Dax-Sentiment Anlegerstimmung bricht deutlich ein – Interesse an neuen Aktienkäufen ist gering

Am deutschen Aktienmarkt gibt es zunehmende Spannungen.
Düsseldorf Der Dax-Kursrutsch in der vergangenen Woche hat die Stimmung unter den Anlegern deutlich verschlechtert. So deutlich wie in diesmal ist das Sentiment in den vergangenen zwölf Monaten noch nie eingebrochen. Das zeigen die Daten der Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment.
Das Frankfurter Börsenbarometer gab in der vergangenen Woche zwei Prozent nach und durchbrach wichtige Unterstützungen. Die entscheidende Frage lautet jetzt: Handelt es sich wieder nur um eine kleine Verschnaufpause oder aber um den Auftakt zu einer Korrektur?
Für Sentimentexperte Stephan Heibel, der die wöchentliche Handelsblatt-Umfrage auswertet, steht fest: „Aufgrund des großen Stimmungseinbruchs, gepaart mit der Verunsicherung und der geringen Investitionsbereitschaft, ist nicht damit zu rechnen, dass Anleger Gründe finden, um auf steigende Kurse zu setzen.“ Damit Anleger wieder investieren, müsste es eine positive Nachricht geben – oder aber tiefere Kurse.
Für Heibel gewinnt in den kommenden Tagen die Notenbankpolitik an Einfluss. In den USA mehren sich die Anzeichen auf den Anfang vom Ende der lockeren Geldpolitik. Die exorbitante Geldflutung, die weltweit infolge der Corona-Pandemie eingeführt wurde, muss irgendwann enden. Das ist jedem bewusst. Doch die Diskussion über die genauere Bestimmung des Zeitpunkts „irgendwann“ hat begonnen. „Und je früher, desto stärker werden Anleger verunsichert“, erläutert der Inhaber des Analysehauses AnimusX.
Die Konsequenz für die Börsen: Ab jetzt werden positive Konjunkturdaten am Aktienmarkt negativ aufgenommen. Negativ, weil sie den Notenbanken weitere Argumente für den Ausstieg aus der Liquiditätsflutung geben. Denn die Börsianer hätten am liebsten eine unendliche Geldflutung.
Zuletzt hatte die ehemalige US-Notenbankchefin und jetzige Finanzministerin Janet Yellen den Ausstieg versucht: Von 2016 bis 2018 hob sie den US-Leitzins von null auf 2,5 Prozent an. Schon die Ankündigung der Zinsanhebungen führte 2015 zu heftigen Turbulenzen an den Finanzmärkten.
Das zeigt auch ein Blick auf den Dax-Chart des Jahres 2015. Yellen hatte in jenem Jahr Ende August signalisiert, dass die Zinsen angehoben werden und Ende September 2015 den Zeitplan konkretisiert: Noch im selben Jahr sollten die Zinsen erhöht werden.
Damit war die Unsicherheit weg, der Dax stieg anschließend deutlich. Allerdings hatten die Spekulationen über steigende Zinsen in den USA mit dafür gesorgt, dass der deutsche Leitindex von Mitte April bis Ende August um mehr als 25 Prozent abgerutscht war – sogar deutlich mehr als die Indizes in den USA selbst.
Denn ein zu schnelles Anheben des US-Zinses stellt vor allem andere Länder vor Probleme: Sie haben Kredite in Dollar aufgenommen und müssen nun mehr Zinsen zahlen. Meist steigt der Dollar im Rahmen von Zinserhöhungen auch im Wert, weil steigende Zinsen Anleihen als Geldanlage attraktiver machen. Durch diesen Effekt werden Kredite noch teurer.
Der derzeitige US-Notenbankchef Jerome Powell will solch ein Szenario wie 2015 verhindern. Daher lässt er andere Notenbankmitglieder die gute Konjunktur loben. Aus Sicht der USA muss diese Liquiditätsflutung enden – zunächst über eine Reduzierung der Anleihenkäufe, Tapering genannt. Anschließend sollen die Zinsen steigen. Länder, die in Dollar Schulden haben, sollten sich dringend darauf vorbereiten.
Powell darf das Tempo nicht zu hoch halten, er muss ausreichend Zeit lassen, damit sich die globalen Finanzmärkte auf das absehbare Ende der ultralockeren Geldpolitik einstellen können. Manche Kritiker halten ein Ende der Liquiditätsflutung gar für unmöglich.
