Global Wealth Report Private Vermögen steigen in Coronakrise auf ein Rekordhoch

Die Aktienmarktrally hat die Bruttovermögen weltweit deutlich gesteigert.
Frankfurt Das Jahr 2020 war geprägt von extremen Gegensätzen: Auf der einen Seite führte die Coronapandemie zu großem menschlichem Leid und brachte die Weltwirtschaft zum Erliegen. Auf der anderen Seite erholten sich die Aktienmärkte nach kurzem Schock schnell – den staatlichen Hilfsprogrammen und der lockeren Geldpolitik der Notenbanken sei Dank.
Dadurch stieg das Brutto-Geldvermögen weltweit um fast zehn Prozent und erreichte erstmals die Marke von 200 Billionen Euro. Im laufenden Jahr dürfte es um weitere sieben Prozent wachsen, sofern es im Schlussquartal zu keinem größeren Börseneinbruch kommt. Das geht aus dem aktuellen „Global Wealth Report“ der Allianz hervor.
Der Versicherungskonzern hat Daten zur Vermögensbildung in 57 Ländern ausgewertet. Zum Brutto-Geldvermögen zählen Bargeld und Bankeinlagen, angelegtes Geld in Versicherungen und Pensionskassen sowie Anlagen in Wertpapieren und Fonds. In Deutschland ist es 2020 um 6,6 Prozent gestiegen.
Die Zahlen seien sehr beeindruckend, meint Ludovic Subran, Chefökonom der Allianz. Dennoch lohne ein genauer Blick: „Viele Haushalte sparen nicht wirklich, sondern legen ihr Geld einfach beiseite.“ Das untätige Geld auf Bankkonten sei eine verpasste Chance. Seiner Ansicht nach brauche es eine neue Sparkultur: Die Haushalte sollten aktiv in ihren Ruhestand und die grüne Transformation investieren.
Auffällig ist zudem: Die Entwicklung von Wirtschaft und Vermögen war selten so unterschiedlich wie im vergangenen Jahr. Das weltweite Vermögen stieg der Studie zufolge 11,6 Prozentpunkte mehr als die Wirtschaftsleistung.
Ähnliche Diskrepanzen gab es lediglich 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise. Hier war es allerdings andersherum: Das Geldvermögen schrumpfte, während die Wirtschaft noch wuchs. 2020 überstieg nun aber das globale Geldvermögen die Wirtschaftsleistung um 300 Prozent.
Trotz mäßigen Starts, anhaltender Lieferengpässe im globalen Handel und neuer Virusvarianten wird die Weltwirtschaft auch 2021 wohl wieder stark wachsen. Rückenwind gibt es vom Fortschritt der Impfkampagne und der schrittweisen Rückkehr zur Normalität. Noch hält zudem die Unterstützung durch die Staaten und Notenbanken an.
Im Lockdown waren viele Menschen praktisch zum Sparen gezwungen
Zum Vermögensanstieg trug zuletzt aber nicht nur die Rally an den Aktienmärkten bei. Während der Lockdowns konnten viele Verbraucher ihr Geld nicht ausgeben, wodurch die Bankeinlagen weltweit kräftig zunahmen – um 11,9 Prozent im Jahr 2020. Durch das Herunterfahren der Wirtschaft wurde man praktisch zum Sparen gezwungen.
Mit den Lockerungen in diesem Jahr reisen die Menschen zwar wieder mehr und gehen häufiger in Restaurants. Dennoch rechnen die Allianz-Experten damit, dass die Sparquote auf hohem Niveau bleibt.
Das globale Vermögen in Wertpapieren erhöhte sich 2020 ebenfalls um starke 10,9 Prozent. Der Zuwachs dürfte in diesem Jahr ähnlich hoch ausfallen. Das Vermögen in Versicherungen und Pensionskassen dagegen stieg im vergangenen Jahr lediglich um 6,3 Prozent.
