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ESG-Kriterien Diversity, Gehälter, Personalentwicklung – Viele Konzerne verstecken relevante Informationen

Der Faktor Mensch und die richtige Personalstrategie in Unternehmen werden für Investoren wichtiger. Jetzt zeigt eine exklusive Studie: Gerade Dax-Konzerne haben hier ein Transparenzproblem. 
06.07.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Mit der Diversität hapert es bei einigen Dax-Konzernen. Quelle: imago/Ikon Images
Geschäftsmänner und -frauen als Matroschka Puppen

Mit der Diversität hapert es bei einigen Dax-Konzernen.

(Foto: imago/Ikon Images)

Düsseldorf Die CEO-Briefe von Blackrock-Chef Larry Fink sind legendär. Und ein bisschen haben sie etwas von einer Glaskugel. Denn was Fink als Großinvestor an die amerikanischen und europäischen Konzernbosse adressiert, wird in der Regel mit zeitlichem Abstand in die Tat umgesetzt. Beispiel: Purpose. Als Fink 2018 das Thema prominent in seinem Schreiben platzierte, gab sich kurze Zeit später der halbe Dax einen mehr oder weniger eindeutig formulierten Unternehmenszweck.

Dieses Jahr hat der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters einen neuen Appell gestartet – zum Faktor Mensch: „Wir erwarten von Unternehmen in allen Ländern, dass sie eine Personalstrategie verfolgen, mit der sie das gesamte Spektrum an Talenten nutzen.“ Konzerne sollten in ihren Nachhaltigkeitsberichten konkrete messbare Angaben zu nichtfinanziellen Zielen machen. „Daraus müssen langfristige Pläne für mehr Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (...) hervorgehen.“

Nachhaltigkeitskriterien, sogenannte ESG-Kriterien, werden Jahr für Jahr wichtiger, die Investoren machen Druck. ESG steht dabei für Environmental, Social and Governance, also Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung.

Doch die Realität gerade in Deutschland zeigt: Nur wenige börsennotierte Konzerne werden dem Anspruch gerecht. „Es ist ein extrem heterogenes Bild, wie viel und wie kontinuierlich über sogenannte Non-Financials berichtet wird“, kritisiert Michael Kramarsch, Gründer des Frankfurter Beratungsunternehmens HKP.

Zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP), dem Deutschen Investor Relations Verband (DIRK) und der Academy of Labour hat Kramarschs Beratung die Berichte der Dax-Unternehmen einer Tiefenanalyse zum Faktor Mensch unterzogen. 16 Kriterien haben die Studienautoren für den Bereich Human Capital Management (HCM) identifiziert.

Darunter fassen die Autoren genau das zusammen, was Fink meint: Themen wie Vielfalt und Chancengleichheit, aber auch Ausbildung und Qualifizierung, Arbeitssicherheit und Beschäftigungsverhältnisse sowie Angaben zur ethischen Sauberkeit von Lieferketten. Die Studienergebnisse liegen dem Handelsblatt exklusiv vor. Und sie zeichnen kein gutes Bild der ersten Börsenliga:

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Nur ein knappes Fünftel der Dax-Konzerne berichtete 2020 integriert über HCM- beziehungsweise Personalthemen, also kompakt, übersichtlich und an einer prominenten Stelle im Geschäftsbericht. Der Rest streut die Information über mehrere Berichte. Der Haken daran: Manchmal liegen mehrere Wochen zwischen den Veröffentlichungsdaten. Bei Daimler vergingen dieses Jahr beispielsweise anderthalb Monate zwischen der Veröffentlichung des Geschäfts- und des Nachhaltigkeitsberichts. Das erschwert es, die relevanten Informationen zusammenzusuchen.

Auch kritisieren die Studienautoren, dass selten Vergleichswerte oder Zielgrößen in den Berichten auftauchen – was kritische Verläufe bei einzelnen Themen nicht transparent macht. „Viele Berichte vermitteln den Eindruck, dass Unternehmen besonders gern dann berichten, wenn sie gut dastehen“, sagt Kramarsch. Das sei aber nicht, was Investoren und andere Stakeholder erwarteten.

