass sich Anleger angesichts niedriger Renditen an den Kapitalmärkten um die Höhe ihres Vermögens im Alter sorgen. Aber hier mahnt er zu Disziplin. „Jetzt ist nicht die Zeit, höhere Risiken einzugehen“, sagt der Stratege. „Das einzige, was Investoren in der Niedrigzinsphase tun können, ist mehr zu sparen.“
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