Dax-Umfrage Anleger sollten sich auf eine zweite Ausverkaufswelle vorbereiten

An der Börse dürfte es in den nächsten Tagen erneut turbulent zugehen.
Düsseldorf Angesichts der Dax-Kursverluste ist die Stimmung unter Anlegern deutlich eingebrochen. „Doch das absolute Stimmungsniveau ist noch nicht bei Angst und Panik angelangt“, meint Stephan Heibel nach Auswertung der Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment und weiterer Indikatoren. Der deutsche Leitindex hat in der vergangenen Woche um drei Prozent nachgegeben.
Seiner Meinung liegt noch kein ausreichendes Signal vor, das jetzt schon aggressive Käufe nahelegen würde. „Allerdings würde ich die Stimmung als negativ genug interpretieren, um wieder erste Käufe zu tätigen“, sagt Heibel.
Anleger sollten also bei extrem ausverkauften Titeln schon erste, vorsichtige Käufe tätigen. Gleichzeitig sollten sie aber ausreichend Cash zurückhalten, um im Fall einer zweiten Ausverkaufswelle weitere Käufe vorzunehmen.
Schließlich komme es beim Investieren auch auf die Frage der Wahrscheinlichkeiten an. „Ich gebe der Korrektur der Vorwoche eine 40-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass sie bereits zu Ende ist“, meint der Inhaber des Analysehauses Animusx. Es sei also wahrscheinlicher, dass es noch zu weiteren Kursverlusten komme.
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Hinter der wöchentlichen Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment zur Börsenstimmung stehen zwei Annahmen: Wenn viele Anleger optimistisch sind, haben sie bereits investiert. Dann bleiben wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben könnten.
Umgekehrt gilt: Wenn die Anleger pessimistisch sind, haben sie mehrheitlich nicht investiert. Dann können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.
Zwar ist die aktuell negative Stimmung gemäß der Sentimenttheorie die Voraussetzung für einen tragfähigen Boden, von dem aus die Kurse wieder steigen könnten. Doch die Stimmung war zuvor sehr gut, so dass der heftige Stimmungseinbruch noch keine absolut negativen Extremwerte erzeugt hat.
Auch der fünfwöchige Sentimentdurchschnitt (s. Grafik), ein treffsicherer Indikator für eine positive Trendmärkte am deutschen Aktienmarkt, hilft nicht weiter. Diese Kurve notiert lediglich im neutralen Bereich und hat noch keinen Extremwert erreicht.
Zudem birgt die kommende Verhandlungsrunde zwischen den USA und China in Sachen Zollstreit deutliches Enttäuschungspotenzial. Heibel hält es für unwahrscheinlich, dass es zu einer Einigung kommt. Obwohl US-Präsident Donald Trump durch seine Tweets die Hoffnung auf eine „schneller als von vielen erwartete“ Einigung geschürt hat. Und obwohl am vergangenen Freitag sein Wirtschaftsberater Larry Kudlow nochmals bekräftigt, dass positive Ergebnisse aus dieser Verhandlungsrunde durchaus wahrscheinlich seien.
Der Sentimentexperte hält es zwar für möglich, dass die Chinesen bald mehr Agrarprodukte aus den USA kaufen. Aber eine Einigung bei den Problemfeldern wie Patentschutz, Know-how-Transfers und US-Kapitalmarkt liegt seinen Informationen zufolge nach in weiter Ferne.
Die aktuellen Umfrageergebnisse zeigen, wie sehr die Stimmung eingebrochen ist. Plötzlich sieht jeder Zweite den Dax in einem Abwärtstrend, ein Plus von 34 Prozentpunkten gegenüber der Vorwoche. Nur noch 31 Prozent (minus 24 Prozentpunkte) gehen von einer übergeordneten Seitwärtsbewegung aus. Die anderen Meinungslager wie Abwärtsimpuls sowie Top- und Bodenbildung existieren praktisch nicht mehr.
Mit einem Wert von minus 4,4 Prozent notiert der wichtige Sentiment-Indikator wieder fast so niedrig wie zum „Sommerschlussverkauf“ Mitte August dieses Jahres. „Es gibt aber noch Luft nach unten“, meint Heibel.
Zum Vergleich: Als der Dax Mitte August auf 11.266 Punkte abrutschte, lag dieser Wert bei minus 4,8. Anschließend stieg der Dax innerhalb weniger Wochen auf knapp 12.500 Zähler.
