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Börsenprofis schwärmen von „Frontier Markets“ Die letzten Entdecker der Weltbörsen

Schwellenland ist nicht gleich Schwellenland. Jenseits der etablierten BRICS locken Länder wie Vietnam oder Pakistan mit sagenhaften Renditen. Wo die Schatzsucher unter den Börsenprofis die besten Chancen sehen.
04.07.2016 - 20:57 Uhr Kommentieren
Der Konsum brummt. Quelle: dpa
Schuhverkäuferin in Vietnams Hauptstadt Hanoi

Der Konsum brummt.

(Foto: dpa)

Düsseldorf In Käse, Keksen und Kondensmilch muss etwas dran sein. Zumindest wenn sie in Vietnam hergestellt werden und aus den Fabriken von Vietnam Dairy Products kommen. Die Firma ist an der Heimatbörse notiert. Das Besondere: Ihr Kurs hat sich seit dem weltweiten Börsentief im Frühjahr 2009 verzehnfacht. Von solchen Erfolgen schwärmen die Experten der sogenannten „Frontier Markets“.

Schwellenland ist nicht Schwellenland. Nachrichten machen die etablierten Staaten, allen voran Brasilien, Russland, Indien, China. „Aber hier reden wir von Emerging Markets der zweiten Generation“, sagt Rami Sidani, Fondsmanager bei Schroders. Früher sprach man schlicht von Entwicklungsländern. „Sie sind an einem Punkt ihrer Entwicklung, wo die bekannten Schwellenländer vor zwei oder drei Jahrzehnten waren“, sagt Sidani. Die Fachleute für diese Märkte haben Staaten aus Afrika, Lateinamerika, Europa und Asien auf dem Radar, Vietnam ist nur einer davon.

„Es geht um Fantasie bei der künftigen Entwicklung. In manchen Ländern sieht das wirklich interessant aus“, sagt Stefan Böttcher, Fondsmanager bei Charlemagne Capital, einem kleinen und auf Schwellenmärkte ausgerichteten Anlagehaus. Er macht den Job schon lange. Böttcher ist ein Indiana Jones des Finanzgewerbes auf Schatzsuche an unentdeckten Plätzen rund um den Globus. Der Fachmann sucht nach Ländern, in denen eine Kombination von Faktoren künftig für Schwung sorgen kann: „Sie wachsen stark, sind politisch stabil, die Inflation fällt, die Märkte werden auch für Ausländer geöffnet.“

Fantasie und Realität liegen weit auseinander

Wachstum ist überhaupt das Schlüsselwort. „Wir erwarten in den nächsten bis zu zehn Jahren ein jährliches Wachstum in den Ländern von rund sechs Prozent“, sagt Sidani. Das hört sich anders an als die gängigen Prognosen für die saturierten Industrieländer, die konjunkturell schwächeln und unter der Vergreisung der Gesellschaft leiden. Der Schroders-Mann denkt an die vielen jungen Menschen in den Entwicklungsländern, spricht von „exzellenter Demografie“.

Zwischen Fantasie und Realität klaffte jedoch vor allem im vergangenen Jahr eine Lücke. Die Baby-Börsen wurden wegen der Schwäche der klassischen Emerging Markets in Sippenhaft genommen. „Währungsabwertungen, Kapitalflucht, stürzende Rohstoffpreise und der Zinsausblick, es kam alles zusammen in der Summe lief es miserabel“, sagt Gabriel Sachs, Experte für Frontier Markets bei Aberdeen Asset Management. Die Börsen und Währungen der „erwachsenen“ Schwellenländer stürzten, allen voran Russland und Brasilien, China hatte seine eigenen Probleme. „Das schafft kein Vertrauen“, sagt Carlos von Hardenberg, Fondsmanager bei Franklin Templeton Investments.

Es ist ein Anlagegebiet für Spezialisten. Frontier Markets sind häufig wenig erschlossen, Informationen weniger transparent als in anderen Märkten, praktisch über Nacht kann es unliebsame Überraschungen geben. „Nigeria hat seine Währung gerade 40 Prozent abgewertet, da will man dann gar nicht investiert sein“, nennt Böttcher ein Beispiel. Wer nigerianische Aktien besaß, dem hat es die Performance verhagelt.