Heibels Fazit: „Das ist ein Spannungsfeld, das auf die Aktienmärkte ausstrahlt.“ Wird es Powell gelingen, die Liquiditätsflutung einzudämmen, ohne globale Turbulenzen an den Finanzmärkten zu verursachen?
Nach den Erfahrungen aus dem Jahr 2015 besteht nicht allzu viel Grund für Optimismus. Allerdings wächst derzeit die Weltwirtschaft deutlich stärker als vor sechs Jahren und schützt dadurch die Finanzmärkte bis zu einem gewissen Grad vor Turbulenzen. „Wir treten in eine spannende Phase ein“, meint der Sentimentexperte. „Vorsicht ist weiterhin angebracht.“
Aktuelle Umfragedaten
Die Stimmung der Anleger ist eingebrochen. Das Anlegersentiment ist um fast sechs Prozentpunkte auf minus 2,4 gefallen. „Das lässt befürchten, dass mehr hinter diesem Einbruch steckt als nur eine kleine Verschnaufpause“, meint Heibel.
Parallel macht sich Verunsicherung breit. Die Selbstgefälligkeit ist auf minus 1,1 gefallen und zeigt, dass einige Anleger auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Lediglich bei der Zukunftserwartung ist auf die Optimisten Verlass: Der Wert von plus 3,6 zeigt die überaus bullische Erwartungshaltung der Anleger zu der Frage, welche Entwicklung der Dax in drei Monaten nimmt. Gleichzeitig ist die Investitionsbereitschaft mit einem Wert von 0,9 jedoch mäßig.
Das Sentiment der Stuttgarter Börse Euwax, an der Privatanleger handeln, schwankt stark. Noch Mitte Juli waren Privatanleger überwiegend long positioniert – sie wetteten also auf steigende Kurse. Der Indikator lag bei plus zehn. Dieser Indikator wird anhand realer Trades mit Hebelprodukten auf den Dax berechnet. Ein Pluswert zeigt einen Überhang von Call-Produkten an, bei einem Minuswert liegen mehr Put-Derivate in den Depots der Privatanleger.
In den vergangenen Tagen brach diese zuvor bullische Positionierung auf ein bärisches Extrem mit minus 13, um sich seit dem Ausverkauf vergangener Woche wieder ein wenig zu erholen. Der aktuelle Stand: minus sechs.
Das Put-Call-Verhältnis der Frankfurter Terminbörse Eurex, an der institutionelle Investoren handeln, notiert mit einem Wert von 1,4 auf neutralem Niveau. In den USA zeigt das Put-Call-Verhältnis der Chicagoer Terminbörse CBOE mit einem Wert von 0,53 ebenfalls inzwischen eine neutrale Verfassung an. Der bullische Überhang der Vorwochen ist weg. US-Fondsanleger haben Kasse gemacht. Von ihrer Investitionsquote von 98 Prozent in der Vorwoche haben sie Positionen verkauft und sind nun nur noch zu 71 Prozent investiert.
Das Bulle-Bär-Verhältnis der US-Privatanleger ist ins Minus gerutscht und liegt bei minus zwei. Es gibt erstmals seit Februar mit 35 Prozent mehr Bären als Bullen, deren Anteil bei nur 33 Prozent liegt.
US-Börsenexperte Koch: Wall Street im Rally Modus
Der auf technischen Marktdaten basierende „Angst-und-Gier-Indikator“ der US-Märkte S&P 500 notiert mit einem Wert von 22 im Bereich der extremen Angst. Eigentlich schon ein erster Ansatz für eine Bodenbildung.
Hinter Erhebungen wie dem Dax-Sentiment mit mehr als 6000 Teilnehmern stehen zwei Annahmen: Wenn viele Anleger optimistisch sind, haben sie bereits investiert. Dann bleiben nur wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben könnten. Umgekehrt gilt: Wenn die Anleger pessimistisch sind, haben sie mehrheitlich nicht investiert. Dann können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.
Sie wollen an der Umfrage teilnehmen? Dann lassen Sie sich automatisch über den Start der Sentiment-Umfrage informieren, und melden Sie sich für den Dax-Sentiment-Newsletter an. Die Umfrage startet jeden Freitagmorgen und endet Sonntagmittag.
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