Börsengänge Einhorn-IPOs: Wie sich die Tech-Start-ups an der Wall Street schlagen

Das Börsendebüt des Neobrokers war kein Erfolg.
Denver Die Suche nach einen richtigen Knaller für einen Börsengang treibt Unternehmer und Investmentbanker um. Geht eine Firma an die Börse, dann soll der Aktienkurs nach Möglichkeit deutlich steigen. Der erste Eindruck an der Wall Street soll schließlich ein guter sein und weitere Aktionäre anlocken.
Zu stark in die Höhe gehen sollte der Kurs nach Möglichkeit aber auch nicht. Denn das signalisiert, dass die Investoren, die die Aktien am Vorabend des Handelsstarts zum Ausgabepreis kaufen, auch noch mehr bezahlt hätten und das Unternehmen noch mehr Geld hätte einsammeln können.
Robinhood musste am Donnerstag auf das Durchstarten am ersten Börsentag verzichten. Die Aktie ging zum Ausgabepreis von 38 Dollar in den Handel. Die Nachfrage nach den Papieren des Neobrokers war gering, wie es in Finanzkreisen hieß. Den ersten Tag an der Technologiebörse Nasdaq beendete Robinhood mit gut acht Prozent im Minus. Das ist selten. Nur jedes vierte Unternehmen muss zum Handelsstart fallende Kurse verbuchen, wie aus Daten des Analysehauses Dealogic hervorgeht.
Am Freitag erholte sich der Robinhood-Kurs leicht. Doch Analysten zufolge könnte es der Neobroker aus dem kalifornischen Menlo Park schwer haben, sich an der Wall Street zu behaupten. Robinhood ist zwar schnell gewachsen, aber hohe Verluste und Ärger mit Regulierungsbehörden „sind deutliche Warnsignale“, gibt Dan Morgan, Portfoliomanager vom Vermögensverwalter Synovus, zu bedenken. Setzt man den Umsatz ins Verhältnis zur Marktkapitalisierung dann ist Robinhood etwa doppelt so hoch bewertet wie der etablierte Broker Charles Schwab.
Der schwere Start der Einhörner
Die vergangenen Monate an der Wall Street waren geprägt von großen Börsengängen. Nach dem schwachen Start von Robinhood wird an der Wall Street nun darüber diskutiert, ob dies den Höhepunkt eines heiß gelaufenen Marktes markiert und eine Phase der Abkühlung einleitet. „Es hat sich eine gewisse Müdigkeit unter den Investoren eingestellt“, räumte Nelson Griggs, Manager der US-Technologiebörse Nasdaq, am Donnerstag zum Börsenstart von Robinhood ein.
Eine Reihe von Unternehmen hat ihre Börsengänge bereits verschoben, darunter Clarios International, ein Hersteller für E-Auto-Batterien, der eigentlich am Freitag in den Handel starten wollte. Als Grund gab das Unternehmen zu hohe Volatilität an den Märkten an.
Seit Anfang des Jahres haben US-Börsengänge ein Rekordvolumen von 231 Milliarden Dollar erreicht. Im gesamten Jahr 2020 waren es 180 Milliarden Dollar, wie aus Daten des Finanzdienstleisters Bloomberg hervorgeht. „Wir hatten zu viele Deals zu überhöhten Preisen. Das bereitet mir Sorgen“, warnte Kathleen Smith vom Analysehaus Renaissance Capital am Donnerstag im Börsensender Bloomberg TV.
Gerade die sogenannten Einhörner, Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet sind, kämpfen schon von Anfang an mit einem gewissen Kulturschock: Im Silicon Valley werden die erfolgsverwöhnten Angreifer schnell zu milliardenschweren Unternehmen. Doch die Bewertung, die sie in privaten Märkten erzielen, hält an der Wall Street oft nicht stand.
„Hier wird viel genauer darauf geschaut, ob das Geschäftsmodell der Start-ups wasserdicht ist, ob sie profitabel sind oder zumindest in absehbarer Zeit in die Gewinnzone kommen können“, sagt Portfoliomanager Morgan und verweist auf den geplatzten Börsengang von Wework 2019, der damals zumindest zeitweise eine Phase der Ernüchterung bei großen Tech-Start-ups auslöste.
