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Devisenmarkt Dilemma für die Schwellenländer: Starker Dollar schürt Zweifel an Peso und Lira

Die Türkei und Argentinien geraten an den Kapitalmärkten erneut unter Druck. Die Parallelen zum Ausverkauf in den Schwellenländern im vergangenen Jahr sind groß.
28.04.2019 - 12:44 Uhr Kommentieren
Lira und Pesos stehen unter Druck. Damit steigt das Risiko für die gesamte Anlageklasse. Quelle: imago/Michael Eichhammer
Istanbul

Lira und Pesos stehen unter Druck. Damit steigt das Risiko für die gesamte Anlageklasse.

(Foto: imago/Michael Eichhammer)

Frankfurt, Istanbul Die türkische Zentralbank hatte sich alle Mühe gegeben, Zuversicht zu verbreiten: „Kürzlich veröffentlichte Daten zeigen, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung wieder erholt“, hieß es gleich im ersten Satz zur Leitzins-Entscheidung vergangene Woche.

Die Notwendigkeit, wegen der hohen Inflation im Land die Zinsen weiter anzuheben, sahen die Notenbanker nicht. Sie ließen den Leitzins bei 24 Prozent. Doch die Märkte zeigten sich weitgehend unbeeindruckt: „Das genügt nicht, um Investoren davon zu überzeugen, dass sie mehr zum Eindämmen der Inflation tun werden“, kommentierte Guillaume Tresca von der Bank Credit Agricole.

Mit über acht Prozent liegt die Rendite für die in Dollar notierte zehnjährige türkische Staatsanleihe auf dem höchsten Niveau seit dem Schwellenland-Ausverkauf im Herbst letzten Jahres. Noch schlechter sieht es in Argentinien aus: Die Rendite für die Dollar-Anleihe mit zehnjähriger Laufzeit liegt bei deutlich über elf Prozent. Seit Jahresbeginn sind die Anleihekurse um rund dreizehn Prozent eingebrochen.

Im Gegenzug schossen zuletzt die Prämien für eine Absicherung gegen eine argentinische Staatspleite, die Preise für sogenannte Credit Default Swaps, auf den höchsten Stand seit 2015. Sowohl der argentinische Peso, als auch die türkische Lira gehören auf dem Devisenmarkt zu den größten Verlierern gegenüber dem Dollar.

Die Turbulenzen in der Türkei und Argentinien wecken Erinnerungen an den Sommer 2018, als die Krise in beiden Staaten die Kurse von Aktien und Anleihen in zahlreichen weiteren Schwellenländern unter Druck gebracht hatten.

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Die Parallelen sind deutlich: Wieder schürt ein starker Dollar Zweifel an der Solidität von Lira und Peso. Erneut leidet vor allem die Türkei darunter, dass auch der Ölpreis zuletzt rasant gestiegen und aktuell deutlich über der Marke von 70 Dollar pro Barrel handelt.

Die auf Energieimporte angewiesene türkische Wirtschaft trifft das doppelt. Tobias Gruber, Analyst und Experte für Emerging Markets bei der DZ-Bank, sagt: „Türkei und Argentinien haben schon ein gewisses Gewicht in den Indizes für Schwellenland-Anleihen. Wenn sich die Risikoaufschläge deutlich ausweiten, kann das Auswirkungen auf die gesamte Anlageklasse haben.“

Bislang gebe es jedoch noch keine große Unruhe am Markt: „Andere große Emittenten wie Polen oder Mexiko waren ein gutes Gegengewicht und haben dafür gesorgt, dass die Renditen relativ stabil geblieben sind“, sagt Gruber.

Doch aus Sicht von Paul McNamara, Fondsmanager beim Schweizer Vermögensverwalter GAM könnte der Dollar noch zum Problem werden: „Wenn der Dollar stark ist, neigen Schwellenländer dazu, schwach abzuschneiden.“

Die Probleme in der Türkei und Argentinien könnten dazu führen, dass Länder in den Fokus geraten, die ähnliche Probleme haben: eine hohe Auslandsverschuldung und schwache Währungsreserven.

Besonders in der Türkei hat der Wertverlust der Landeswährung die Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen. Innerhalb der vergangenen zwölf Monate verlor die Währung 43 Prozent an Wert zum US-Dollar. Das verteuerte Importe wie Öl oder Autoteile.

