Dax-Sentiment Anleger sind stark investiert und erhöhen damit das Risiko eines Rückschlags
Düsseldorf Anleger stellen sich mit Blick auf die Börse aktuell drei Fragen: Ist das Schlimmste an den Finanzmärkten überstanden? Ist es an der Zeit, die Aktien zu kaufen, die am stärksten ausverkauft wurden? Oder sollte die Erholung genutzt werden, um das Portfolio für den nächsten Tiefschlag krisenfest zu machen?
Sentimentexperte Stephan Heibel bezeichnet die aktuelle Stimmungslage als „abwartend neutral“. Der Inhaber des Analysehauses Animusx wertet die wöchentliche Handelsblatt-Umfrage zur Börsenstimmung, Dax-Sentiment genannt, unter mehr als 3500 Anlegern aus.
Solange die Faktenlage zu den künftigen Lockerungsmaßnahmen und den wirtschaftlichen Auswirkungen nicht klarer wird, dürften Heibels Ansicht nach keine großen Ausschläge in die eine oder andere Richtung erfolgen: „Abwärtspotenzial droht während der Berichtssaison, denn Unternehmenszahlen werden in den kommenden Tagen und Wochen das Ausmaß der wirtschaftlichen Schäden der Quarantänemaßnahmen zeigen.“
Eine eindeutige Empfehlung auf die Fragen der Anleger liefert die Sentimentanalyse diese Woche aber nicht. „Kursgewinne wie beispielsweise zur Eröffnung am heutigen Handelstag sind eine Gelegenheit, die eine oder andere Position im Portfolio zu verkaufen, um im Fall eines Rückschlags ausreichend Cash für Nachkäufe zu haben“, meint Heibel.
Nach der Panikstimmung im März folgten die Schnäppchenjäger, die derzeit ihre spekulativen Gewinne mitnehmen. Nun hat der Dax sein Ausverkaufsniveau wieder verlassen. Würden die Kurse weiter steigen, wären nach Heibels Ansicht einzelne Aktien und Branchen wieder überbewertet.
Bei seiner umfangreicheren Animusx-Sentimentumfrage wird unter anderem auch die Investitionsquote abgefragt. Diese Quote liegt bereits wieder auf einem verhältnismäßig hohen Niveau. Viele Anleger sind schon wieder stark investiert, wie auch die überkaufte Verfassung des US-Börsenbarometers S&P 500 zeigt, der zu schnell zu hoch gestiegen ist. „Damit ist die Möglichkeit einer Fortsetzung der Erholungsrally kurzfristig begrenzt, das Risiko eines Rückschlags ist größer“, erläutert Heibel. Denn wenn viele Anleger bereits stark investiert sind, verbleiben wenige potenzielle Käufer.
Ergebnisse der aktuellen Umfrage
Insgesamt ist die Stimmung unter den Anlegern gespalten: Erleichterung auf der einen Seite, dass Kanzlerin Angela Merkel den Weg Richtung „Lockerung“ eingeschlagen hat. Enttäuschung auf der anderen Seite über die nur moderaten Schritte.
Das zeigt sich auch an den aktuellen Ergebnissen der Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment. Die panische Stimmung der Vorwochen ist verflogen, doch so richtig freuen kann sich auf dem niedrigen Aktienmarktniveau noch keiner. Das kurzfristige Sentiment ist neutral.
Entsprechend ist auch die Selbstzufriedenheit noch nicht zurück. Verunsicherung bleibt ein dominierendes Gefühl der Anleger, denn auch die Politik verkündete nur ein Handeln „auf Sicht“. Wie lange noch wird diese Ausnahmesituation bestehen bleiben? Die Ungewissheit über die Antwort auf diese Frage führt zu einer weiterhin starken Verunsicherung bei den Aktionären.
Auch die Zukunftserwartung der Anleger rutscht bei der Handelsblatt-Umfrage weiter ab. Mit einem Minus von 0,3 dominieren nun erstmals seit Februar wieder die Bären über die Bullen. Denn die Hoffnung auf ein schnelles Ende der Maßnahmen ist zerstört. Alle werden länger mit der Sondersituation leben müssen, als wir uns dies bislang vorgestellt hatten.
Vorher hofften Anleger noch auf einen kurzen Shutdown mit anschließend heftigem Neustart inklusive Nachholbedarf, der in der zweiten Jahreshälfte die Einbußen überkompensieren sollte.
Da diese Hoffnung zerstört ist, wollen die Anleger auch nicht mehr investieren. Die Investitionsbereitschaft ist ebenfalls weiter abgesunken. Ende März erreichte dieser Teilbereich des Dax-Sentiments noch ein historisches Hoch von 5,8, seit Beginn der Umfrage im September 2014 waren so viele Anleger wie noch nie investiert. Nun ist dieser Wert auf nur noch 1,1 gesunken.
Blick auf andere Indikatoren
Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart, an der Privatanleger handeln, ist auf minus 11,4 gesunken. Das lässt den Schluss zu: Sie kaufen wieder vermehrt Absicherungsprodukte gegen fallende Kurse, weil sie eine zweite Ausverkaufswelle befürchten.
Die Profis, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern, setzen hingegen auf weiter steigende Kurse. Das Put-Call-Verhältnis ist auf 0,8 gesunken, der Durchschnittswert liegt bei 1,5. Institutionelle haben also deutlich mehr Calls gekauft.
In den USA waren in den Wochen zuvor die Absicherungspositionen der Anlageprofis deutlich größer als in Deutschland. Doch derzeit entwickelt sich dort das Put-Call-Verhältnis der Chicagoer Terminbörse CBOE zurück auf ein normales Niveau.
Die Investitionsquote in Aktien der US-Fondsmanager ist von 27 Prozent nur unwesentlich auf 29 Prozent gestiegen und verbleibt damit auf einem historisch niedrigen Niveau. US-Privatanleger bleiben pessimistisch, das Bulle-Bär-Verhältnis liegt bei minus acht Prozent.
Der anhand technischer Marktdaten berechnete „Angst-und-Gier-Indikator“ der US-Aktienmärkte zeigt mit 44 Prozent inzwischen wieder eine neutrale Verfassung der Märkte an. Andere kurzfristige Indikatoren zeigen an, dass bald eine Korrektur an den US-Aktienmärkten bevorsteht.
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