Dax-Umfrage Heftiger Stimmungseinbruch unter den Anlegern – Viele sehen den Kursrutsch aber als Chance

Die vergangenen Handelstage waren für Anleger extrem nervenaufreibend. Wie wird es weitergehen?
Düsseldorf Mutige Anleger können in den bestehenden Ausverkauf kaufen und die Positionen auf dem Tagestief vom vergangenen Freitag absichern. Das Risiko ist damit überschaubar, eine Erholungsbewegung könnte recht üppig ausfallen.
Diese Ansicht vertritt Sentimentexperte Stephan Heibel nach Auswertung der Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment und weiterer Indikatoren. Denn seiner Erfahrung nach ist ein so heftiger Stimmungsumbruch unter den Anlegern in der Regel nur eine kurzfristige Belastung.
Weitere gefährlichere Mutationen waren bei der Pandemie zu befürchten. Doch die Welt ist heute wesentlich besser darauf vorbereitet als noch vor anderthalb Jahren zu Beginn der Coronapandemie. „So dürften bereits in wenigen Wochen wieder steigende Kurse zu verzeichnen sein“, meint Heibel.
Doch warum ist der deutsche Leitindex in der vergangenen Handelswoche um insgesamt 5,6 Prozent abgerutscht? Die Hälfte des Kursverlustes geschah im Vorfeld der Meldung über die neue Coronamutation aus Südafrika, am Freitag ging es dann nochmals deutlich tiefer.
Bis Donnerstag handelte es sich beim deutschen Leitindex um eine überfällige Konsolidierung. In diesen Tagen hatten viele Anleger bereits Aktien gekauft, weil sie auf eine Fortsetzung der Jahresendrally gehofft hatten. Die Investitionsquote stieg an.
Doch mit der Nachricht einer neuartigen Coronavariante rutschten die Kurse deutlich ab und die Anleger hatten aufgrund der hohen Investitionsquote wenig entgegenzusetzen. „So ist die Intensität des Ausverkaufs erklärbar“, meint Heibel. Seiner Ansicht nach war es kein panischer Ausverkauf. Die aktuellen Kurse wurden zwar als Schnäppchenkurse betrachtet, doch mangels liquider Mittel erfolgten Stützungskäufe nur mit geringem Volumen.
Für Heibel ergeben sich in den kommenden Handelstagen zwei Szenarien:
- 1. Bleibt der deutsche Leitindex oberhalb von 15.244 Punkten, dürfte der Ausverkauf schnell enden. An dieser Stelle liegt das Tagestief vom vergangenen Freitag, ein Kurs darunter wäre ein Zeichen von Schwäche. Am heutigen Montag zeigt sich im frühen Handel eine Erholungsbewegung, bislang hat die Marke gehalten.
- 2. Fällt das deutsche Börsenbarometer doch unter das Tagestief vom Freitag, könnte sich tatsächlich Panik unter den Anlegern ausbreiten, die weitere Tiefs zur Folge haben dürften. Vom bisherigen Boden bei 15.244 Punkten im Dax könnte es dann schnell auf 14.800 Punkte gehen.
Im Euro-Dollar-Wechselkurs ist bereits Panik zu sehen: Die Stimmung ist auf ein extremes Tief gefallen, während gleichzeitig die Zukunftserwartung auf niedrigem Niveau leicht anspringt. Das zeigen Daten des Analysehauses AnimusX, dessen Geschäftsführer Heibel ist. „So sieht eine Bodenbildung aus.“ Auf dem aktuellen Niveau um 1,12 Dollar herrsche zudem ein großes Kaufinteresse.
Aktuelle Umfragedaten
Die Stimmung ist um 7,1 Punkte auf minus 3,3 eingebrochen. Es handelt sich um den größten Einbruch seit zwölf Monaten. Solch einen heftigen Rutsch gab es beim Dax-Sentiment erst fünfmal in den vergangenen fünf Jahren. Die neue Mutation, die ansteckender und resistenter sein soll als alle vorhergehenden Coronavarianten, ruft bei Anlegern Erinnerungen an das Frühjahr 2020 hervor.
