Dax-Umfrage Die Rotation an den Aktienmärkten könnte bald vorbei sein

Privatanleger sichern sich weniger gegen Kursverluste ab.
Düsseldorf Es ist eine der wichtigsten Fragen in der Börsenwelt: Welche Richtung schlägt der Aktienmarkt in den kommenden Tagen ein? Doch dem Sentimentexperten Stephan Heibel zufolge könnte es derzeit der falsche Zeitpunkt sein, um nach einer Antwort auf diese Frage zu suchen.
Hintergrund für diese Erklärung ist die Entwicklung an den US-Märkten. Dort haben die Aktien der sogenannten Corona-Profiteure sowie Papiere von Unternehmen, die nach dem Ende der Pandemie wieder höhere Gewinne erzielen können, die Indizes abwechselnd auf neue Rekordstände getrieben.
In der vergangenen Handelswoche hingegen ist Ruhe eingekehrt. Trotz herausragender Quartalszahlen haben die Kurse von Unternehmen mit einem hohen Bewertungsniveau kaum noch zugelegt – vor allem die Corona-Gewinnerpapiere.
Sentimentexperten Heibel hält es für möglich, dass diese Rotation zwischen den beiden Gruppen bald zu einem Ende kommt. Mit dem Resultat: Post-Corona-Gewinneraktien bleiben gefragt, die Pandemie-Gewinner werden jedoch ausverkauft. „In diesem Szenario ist es schwer vorhersehbar, dass die Indizes insgesamt nach oben oder unten tendieren“, meint der Inhaber des Analysehauses Animusx.
Auch die Daten der Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment lassen keinen eindeutigen Schluss zu, sie zeigen eine Pattsituation an. Für einen heftigen Ausverkauf ist die Stimmung nicht positiv genug. Diese gilt bekanntlich als Kontraindikator und könnte bald fallende Kurse signalisieren.
Auf der anderen Seite fehlt nach den starken Zahlen, die die Rally schon nicht beflügeln konnten, ein Treiber für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends. „So könnte der Markt vorerst in eine Seitwärtsbewegung übergehen“, meint Heibel.
Möglicherweise ist diese Ruhe trügerisch – und temporär. Nach einer längeren Phase der Selbstsicherheit sind die Anleger mittlerweile leicht verunsichert. Das birgt die Gefahr, dass es mit größerer Dynamik nach unten geht.
Die starke Bilanzsaison hat die Märkte schließlich nicht beeindruckt. So stellt sich zwangsläufig die Frage, welcher Effekt eintritt, wenn keine positiven Meldungen mehr auf das Börsenparkett treffen oder es gar mal negative Schlagzeilen gibt. „Die Verunsicherung könnte dann dazu führen, dass Anleger Angst um ihre Buchgewinne haben und schleunigst ihre Positionen versilbern, einen langsam ansetzenden Ausverkauf also beschleunigen“, erläutert Heibel.
Aktuelle Umfragedaten
Zwei negative Handelswochen – in der vergangenen Handelswoche fiel der Dax um ein Prozent nach minus 1,2 Prozent in der Vorwoche – haben ausgereicht, um die Anlegerstimmung aus der Euphorie in den neutralen Bereich zurückzuholen. So weist das aktuelle Sentiment einen Wert von minus 0,2 auf. Vor zwei Wochen lag das Sentiment noch bei plus 4,4.
Auch die Selbstzufriedenheit ist verflogen, wie der Wert von eben 0,1 bei der Selbstgefälligkeit zeigt. Unter den Anlegern macht sich etwas Verunsicherung breit.
Die Zukunftserwartung ist im Rahmen der mehrwöchigen Dax-Rekordjagd immer weiter zurückgegangen und hat Anfang April mit minus 1,9 ihren tiefsten Stand erreicht. Damals glaubten nur noch wenige Anleger an einen Dax-Aufwärtstrend in drei Monaten. Dieser Pessimismus ist verflogen, der aktuelle Wert beträgt nur noch minus 0,1.
Daraus lässt sich schlussfolgern: Die Konsolidierung beim Dax ist laut Sentimentanalyse erfolgreich verlaufen – und das, obwohl der deutsche Leitindex von seinem Rekordhoch maximal nur 2,9 Prozent abrutschte, also lediglich 470 Punkte.
„Erfolgreich“ bedeutet im Rahmen der Sentimentanalyse: Die Stimmung soll als Kontraindikator möglichst depressiv sein, während sich gleichzeitig die Zukunftserwartung verbessert und zu Käufen animiert. Mittlerweile lässt sich diese Tendenz zumindest erkennen.
Allerdings fehlt den Anlegern die Überzeugung, dass das aktuelle Kursniveau bereits zu Käufen einlädt: Die Investitionsbereitschaft liegt mit einem Wert von minus 1,3 weiterhin auf einem extrem niedrigen Niveau. Das Fazit: Die Bereitschaft zum Einstieg ist vorhanden, es fehlt allerdings noch immer der zentrale Grund, um Anleger wieder für Aktien zu begeistern.
Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart, an der Privatanleger handeln, liegt bei minus zwei. Die negative Ratio zeigt: Put-Produkte, die bei fallenden Kursen an Wert gewinnen, haben noch immer die Oberhand über Call-Derivate.
Allerdings ist der Abstand zwischen beiden Optionsarten deutlich geringer geworden. Im März war dieses Verhältnis klar in den negativen Bereich abgerutscht, ehe es im April ein Rekordtief von minus 17 erreichte.
Mittlerweile haben Anleger diese Absicherungen gegen fallende Kurse fast komplett aufgelöst. Das legt die Vermutung nahe, dass die starken Quartalszahlen für ein Umdenken gesorgt haben. Viele Anleger scheinen zu erwarten, dass die Konsolidierung ohne nennenswerte Kursverluste erfolgen könnte.
Privatanleger in den USA werden vorsichtiger
In den USA sieht es ganz anders aus. Dort ist die Vorfreude auf die Börsenzeit nach Corona bereits seit November sehr groß. Das Put-Call-Verhältnis an der Chicagoer Terminbörse CBOE notiert seitdem auf einem extrem niedrigen Niveau und zeigt an, dass sehr viele Profis mit Call-Optionen auf steigende Kurse spekulieren. Auch die US-Fondsmanager haben ihre Investitionsquote nochmals auf nunmehr 104 Prozent erhöht – kreditfinanziert oder gehebelt über Derivate.
US-Privatanleger hingegen werden vorsichtig. Das Bulle-Bär-Verhältnis ist von Werten über 30 Prozent in den vergangenen Wochen auf 17 Prozent zurückgegangen. Zwar dominieren auch hier noch klar die Bullen, doch das Lager derer, die weiter auf steigende Kurse setzen, leert sich langsam.
Konstruktiv sieht mittlerweile das Stimmungsbild bei der Kryptowährung Bitcoin aus. Der Rückschlag Ende April hat vielen Anlegern die Laune verdorben. Doch auf der anderen Seite warten viele Interessierte nur auf eine passende Gelegenheit, um verhältnismäßig günstig einzusteigen. Die Schlussfolgerung: Ein weiterer Ausverkauf dürfte, wenn er denn kommen sollte, nur kurze Zeit andauern.
Hinter Erhebungen wie dem Dax-Sentiment mit mehr als 4000 Teilnehmern stehen zwei Annahmen: Wenn viele Anleger optimistisch sind, haben sie bereits investiert. Dann bleiben nur wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben könnten. Umgekehrt gilt: Wenn die Anleger pessimistisch sind, haben sie mehrheitlich nicht investiert. Dann können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.
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