Am 9. August zuvor lag dieser Wert bei minus 5,3, am 23. August sogar bei minus 6,2. Das zeigt, dass der kurzfristige Sentiment-Indikator zwar Hinweise auf wieder steigende Kurse liefert, der genaue Zeitpunkt aber nicht festgelegt werden kann. Und es kann immer wieder tiefer gehen: Im Dezember 2018 lag dieser Wert nach einem mehrmonatigen Ausverkauf sogar bei minus 7,5.
Unter den Anlegern macht sich große Verunsicherung breit: 35 Prozent (plus 25 Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) geben an, dass sie von diesem Ausverkauf vollständig auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Weitere 32 Prozent (minus fünf Prozentpunkte) geben an, dass sich ihre Erwartungen von vor einer Woche kaum erfüllt hätten.
Auf der anderen Seite hat nur noch jeder Vierte (minus 21 Prozentpunkte) diese Entwicklung in der vergangenen Handelswoche zum größten Teil erwartet. Acht Prozent der Umfrageteilnehmer (plus einen Prozentpunkt) wollen sogar darauf spekuliert haben.
Nur noch 26 Prozent (minus vier Prozentpunkte) gehen davon aus, dass der Dax in drei Monaten steigen wird. Unverändert 23 Prozent erwarten dann fallende Kurse. Eine Seitwärtsbewegung erwarten mit gleichbleibenden 38 Prozent die meisten Umfrageteilnehmer. Bei den Antworten auf diese Fragen haben zwar die Optimisten leicht die Oberhand, doch insgesamt ist die Zukunftserwartung neutral.
Für 21 Prozent (plus einen Prozentpunkt) scheint der Ausverkauf geeignet zu sein, Aktien in den kommenden zwei Wochen günstig nachzukaufen. Nur noch 14 Prozent (minus vier Prozentpunkte) wollen nach dem bereits heftigen Ausverkauf in den kommenden zwei Wochen noch Aktien verkaufen. Mit 65 Prozent (plus drei Prozentpunkte) haben die meisten Anleger noch nicht über ihre nächsten Handelsaktivitäten entschieden.
Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart zeigt an, dass viele Privatanleger ihre Absicherungspositionen in den Ausverkauf hinein geschlossen haben. Genau dazu sind sie ja da: Man gewinnt etwas mit den Derivaten an fallenden Kursen, um die Verluste in den bestehenden Long-Positionen abzumildern. Inzwischen bestehen kaum noch Absicherungspositionen, Privatanleger sind laut dem Euwax-Sentiment neutral positioniert.
Ganz anders haben institutionelle Anleger reagiert, die an der Frankfurter Terminbörse Eurex handeln. Sie hatten stark auf eine Fortsetzung der Rally gesetzt; diese stark optimistische Positionierung wurde in den vergangenen Tagen aufgegeben. Das Put/Call-Verhältnis der Eurex ist von 0,7 auf 2,0 angesprungen. Mit einem Schlag wurden Long-Spekulationen aufgelöst und Put-Absicherungen in großem Stil eingegangen, um sich vor weiteren Verlusten abzusichern.
In den USA war das Put/Call-Verhältnis zwar nicht so stark wie in Deutschland, aber auch jenseits des Atlantiks haben Anleger Put-Absicherungen mehr nachgefragt. Das Put/Call-Verhältnis der Chicagoer Terminbörse ist von 0,9 auf 1,1 gestiegen.
US-Fondsmanager haben ihre Investitionsquote um sieben Prozentpunkte auf 57 Prozent vermindert und verfügen nun wieder über eine extrem geringe Investitionsquote. Mehr Cash hatten Fondsmanager dieses Jahr noch nie. US-Privatanleger sind extrem pessimistisch, die Bulle/Bär-Quote liegt bei minus 18 Prozent und damit wieder auf dem Weg zu den extrem pessimistischen Notierungen von Anfang August dieses Jahres. Der auf technischen Marktdaten basierende „Angst-und-Gier-Indikator“ der US-Aktienmärkte zeigt mit 31 Prozent „moderate“ Angst im Markt an.
Mit seiner Einschätzung einer zu erwartenden zweiten Ausverkaufswelle liegt Heibel gegensätzlich zu anderen Sentimentexperten. Joachim Goldberg, der eine Umfrage der Börse Frankfurt auswertet, glaubt zwar, dass ein großer Teil der Nachfrage weggebrochen ist, der Dax „dennoch nicht auf völlig verlorenem Poste“ stehe. Die Investmentberatungsfirma Sentix sieht sogar Kaufsignale.
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