Auch die Selbstzufriedenheit ist von plus 3,6 auf minus 5,4 so stark eingebrochen wie seit dem Coronacrash nicht mehr. Offensichtlich wurden Anleger auf dem falschen Fuß erwischt, sie sind stark verunsichert: Die moderate Konsolidierung wurde am Donnerstag der vergangenen Woche bereits als beendet betrachtet, da kam der drastische Ausverkauf am Freitag völlig unerwartet.
Erstaunlich ist der Zukunftsoptimismus, der sich bereits wieder zeigt: Die Zukunftserwartung ist von minus 1,0 in der Vorwoche auf plus 3,5 angestiegen.
Und dem Optimismus wollen Anleger Taten folgen lassen: Die Investitionsbereitschaft ist von 0,1 in der Vorwoche auf 3,7 angesprungen. Offensichtlich wird das nun erreichte Kursniveau als Kaufgelegenheit wahrgenommen.
Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart, an der Privatanleger handeln, zeigt bereits seit einer Woche eine nachlassende Absicherungsneigung an. Die Zahl der Calls ist gegenüber den Puts, die bei fallenden Kursen zulegen, gestiegen. „Dies bestätigt meine Beobachtung, dass Anleger die Konsolidierung am Donnerstag bereits als beendet betrachteten“, meint Heibel. „Somit erfolgte der Ausverkauf vom Freitag ohne Netz und doppelten Boden.“
Zur Erläuterung: Mit einer hohen Zahl an Put-Hebelprodukten in den Depots spannen die Anleger quasi ein Sicherheitsnetz auf, das vor größeren Kursverlusten schützt. Wenn die Notierungen ins Rutschen kommen, werden die Put-Produkte verkauft – und der Kursverfall wird zumindest abgebremst.
Derartige Produkte funktionieren praktisch wie Leerverkäufe – nur dass die Bank im Hintergrund die Abwicklung managt. Das bedeutet vereinfacht formuliert: Kauft ein Anleger ein Put-Produkt auf den Dax, muss die Bank im Hintergrund den Dax verkaufen. Und beim Verkauf des Derivats muss der Dax wieder zurückgekauft werden.
Was der Blick in die USA verrät
In den USA herrscht trotz des Feiertags Thanksgiving weiterhin ein hoher Optimismus, der sich in einem sehr niedrigen Put/Call-Verhältnis zeigt. Am Donnerstag waren die Börsen geschlossen, am Freitag nur ein paar Stunden geöffnet.
US-Fondsanleger spiegeln diesen Optimismus durch eine weiterhin hohe Investitionsquote von 103 Prozent wider. Offenbar haben die Anlageprofis Aktien auf Kredit gekauft und können so die Quote über der Marke von 100 Prozent halten.
Das Bulle/Bär-Verhältnis bei den Privatanlegern in den USA ist jedoch ins Minus gerutscht. Mit einem Anteil von 35,7 Prozent haben die Bären nun wieder knapp die Mehrheit. 33,8 Prozent bleiben optimistisch gestimmt, der Rest wartet ab.
Dax nach „Black Friday“ auf Erholungskurs
Der anhand technischer Marktdaten berechnete „Angst-und-Gier-Indikator“ der US-Märkte ist auf 64 Prozent abgerutscht und zeigt nunmehr wieder eine vergleichsweise moderate Gier an. Noch in der Vorwoche lag dieser Wert bei 78 Prozent und signalisierte extreme Gier.
Andere technische Indikatoren lassen eine kurzfristige Gegenbewegung erwarten. Der sogenannte „Short Range Oscillator“ des S&P 500 ist am Freitag auf minus 5,0 Prozent eingebrochen. Ab Werten von minus vier Prozent spricht man von einer überverkauften Marktverfassung. Der US-Börsenindex ist also zu schnell zu tief gefallen.
Hinter Erhebungen wie dem Dax-Sentiment mit mehr als 6000 Teilnehmern stehen zwei Annahmen: Wenn viele Anleger optimistisch sind, haben sie bereits investiert. Dann bleiben nur wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben könnten. Umgekehrt gilt: Wenn die Anleger pessimistisch sind, haben sie mehrheitlich nicht investiert. Dann können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.
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