Weder der erste Tag noch die ersten Wochen entscheiden über den langfristigen Erfolg an der Börse. Auch Unternehmen wie Facebook und Etsy hatten einen schweren Start an der Wall Street, wurden später jedoch zu Börsenlieblingen. Es könnte sich lohnen, bei Tech-Börsengängen erst einmal abzuwarten, wie ein Blick auf die großen Einhorn-IPOs der vergangenen Monate zeigt:
Coinbase
Anders als Robinhood entschied sich Coinbase für eine Direktplatzierung. Dabei werden die Aktien nicht am Vorabend an Investoren verkauft, sondern gehen am Tag des Handelsstarts direkt an den Markt. Amerikas größte Krypto-Handelsplattform hat den Börsengang Mitte April perfekt getimt. Einen Tag später erreichte der Bitcoin, die größte und älteste digitale Währung, ihr Rekordhoch von über 63.000 Dollar.
Dank des Hypes um Kryptowährungen, der sich Anfang des Jahres herausbildete, war das erste Quartal das beste aller Zeiten. Im Vergleich zum Referenzpreis von 250 Dollar legte die Coinbase-Aktie am ersten Handelstag zunächst deutlich zu und erzielte in der Spitze eine Unternehmensbewertung von 100 Milliarden Dollar – mehr als die Nasdaq und die New York Stock Exchange zusammen.
Doch die Euphorie verflog, noch bevor die Schlussglocke läutete. Seitdem ging es für das Papier vor allem abwärts. Rund 29 Prozent hat die Aktie verloren, die stark mit den Kryptopreisen korreliert. Denn je höher die Kurse von Bitcoin und Co. desto größer ist in der Regel auch die Aktivität der Nutzer, was bei Coinbase zu höheren Handelsgebühren führt.
Die Zahlen für das zweite Quartal wird das Unternehmen am 10. August veröffentlichen. Die Partystimmung ist seit den ersten Monaten des Jahres jedoch verflogen. Der Bitcoin konnte zuletzt wieder zulegen, liegt bei rund 40.000 Dollar jedoch deutlich unter seinem Rekord vom April. Der breit gefasste Aktienindex S&P 500 hat seitdem knapp sieben Prozent zugelegt.
Airbnb
Der rasante Börsenstart von Airbnb war im Rückblick überzogen. Die Aktie des Zimmervermittlers legte zum Handelsstart an der Nasdaq Mitte Dezember um 115 Prozent zu. Der Online-Zimmervermittler war damit fast 102 Milliarden Dollar wert, mehr als die Konkurrenten Marriott und Expedia zusammen. In den ersten Monaten als börsennotiertes Unternehmen hielt sich Airbnb tatsächlich stark. Doch seit März hat das Papier praktisch alle Kursgewinne wieder abgegeben.
Die vergangenen Monate waren grundsätzlich schwieriger für sogenannte Wachstumsaktien, die im vergangenen Jahr noch zu den großen Gewinnern zählten. Im ersten Quartal meldete das Unternehmen einen Verlust von 1,2 Milliarden Dollar.
Zwar haben die Buchungen wieder deutlich zugelegt, doch das Unternehmen leidet unter hohen Kosten für Kredite, die es im vergangenen Jahr aufnehmen musste, um durch die Pandemie zu kommen. Angesichts der rapide steigenden Infektionszahlen der Delta-Variante weltweit ist derzeit unklar, wie sich die Entwicklungen auf die Wirtschaft, den Tourismus und die Reisebereitschaft der Menschen auswirken wird und was das letztlich für das Geschäft von Airbnb bedeutet.
Doordash
Lieferdienste gehörten zu den großen Gewinnern der Pandemie. Nach einem starken Debüt an der Börse geriet Doordash jedoch unter Druck. Die Aktie hat seit dem Börsengang im Dezember rund sieben Prozent an Wert verloren. Der S&P 500 konnte in der Zeit jedoch um 20 Prozent zulegen. Investoren sorgen sich um die mittelfristigen Geschäftsaussichten von Doordash.
Mit dem Ende der Pandemie sind die Restaurants schließlich wieder voll. Auch die Verluste lagen mit 99 Millionen Dollar im ersten Quartal nur leicht unter dem Vorjahreswert. Hinzu kommt der Arbeitskräftemangel, mit dem derzeit praktisch alle Branchen in der US-Wirtschaft zu kämpfen haben. Das Unternehmen will dennoch weiter wachsen und auch andere Dinge, etwa Supermarkteinkäufe, ausliefern und hat seine Umsatzprognose für dieses Jahr angehoben.
Auch in Deutschland will Doordash expandieren. Doch die Konkurrenz ist groß. Am Donnerstag startete das Unternehmen noch mit einem weiteren Wachstumsfeld. Doordash will künftig nicht nur Essen ausliefern, sondern es auch selbst kochen – dank sogenannter „Ghost Kitchens“, in denen Gerichte von Restaurants zubereitet werden, die speziell für die Auslieferung vorgesehen sind. Die erste Testküche wurde im kalifornischen San Jose eröffnet.
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