Geldanlage Amazon, Nvidia und Netflix: Bei welchen Tech-Aktien der Einstieg jetzt noch lohnt

Netflix hat diese Woche Disney als wertvollsten Medienkonzern abgelöst.
Frankfurt, San Francisco Das Coronavirus hat auch vor Jeff Bezos nicht haltgemacht. Als im Frühjahr die Börsen weltweit abstürzten, bekam der Gründer des E-Commerce-Giganten Amazon das zu spüren. Zeitweise sank das Vermögen des Amerikaners an einem Tag allein um sieben Milliarden Dollar. Rund einen Monat später ist davon nichts mehr zu erkennen.
Die Aktie von Amazon scheint kein Halten mehr zu kennen: Der globale Handels- und Technologiekonzern eilt momentan wieder von einem Börsenrekord zum nächsten. Denn die Lieferdienste des weltgrößten Onlinehändlers sind in Zeiten geschlossener Geschäfte und eines allgemeinen Shutdowns extrem gefragt. So wirkt die Geschäftsentwicklung von Amazon derzeit wie von einer anderen Welt: Der Konzern stellt mitten in der Krise 100.000 Mitarbeiter in den USA neu ein – und hat weitere 75.000 Jobs ausgeschrieben.
Amazon ist nicht die einzige Technologiefirma mit einem überraschenden Comeback an der Börse. Dort gelten die jungen Unternehmen gerade in Krisen normalerweise als schwankungsanfälliger als die vermeintlich unbeweglichen Dickschiffe aus der klassischen Industrie. In Zeiten von Corona ist das anders. Viele Firmen konnten sich in der aktuellen Krise am Aktienmarkt schneller erholen als ihre Rivalen aus der Old Economy. Denn das Geschäftsmodell der Tech-Firmen baut normalerweise stark auf Digitalisierung auf – und das Internet ist von Covid-19 bisher kaum betroffen.
Hightech-Firmen wie der Weltmarktführer beim Cloud-Computing, Amazon, sowie der weltgrößte Streamingdienst Netflix werden im Abschwung deshalb für viele Investoren zum Lichtblick. Doch nicht jedes digitale Geschäftsmodell gleicht dem anderen. Das Handelsblatt wirft im Folgenden einen analytischen Blick auf mehrere wichtige Titel.
Amazon
Niemand scheint so optimal in der Welt des Virus aufgestellt zu sein wie der Gigant aus Seattle. Schließlich sind viele stationäre Einzelhändler in den vergangenen Wochen unter Druck geraten, etliche mussten wegen der Coronakrise schließen – teilweise dauerhaft. Doch auch nach einer behutsamen Öffnung der Läden dürften viele Menschen verstärkt online einkaufen, um den Kontakt mit anderen Menschen zu minimieren – aus Angst, sich mit dem Virus anzustecken.
Durch die zunehmende Arbeit im Homeoffice könnten viele Unternehmen auch die Dienste des Amazon Web Services verstärkt nachfragen. Immer mehr Unternehmen versuchen hastig, ihre alte IT-Infrastruktur ins Internet zu verlegen – „in die Cloud“ –, um sie so ortsunabhängig zu machen. Das ermöglicht den Mitarbeitern effektivere Arbeit von zu Hause.
Bei Cloud-Computing ist Amazon Weltmarktführer. Doch vieles davon ist im Aktienkurs der US-Firma bereits eingepreist. Der Lackmustest für die Aktie kommt darum am 1. Mai, wenn die Ergebnisse des ersten Quartals vorgelegt werden. Die Frage ist: Wird der Ansturm der Käufer in Gewinn umgesetzt?
Erst vergangene Woche hatte Amazon im Handelsgeschäft für Lebensmittel einen Aufnahmestopp für Neukunden verhängen müssen. Lockerungsmaßnahmen für die Corona-Beschränkungen, wie sie nun in den USA angekündigt sind, dürften dem überlasteten Amazon nicht wirklich schaden, aber das Kurswachstum behindern.
Als Alternativen bei Cloud-Investitionen bieten sich Google und das chinesische Alibaba an. Beide Firmen notieren deutlich unter ihren Topkursen. Doch die meisten Analysten, die Amazon regelmäßig covern, sind optimistisch für den Onlinehändler. 52 Experten empfehlen die Aktie zum Kauf, vier zum Halten – aber niemand zum Verkauf. Das Kursziel sehen sie allerdings durchschnittlich mit 2422 Dollar sehr nahe am derzeitigen Niveau.
Microsoft
Der Software-Anbieter Microsoft läuft mit seinem Computerprogramm Windows bis heute auf den meisten Rechnern der Welt. An der Börse liegt das Unternehmen derzeit deutlich unter seinen Höchstkursen, zahlt aber – anders als Amazon – eine Dividende.