In der Folge stiegen auch die Preise für Lebensmittel und andere Güter enorm an: Die Inflation stieg zwischenzeitlich auf 25 Prozent und liegt immer noch bei knapp 20 Prozent. Der reale, also um die Inflation bereinigte Wechselkurs zum Dollar ist noch schlechter als bei der jüngsten türkischen Wirtschaftskrise im Jahr 2001.

Seit Oktober befindet sich das Land zudem in einer Rezession. Etliche Konzerne kämpfen seitdem mit hohen Dollar-Schulden, die sich durch die schwache Lira zu einer Zeitbombe in den Bilanzen der Unternehmen entwickelten.

Viele können ihre Schulden nicht mehr bedienen und fragen ihre Hausbanken nach einer Neuverhandlung. Insgesamt geht es Experten zufolge um rund 100 Milliarden Dollar Kreditvolumen, das restrukturiert werden muss.

Das birgt enormen Risiken – auch am Aktienmarkt. Wegen der hohen Anfälligkeit der türkischen Wirtschaft haben türkische Aktien mehrere Berg- und Talfahrten hinter sich. Langfristig gesehen geht es jedoch derzeit bergab: Seit Mai 2018 verlor der größte Aktienindex BIST100 rund zehn Prozent an Wert.

Politik schockt die Märkte

Hinzu kommt, dass die Wirtschaftspolitik die Investoren zunehmend verschreckt. „Die türkische Regierung versucht mit aller Macht, die Wirtschaft am Laufen zu halten“, sagt Fondsmanager McNamara. „Sie haben Banken angewiesen, mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen und im Devisenmarkt interveniert, um die Lira zu stabilisieren.“

Insbesondere eine faktische Blockade des Lira-Handels hatte Ende März Marktverwerfungen ausgelöst. Ein wichtiger Grund waren die Kommunalwahlen. Niederlagen für die Regierungspartei AKP in den zwei größten Städten Istanbul und Ankara konnte Präsident Recep Tayip Erdogan dennoch nicht verhindern.

Auch die Notenbank in Ankara steckt in einem Dilemma: Sie müssten die Leitzinsen erhöhen, um die Währung zu stärken und die Inflation einzudämmen. Auf der anderen Seite würden niedrigere Zinsen das Wachstum antreiben und möglicherweise die hohe Arbeitslosigkeit von zuletzt 14,7 Prozent senken.

Ziad Daoud, Chefökonom für den Nahen Osten bei Bloomberg, rechnet jedoch nicht mit einer Senkung des Leitzinses bei der nächsten Notenbank-Sitzung im Juni. „Angesichts der steigenden politischen und ökonomischen Risiken erwarten wir eine Leitzinssenkung erst im zweiten Halbjahr.“

Die Strategie ist riskant, ergänzt Fondsmanager McNamara: „Wenn die Türkei den Leitzins zu früh senkt, geht es schief. Das Land verbrennt schon jetzt seine Devisenreserven viel schneller, als es sich leisten kann.“

Immerhin: Das hohe Handelsbilanzdefizit habe die Türkei eindämmen können. Und auch sonst gibt es Anlass zur Hoffnung. Zwei wichtige Konjunkturbarometer entwickelten sich kürzlich positiv: der türkische Einkaufsmanagerindex sowie die Industrieproduktion. Beobachter sehen dies als Zeichen, dass die scharfe Rezession relativ kurz ausfallen dürfte.

Auch leiden nicht alle Unternehmen gleichermaßen unter der schwierigen Binnenkonjunktur. So laufen etwa Tourismusunternehmen gut. Hotels und Flüge sind für ausländische Gäste günstig.

Die Aktie von Turkish Airlines hat innerhalb von zwei Jahren ihren Wert fast verdreifacht, der Preis für Aktien von Pegasus hat sich mehr als verdoppelt. Auch die Textilbranche und der Automobilsektor, die stark vom Export abhängig sind, profitieren von der schwachen Lira.

Doch der Bankensektor bleibt ein Unsicherheitsfaktor, sagt McNamara: „Die große Frage ist: Wird der Kreditboom der Staatsbanken anhalten, um weiter gegen das Unvermeidlich anzukämpfen?“

Aus seiner Sicht müsste die türkische Regierung eine Marktkorrektur und einen Abbau fauler Kredite zulassen. Dann könnte das Vertrauen der Investoren wieder zurückkehren – und auch die Gefahr einer neuen Schwellenland-Krise wäre geringer.

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