Dax-Umfrage Börsenstimmung signalisiert: Anleger werden schnell Gewinne mitnehmen

Bild aus dem Handelssaal der Deutschen Börse in Frankfurt.
Düsseldorf Nach der fulminanten Rally in der Vorwoche mit einem Dax-Plus von mehr als vier Prozent hat sich für den Sentimentexperten Stephan Heibel die Lage am Aktienmarkt jetzt deutlich verändert. „Insbesondere Privatanleger sind nun hoch investiert und institutionelle Anleger spekulieren stark auf weiter ansteigende Kurse“, erläutert er nach Auswertung der wöchentlichen Handelsblattumfrage Dax-Sentiment und weiterer Indikatoren.
Seine Schlussfolgerung: „Die Freude über den jüngsten Kursanstieg gepaart mit der freudigen Überraschung, mit der Anleger diese Kursgewinne in ihren Portfolios wahrnehmen, spricht dafür, dass bei erster Gelegenheit Gewinne mitgenommen werden“.
Noch am vergangenen Montag lautete seine Einschätzung anders: „In den kommenden Tagen, vielleicht wenigen Wochen, dürfte es zu Kursen kommen, die sich im weiteren Jahresverlauf als günstige Kaufgelegenheiten entpuppen“, prophezeite er da. Allerdings hatte er zuvor noch mit panischen Verkäufen der Anleger gerechnet.
In der vergangen Handelswoche hat der Dax rund 430 Punkte zugelegt. Alle drei großen US-Börsenindizes erreichten neue Allzeithochs, der deutsche Leitindex ist nicht weit davon entfernt.
Ein wichtiger Grund für Heibels neue Einschätzung: Anleger werden vorsichtiger. Die Zahl derer, die laut Handelsblattumfrage für den Dax in drei Monaten steigende Kurse erwarten, ist deutlich gesunken. Und mit der vorsichtigen Haltung fehle das Kaufinteresse, das für weiter steigende Kurse sorgen könnte.
Zumal in dieser Woche Daimler, Bayer und Wirecard Unternehmenszahlen veröffentlichen. Auch Airbus, Metro und Hochtief werden berichten. „Es braucht schon herausragende Zahlen, um die Rally in Gang zu halten“, meint der Inhaber des Analysehauses Animusx.
Zudem hat Heibel in der vergangenen Woche mit einer Reihe von Vorstands- und Finanzchefs im Rahmen einer Investorenkonferenz geredet. Grundtenor bezüglich des Coronavirus war: Die Manager hätten noch keine Ahnung, welche Auswirkungen zu befürchten seien.
Deren Aussagen lauteten: „Mag sein, dass die Maßnahmen greifen, doch wer weiß denn schon, wann die Betriebsstätten in China wieder aufmachen und wann die Arbeiter wieder ihr Haus verlassen. Und wer weiß schon, wie viel der dann aufgestauten Nachfrage überhaupt abgebaut wird, was an Produktionsausfall durch Überstunden nachgeholt werden kann und welcher Anteil tatsächlich eine Scharte im chinesischen, und mittelbar im globalen Wachstum hinterlassen wird?“
Auch die Experten der Investmentberatungsfirma Sentix sind vorsichtiger geworden. „Das konträre Kaufsignal zur Vorwoche ist hinfällig, der Markt muss sich jetzt über das strategische Potential von Aktien Gedanken machen“, lautet deren Fazit nach ihrer Umfrage. Für US-Aktien liege aber noch kein Verkaufssignal vor.
Hinter solchen Erhebungen wie dem Dax-Sentiment stehen – vereinfacht formuliert – zwei Annahmen: Wenn viele Anleger optimistisch sind, haben sie bereits investiert. Dann bleiben wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben könnten.
Umgekehrt gilt: Wenn die Anleger pessimistisch sind, sind sie mehrheitlich nicht investiert. Dann können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken. Für seine Prognose, wie sich der deutsche Leitindex in den kommenden Handelstagen entwickeln könnte, wertet Heibel zusätzlich weitere Indikatoren aus.
Die Ergebnisse der aktuellen Handelsblattumfrage im Detail: Zwei Drittel der Umfrageteilnehmer sehen den Dax schon wieder in einer Aufwärtsbewegung, jeder Vierte hingegen geht davon aus, dass durch den Ausverkauf der Vorwoche nun eine Seitwärtsbewegung eingeschlagen wurde. Mit einem Wert von 3,4 beim kurzfristigen Sentiment herrscht gute Laune, aber noch keine Euphorie unter Anlegern.
Überrascht wurden jedoch alle von dem schnellen Wechsel zurück in den Bullenmodus. Das spiegelt sich in der Selbstgefälligkeit wider, die mit einem Wert von 0,5 verhältnismäßig neutral ist, obwohl der Dax über vier Prozent zulegen konnte.
Und so scheint es vielen Anlegern zu dämmern, dass diese Rally vielleicht die Vorgänge in China nicht ausreichend berücksichtigt. Die Zukunftserwartung ist auf 1,0 zurückgegangen und zeigt ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis zwischen Bullen und Bären. Übrigens ist dieses ausgeglichene Verhältnis auch am US-Aktienmarkt zu beobachten.
Und weil der Optimismus geringer wird, wollen weniger Anleger Aktien zukaufen: Die Investitionsbereitschaft ist auf 1,0 gefallen.
Während die absoluten Werte der aktuellen Umfrage keine besonderen Ausschläge aufzeigen, so ist doch der Stimmungswandel im Vergleich zur Vorwoche exorbitant groß: Mit dem Einzug der Bullen ist das Kaufinteresse verschwunden. „Es hat den Anschein, dass Anleger ihr Glück selber kaum fassen können, denn anders kann ich mir die gute Laune bei gleichzeitig aufkommender Verunsicherung nicht erklären“, meint Heibel.
Auch das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart ist in einen neutralen Bereich zurückgekehrt, allerdings ist dort der Umschwung nicht so heftig wie beim Dax-Sentiment. Institutionelle Anleger kaufen hingegen derzeit über die Eurex deutlich mehr Call-Optionen als im Durchschnitt der vergangenen Monate. Profis setzen also weiter auf steigende Kurse. Beide Indikatoren werden aufgrund realer Trades mit Hebelprodukten auf den Dax berechnet.
Auf steigende Kurse setzen auch die US-Anleger, die über die Chicagoer Terminbörse CBOE Optionsscheine handeln. Auch dort notiert das Put/Call-Verhältnis auf einem absolut niedrigen Niveau, was den dominierenden Call-Spekulationen zuzuschreiben ist.
Die Investitionsquote der US-Fondsmanager hingegen hat sich weiter stark verringert. In den vergangenen zwei Wochen sank die Investitionsquote von 93 Prozent auf 63 Prozent.
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