Jetzt scheint die Lage stabiler zu sein. Im laufenden Jahr sehen die Wertentwicklungen besser aus als im vergangenen Jahr. An den Frontier-Märkten war Geld zu verdienen. Zumindest einige Fondsmanager spielten wieder Erträge ein und weckten die Hoffnung, an die guten Marktentwicklungen früherer Jahre anknüpfen zu können.

In den Blick rückt jetzt ein anderer Pluspunkt der Anlageklasse. Die ist relativ losgelöst vom weltpolitischen und wirtschaftlichen Treiben anderswo. Kleine Positionen können demnach ein Depot stabilisieren, wenn große Märkte crashen. Das war beim britischen Referendum zu spüren. Als die großen Aktienmärkte am Tag danach einknickten, einige zeitweise ein Zehntel an Wert verloren, da zuckten die Frontier Markets kaum mit der Wimper.

„Das ist ein Unterschied zu den traditionellen Emerging Markets, die sehr abhängig sind vom globalen Wachstum und von den Rohstoffpreisen“, sagt Böttcher. Sidani erklärt, das Wachstum komme stärker aus dem Inland. „Da spielt die Weltlage keine so große Rolle, es sei denn, es gibt einen Megaschock wie die Finanzkrise 2008“, ergänzt er.

Manager favorisieren Vietnam und Pakistan

Investoren stehen bei der Umsetzung allerdings vor Hürden. Das Anlagegebiet Frontier Markets ist winzig, verglichen mit anderen Aktienklassen. Die Indizes von MSCI für Industrieländer, Emerging Markets und Frontier Markets spiegeln die relativen Größenunterschiede wider.

Die Produktauswahl ist zudem begrenzt. Kaum ein gutes Dutzend Adressen bietet laut dem Analysehaus Morningstar entsprechende Fonds für breite Anlegerkreise an. Das meiste Geld hat Schroders eingesammelt. Dreistellige Millionen-Euro-Beträge verwalten außerdem Franklin Templeton, Aberdeen Asset Management und HSBC. Im Performancevergleich schneidet auf kürzere Sicht Charlemagne Capital mit zwei von Böttcher betreuten Fonds am besten ab. Über fünf Jahre gemessen liegen HSBC und Schroders mit ihren Strategien an der Spitze.

Vietnam und Pakistan zählen zu den Favoriten der Manager. Der genannte Käsehersteller aus Vietnam ist nur ein Beispiel für die Attraktivität des Landes in den Augen der Manager. „Danone oder andere würden das Unternehmen gerne kaufen, wir erwarten eine Welle von Übernahmen“, sagt von Hardenberg. Er findet das Land generell interessant: „Die Regierung ist unternehmerfreundlich, High-Tech-Firmen aus Korea und Taiwan haben sich schon angesiedelt.“ Auf der Favoritenliste steht auch Pakistan. „Pakistan wächst stark, die Inflation ist auf Rekordtief, die Aktien sind günstig, und eine Dividendenrendite von 6,5 Prozent ist einfach reizvoll“, sagt Schroders-Mann Sidani.

Von Hardenberg stellt Afrika heraus, schwärmt von den Wachstumschancen in der Größenordnung von sechs bis sieben Prozent jährlich. „Afrika ist riskant, heißt es oft, aber jetzt haben wir in Europa Probleme“, sagt er. Der Templeton-Mann mag vor allem Kenia, auch Angola und Äthiopien. „Äthiopien wird wohl stärker wachsen als China“, glaubt er. Er schwärmt von den Fintech-Initiativen auf dem schwarzen Kontinent, verbessertem Firmenmanagement, schuldenfreien Unternehmen, gewachsener politischer Stabilität.

HSBC setzt etwas mehr Geld in Lateinamerika ein. Die beiden größten Einzelpositionen stammen aus Argentinien. Schroders-Mann Sidani ist hier ebenfalls stark aktiv: „Argentinien ist eine große Turnaround-Story.“ Lange Jahre war Argentinien abgeschottet, begann, sich nach den Wahlen im vergangenen Herbst zu öffnen. Auch Böttcher erkennt die Veränderung: „Argentinien geht in die richtige Richtung, der Markt ist fast wieder frei zugänglich, das sieht man auch an der jüngsten großen Anleiheemission des Landes.“

Die Manager setzen oft Schwerpunkte bei Aktien aus der Finanzbranche. Ein anderes Thema ist die Gesundheit. „Da gibt es großen Nachholbedarf“, erkennt Böttcher. Und natürlich lockt der wachsende Inlandskonsum. Da schließt sich der Kreis zur vietnamesischen Milchaktie.

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