Wer am Aktienmarkt investiert, war also im Vorteil. US-Sparer halten fast 55 Prozent ihres Geldvermögens in Aktien und profitierten daher in starkem Maße vom Börsenboom. In Westeuropa liegt die Aktienquote nur bei unter 28 Prozent und in Japan bei lediglich 16 Prozent.
Was das bedeutet, zeigen diese Zahlen: In den letzten fünf Jahren machten die Wertsteigerungen an den Märkten in den USA 70 Prozent des gesamten Vermögenswachstums aus, in Deutschland dagegen nur elf Prozent. Die Deutschen seien zwar Weltmeister im Sparen, doch das zahle sich nicht aus, so die Studie: Zwischen 2016 und 2020 seien die Vermögen in den USA um 39 Prozent gestiegen, in Deutschland dagegen nur um 26 Prozent.
Immerhin nimmt die Zahl der Aktionäre auch hierzulande zu. Das Deutsche Aktieninstitut berichtete von 12,4 Millionen Bürgerinnen und Bürgern, die 2020 am Aktienmarkt engagiert waren – fast so viele wie zur Jahrtausendwende. „Die Deutschen sind keine Aktienmuffel mehr, die nur im Heimatmarkt investieren“, sagt Arne Holzhausen, Leiter Insurance & Wealth Markets bei der Allianz.
Bemerkenswert ist, dass der Kauf von Wertpapieren im vergangenen Jahr sogar stärker zugelegt hat als der Zufluss in Bankeinlagen. Die Neuanlagen in Versicherungen und Pensionskassen sind dagegen nur geringfügig gestiegen.
In Deutschland gelten derzeit insbesondere ETF-Sparpläne als sehr beliebt. Anders offenbar in den USA: Laut der Allianz-Studie haben die Haushalte zwar mehr Geld in Einzelaktien investiert. Die Nachfrage nach Investmentfonds war dagegen deutlich geringer.
Ungleichheiten könnten durch Coronakrise wieder zunehmen
Beim Netto-Geldvermögen – also den Vermögenswerten ohne Immobilien abzüglich Schulden – belegt Deutschland mit einem Pro-Kopf-Vermögen von knapp 61.800 Euro Rang 18 in der Liste der reichsten Länder. Spitzenreiter sind die USA mit umgerechnet mehr als 218.000 Euro, gefolgt von der Schweiz und Dänemark.
Nach wie vor ist das Wohlstandsgefälle zwischen Arm und Reich groß. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung – etwa 520 Millionen Menschen in den untersuchten Ländern mit einem durchschnittlichen Netto-Geldvermögen von 250.000 Euro – besaßen im Jahr 2020 zusammen mehr als 84 Prozent des gesamten Netto-Geldvermögens von rund 154 Billionen Euro. Im Jahr 2000 hatte der Anteil aber noch bei 91 Prozent gelegen.
Dem Report zufolge verkleinert sich die Mittelschicht in vielen Ländern – auch in Deutschland. Mancherorts liegt das unter anderem daran, dass sich mehr Menschen zur Oberschicht zählen können. Dennoch berge die stärkere Kluft zwischen den einzelnen Bevölkerungsschichten auf längere Sicht sozialen Sprengstoff, so das Resümee der Allianz.
Die Coronapandemie könnte die Ungleichheiten sogar noch verschärfen. Ein Grund ist, dass das Niedrigzinsumfeld länger anhält als ursprünglich von vielen Experten erwartet. Da niedrige oder sogar negative Zinsen die Preise für Aktien und Immobilien befeuern, profitieren in erster Linie die Menschen, die solche Anlageklassen bereits besitzen. Insbesondere für junge Sparer wird es aber immer schwieriger, eine eigene Immobilie zu erwerben.
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"Dennoch berge die stärkere Kluft zwischen den einzelnen Bevölkerungsschichten auf längere Sicht sozialen Sprengstoff". Diesen Spruch hört man jetzt auch schon seit Jahrzehnten. Und inzwischen hat er den gleichen Aussagewert erreicht wie: "Morgen wird es Wetter geben". Auch was, echt?