Microsoft gilt aufgrund seiner Stärke bei Unternehmenssoftware und Cloud – Nummer zwei hinter Amazon – sowie des breiten Produktangebots als krisenfest und als ein möglicher Profiteur der Coronakrise. Denn der Shutdown und das vermehrte Arbeiten von daheim lassen viele Menschen beim Arbeiten und Spielen auf die Angebote des Softwarekonzerns zurückgreifen, der mit der Xbox und dem Video-Kommunikationssystem Teams viele nützliche digitale Werkzeuge dafür zur Verfügung stellt.
„Große Unternehmen mit starken Bilanzen und geringer Verschuldung sowie Firmen mit hohen wiederkehrenden Umsätzen wie etwa Microsoft“ dürften die Krise gut bewältigen können, ist Marc Hellingrath, Fondsmanager von Uniglobal, überzeugt. Bei der Quartalsbilanz am 22. April erwarten Analysten signifikante Impulse aus dem Segment Videokonferenzen – zusätzlich zu den weiterhin hohen Zuwächsen der Cloud-Plattform Azure und dem Bürosoftwarepaket Office 365.
Im Gesamtjahr (bis Ende Juni) sollen die Gesamterlöse um knapp 13 Prozent auf rund 142 Milliarden Dollar zulegen. Die Investmentfirma Zacks empfiehlt Microsoft wegen der Mischung aus Dividendensicherheit und Wachstum als Anlage. Auch die meisten Analysten, die laut dem Finanzinformationsdienst Bloomberg die Aktie regelmäßig covern, raten zum Kauf. Beim Kursziel sehen sie durchschnittlich mit 189 Dollar ebenfalls noch Luft nach oben.
Netflix
Als starke Wette an der Börse hat sich zuletzt der US-Streamingdienst Netflix erwiesen. Der Marktführer im Videostreaming weltweit hat diese Woche den Konkurrenten Disney als wertvollsten Medienkonzern der Welt am Aktienmarkt abgelöst. Der Streamingdienst erreichte ein neues Allzeithoch an der Börse und katapultierte seinen Börsenwert über 186 Milliarden Dollar.
Der Dienstleister kann dieser Tage wachsende Abonnentenzahlen registrieren. Viele Menschen bleiben zu Hause und wollen in ihrer Freizeit verstärkt Filme zur Ablenkung schauen, während die Kinos geschlossen sind. Als Marktführer bietet Netflix dabei so viel Filmmaterial wie kaum ein anderer, wenngleich Disney mit seinen Marvel-Filmen und seiner Stars-Wars-Reihe ebenfalls ein starkes Wachstum hinlegt. Filmegucken lässt sich auch mitten in der Coronakrise, weshalb der Streamingdienst weitgehend unbeschadet durch den Shutdown kommt – und sogar neue Kunden in sein Bezahlsystem lockt.
Eine wichtige Frage wird für alle Unternehmen der Streamingbranche allerdings sein, wo neue Inhalte herkommen werden. Viele Hollywood-Studios haben die Produktion eingestellt, fertige Kinofilme werden zurückgehalten. Netflix selbst verliert weiter in jedem Quartal Geld, und neue Inhalte sind kritisch für die Akquisition neuer Kunden.
Wedbush-Analyst Michael Pachter glaubt, dass Netflix bei den Quartalszahlen, die das Unternehmen am 21. April vorlegt, weiter hohe Verluste präsentieren wird und der Mangel an neuen Inhalten zu Kündigungen führen könnte. Morgan Stanley setzte aber gerade erst das Kursziel von 400 auf 450 Dollar hoch. Die meisten Experten sind aber vorsichtiger. Von den 42 Analysten, die die Aktie regelmäßig beobachten, empfehlen diese zwar 30 zum Kauf. Doch das durchschnittliche Kursziel liegt mit 392 Dollar derzeit deutlich unter dem aktuellen Kursniveau.
Zoom
Unter Beschäftigten, die derzeit aus dem Homeoffice arbeiten, macht ein neues Wort die Runde: Zoom. Hinter dem lautmalerischen Wort, das an Comics erinnert, steckt ein amerikanischer Anbieter von Videokonferenzen, der derzeit eine starke Nachfrage verzeichnet.
Ob virtuelle Yogastunden mit der Sportgruppe, tägliche Bürobesprechungen mit dem Team oder ein kurzer Chat am Abend mit den Freunden am Laptop-Bildschirm: So steigerte der Videokonferenzanbieter die Zahl seiner Nutzer im März auf 200 Millionen – und zwar täglich. Vor Corona hätten maximal zehn Millionen den Dienst genutzt, erklärte Zoom-Gründer Eric Yuan.