Bei aller Kritik gibt es aber auch Bereiche, in denen die Dax-Konzerne in ihren Personal- und Nachhaltigkeitsberichten gut dastehen. So gibt es etwa bei den Themen Arbeitssicherheit, aber auch Aus- und Weiterbildung klare Kennzahlen, die Unternehmen standardmäßig nutzen und die es möglich machen, Fort- oder Rückschritte nachzuvollziehen.

Auch loben die Autoren die Anstrengungen einzelner Unternehmen zu klaren Übersichten in ihren Berichten. So listet etwa SAP finanzielle und nichtfinanzielle Kennzahlen in einer Tabelle im Geschäftsbericht auf. Und bei der Deutschen Post wird jedes Jahr die Zufriedenheit der Angestellten ab einer Teamgröße von sieben Mitarbeitern gemessen und veröffentlicht. „Den Investoren ist wichtig, dass man Fortschritte nachvollziehen kann“, sagt Martin Ziegenbalg, Leiter des Investor-Relations-Bereichs bei der Deutschen Post DHL Group.

Datenschutz und Diversity als größte Baustellen

Den größten Nachbesserungsbedarf sehen die Studienautoren beim Thema Datenschutz – was sowohl Mitarbeiter als auch Kunden betrifft. „Der hohe Datenschutz in Europa wird in vielen Konzernetagen noch immer als Wettbewerbsnachteil gesehen“, sagt Kramarsch – weshalb man das Thema lieber nicht allzu prominent in den Geschäftsberichten platziert. „In Personalberichten ist Data-Security kein Thema“, heißt es in der Studienauswertung knapp. Oft sei nicht nachvollziehbar, ob und wie ein Unternehmen für einen rechtskonformen Schutz der internen und externen Daten sorge.

Dabei macht die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) strenge Vorgaben. „Unternehmen können und dürfen das Thema nicht ausblenden, weil damit potenzielle Rechtsverstöße verbunden sind“, heißt es in der HKP-Studie. Am ausführlichsten berichten die Telekom und Fresenius Medical Care über das Thema. Doch schon BASF auf Platz drei kommt nur auf magere drei Kennzahlen im Zusammenhang mit Datenschutz.

Deutlich umfangreicher ist das Reporting in den Konzernen zum Thema Diversity. „Allerdings geht es in den Berichten hauptsächlich um Frauen in Führungspositionen“, sagt Kramarsch. So würden andere Dimensionen von Vielfalt wie Nationalität oder soziale Herkunft selten bis gar nicht in den Berichten beleuchtet.

Recht auf Auskunft wird genutzt

Auch an heikle Themen wie die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern auf gleicher Position wagt sich kaum ein Konzern in seinen Berichten. Eine Ausnahme ist hier die Deutsche Bank. In seinem Personalbericht 2020 meldet das Kreditinstitut, dass 47 Deutschbanker einen Antrag auf Auskunft nach dem Entgelttransparenzgesetz gestellt haben, die meisten davon Frauen.

Das Gesetz erlaubt es Angestellten, ihre Arbeitgeber zu fragen, was das andere Geschlecht auf derselben Position verdient. Bei der Deutschen Bank konnten nach offiziellem Bekunden „keine strukturellen Unterschiede festgestellt werden“ – was erneut zeigt, dass vor allem dann berichtet wird, wenn alles gut läuft oder es regulatorisch gefordert wird. „Über für Mitarbeitende und Bewerber wichtige Informationen zu geschlechterspezifischen Gehaltsunterschieden wird kaum berichtet“, sagt Kramarsch. 

Fest steht: Der Druck auf die Unternehmen, transparent und vergleichbar über Personalthemen zu berichten, wird in Zukunft steigen. So werden etwa wichtige Regularien wie die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) oder die EU-Taxonomie zu Nachhaltigkeit im kommenden Jahr scharfgestellt, die Unternehmen zu mehr Definitionsstandards in nichtfinanziellen Bereichen zwingen sollen.

Bis dahin haben auch Investoren Zeit, sich zu dem Thema zu sortieren. „Der Meinungsbildungsprozess bei diesem sehr facettenreichen Thema ist bei uns noch im vollen Gange“, heißt es etwa beim Fondshaus Union Investment.

In anderen Ländern ist man schon weiter. So hat sich in den USA die HCM-Berichterstattung im vergangenen Jahr vervierfacht. Und trotzdem gilt eines als sicher: Auch im nächsten Jahr wird Larry Fink wieder genügend Stoff für seinen Brief haben.

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