Die Zoom-App findet plötzlich riesige Verbreitung, was die Aktie von Zoom Video Communication deutlich in die Höhe schnellen ließ. Allein seit Jahresanfang hat sich das Papier fast verdoppelt. Zuletzt nahmen Anleger jedoch Gewinne mit.
Die Sorge, dass sich das Wachstum abschwächen könnte, belastet den Kurs. Außerdem drückten Berichte über massive Sicherheitslücken beim Datenschutz die Stimmung und verschreckten viele Anleger. Ein Fachportal deckte auf, dass Hacker über Zoom Zugang auf die Computer der Nutzer bekommen könnten. Im Internet kursieren die Login-Daten einer halben Million Zoom-Accounts.
Zoom versprach, dass mehrere Sicherheitslücken inzwischen geschlossen seien, und verpflichtete den ehemaligen IT-Sicherheitschef von Facebook, Alex Stamos, als Berater. Doch die Mängel versetzten dem Hype an der Börse einen kräftigen Dämpfer. Denn viele Banken oder das Raumfahrtunternehmen Space X von Elon Musk verboten die App wegen der Mängel bereits intern.
Zweifel sind also angebracht, ob Zoom auf Dauer vom Coronatrend profitieren kann. So empfahl die Credit Suisse sogar jüngst, die Aktie nach der Kursrally zu verkaufen. Das Papier sei mit einem gigantischen Preis-Erlös-Verhältnis unterwegs und es sei ungewiss, ob es Zoom gelingen werde, einen Großteil der neuen Kunden auch zum Bezahlen zu animieren, da viele die Kostenlos-Variante der App nutzten.
Nur sehr wagemutige Anleger sollten also darüber nachdenken, jetzt noch eine kleine Position aufzubauen. Von den Analysten, die das Unternehmen laut Bloomberg regelmäßig covern, empfehlen neun das Papier zum Kauf, 14 die Aktie lediglich zum Halten sowie fünf zum Verkauf – und sehen das Kursziel deutlich unter der derzeitigen Notierung.
Nvidia
Auch bei einigen Urgesteinen der Tech-Industrie, den Halbleiter-Unternehmen, gibt es noch deutliches Potenzial. Die Aktien des Chipherstellers Nvidia haben in den letzten Tagen kräftig gewonnen. Gerade im Bereich Künstliche Intelligenz und Rechenzentren hat die Firma Intel viel Geschäft abgenommen.
Mitch Steves, Analyst bei RBC Capital, geht von einer gravierenden Zäsur des Sektors durch Corona aus. Neben Nvidia stellt er auch Micron Technology und AMD als Profiteure vom Trend zu mehr Datencentern durch den Cloud-Boom heraus.
Marc Hellingrath, Fondsmanager von Uniglobal, findet Unternehmen interessant, die aufgrund von intakten Trends profitieren. Als Beispiel dafür nennt er Nvidia. Das Unternehmen ist einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chips. Grafikprozessoren kommen in Computern, Robotern und selbstfahrenden Autos zum Einsatz, sodass diese in der Lage sind, die Umwelt wahrzunehmen.
Nvidia profitiert von der wachsenden Bedeutung der Künstlichen Intelligenz – und vom großen Gaming-Boom, den das Coronavirus ausgelöst hat. Denn die Prozessoren der Amerikaner werden nicht zuletzt in Rechnern für passionierte Gamer eingebaut.
So gehört der Konzern aus dem Silicon Valley zu den wenigen Firmen, die ihre Prognose in jüngster Zeit sogar noch erhöht haben. Die Spieler würden in diesen Tagen etwa anderthalbmal mehr Zeit vor den Rechnern verbringen als sonst, teilte Nvidia jüngst mit. Zudem spürt auch Nvidia, dass seine Prozessoren für Rechenzentren gefragt sind. So notiert die Aktie deutlich über dem Niveau vom Jahresbeginn, während viele Wettbewerber verloren haben.
Mit Geforce Now hat der Grafikkartenhersteller zudem auch einen Spiele-Streamingdienst unter seinem Dach. Dort kann man Spiele live aus dem Netz auf den Laptop oder den heimischen Fernseher streamen. Der Haken: Auch Nvidia ächzt unter dem Ansturm zusätzlicher Kunden – viele Server waren zeitweise überlastet. Dennoch sind die meisten Analysten optimistisch. Von den 42 Experten, die die Aktie regelmäßig covern, raten 32 Analysten zum Kauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt allerdings mit 294 Dollar ungefähr auf dem aktuellen Niveau.
Mehr: Rendite in Corona-Zeiten: Mit welchen Investitionen man jetzt noch Geld verdient.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.