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Greenwashing-Verdacht Wie schwammige ESG-Kriterien Vermögensverwalter in Misskredit bringen

Öko-Investments sind gefragt. Doch wie grün sind Fondsanbieter wirklich? Insider prangern Regulierungslücken an.
17.09.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Nachhaltige Investments sind gefragt. Quelle: dpa
Windenergieanlagen

Nachhaltige Investments sind gefragt.

(Foto: dpa)

Düsseldorf, New York Nicht nur am grauen Kapitalmarkt lassen sich mit vermeintlichen Öko-Investments gute Geschäfte machen. Auch bei frei handelbaren Investmentfonds, wie sie große Vermögensverwaltungsgesellschaften auflegen, erleben nachhaltige Produkte einen Boom.

Doch ab wann ist ein solcher Fonds tatsächlich nachhaltig? Wo wird die Grenze zum Greenwashing überschritten? Also zum bewussten Vorgaukeln von ökologischen, sozialen oder ethischen Standards – den sogenannten ESG-Kriterien – bei der Auswahl der Aktien oder Anleihen, die einem Fonds zugrunde liegen. Und wie sollten solche Fälle von Greenwashing bestraft werden?

Mit diesen Fragen müssen sich Finanzmarktregulierer in Europa und den USA derzeit verstärkt beschäftigen.

Befeuert wird die Debatte von Desiree Fixler, der früheren Nachhaltigkeitschefin der großen deutschen Fondsgesellschaft DWS. Fixler wirft der Tochter der Deutschen Bank vor, ihr Nachhaltigkeitsengagement systematisch geschönt zu haben. Nun ermittelt die US-Börsenaufsicht SEC. Auch die Bafin ist eingeschaltet.

„Dies ist ein Weckruf für die gesamte Branche“, sagt Fixler im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Sie muss akkurater werden, wenn es um die Ermittlung von ESG-Daten geht, bei Finanzdaten funktioniert das ja schließlich auch.“

Der ehemalige Chef für nachhaltiges Investieren beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock, Tariq Fancy, weist ebenfalls auf Missstände bei ESG-Investments hin. Solche Anlageformen haben im zweiten Quartal dieses Jahres weltweit die Marke von zwei Billionen Dollar überschritten. Damit haben sich ESG-Anlagen laut den Daten des Analysehauses Morningstar in drei Jahren fast verdreifacht.

Die frühere Nachhaltigkeitschefin der DWS spricht über den angeblich irreführenden Umgang mit ESG-Kriterien dort. (Foto: PR)
Desiree Fixler

Die frühere Nachhaltigkeitschefin der DWS spricht über den angeblich irreführenden Umgang mit ESG-Kriterien dort. (Foto: PR)

Fancy hält den Boom für ein „gefährliches Placebo“. Nachhaltige Investments würden den Anlegern das Gefühl geben, in etwas „Gutes“ zu investieren und dabei gleichzeitig attraktive Renditen verdienen zu können. Die Branche habe dabei sehr viel Spielraum gehabt, um die ESG-Kriterien so zu definieren, dass sie für die jeweiligen Anbieter passen.

„Doch das verschleiert nur die unbequeme Wahrheit, dass wir viel mehr erreichen müssen. Und dazu gehört auch, unangenehme Entscheidungen zu treffen“, so Fancy. Er geht davon aus, dass es künftig eine Reihe von Greenwashing-Fällen geben wird.

Der DWS-Fall habe jedoch eine andere Dimension, glaubt Fixler. „Bei der DWS war es ein Versagen der Corporate Governance“, sagt die US-Amerikanerin, der nach nur acht Monaten im Amt gekündigt wurde und die sich nun vor dem Arbeitsgericht mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber streitet. Das Fondshaus hätte öffentlich stets betont, wie sehr es sich an ESG-Kriterien orientiere.

Man liege „weit über vorherigen Standards der Branche“, lautete Fixler zufolge die offizielle Version bei der DWS. „Intern jedoch hatte das Unternehmen Probleme mit seiner ESG-Analyse. Es gab kein System, das nachverfolgt hat, auf wie viele Assets die ESG-Integration tatsächlich angewendet wurde.“ Doch es sei klar gewesen, dass dies „nur auf einen kleinen Bruchteil der Assets zutraf“.

Dass die DWS in ihrem Geschäftsbericht angibt, 459 Milliarden Dollar, mehr als die Hälfte der verwalteten Assets, würden mit dem ESG-Integrationsansatz verwaltet, hält Fixler daher für problematisch. „Wenn man das nicht nachverfolgt, wie kann man dann so eine Zahl berechnen?“

„ESG integriert“ bedeutet noch lange nicht nachhaltig gemanagt

Fixler zufolge könnten „materielle Falschdarstellungen rund um ESG als Wertpapierbetrug eingestuft werden, genauso wie das bei Falschdarstellungen von anderen Datensätzen auch der Fall ist. Manager müssen sich dessen bewusst werden.“ Der DWS-Vorstand „wusste von der Diskrepanz zwischen den externen und internen Statements“, so Fixler.

Die DWS weist Fixlers Vorwürfe zurück. Das Unternehmen habe durchaus im Jahresbericht ausgewiesen, wie viele Assets unter welche Kriterien fallen. Es komme auf die genauen Definitionen an. So bedeute der Begriff „ESG integriert“, dass den Fondsmanagern ESG-Daten für mindestens 90 Prozent der Unternehmen in ihren Portfolios zur Verfügung stehen.

„Auf diese Daten können die Portfoliomanager zurückgreifen, sie müssen es aber nicht“, erklärt ein Sprecher. Die sogenannte „Smart ESG Integration“ gehe eine Stufe weiter. „Hier arbeiten Portfoliomanager aktiv mit Unternehmen, um ihre ESG-Ziele zu verbessern“, so der Sprecher. Fonds, die nach harten ESG-Kriterien anlegen, sogenannte dezidierte ESG-Fonds, würden 70 Milliarden Dollar an Assets umfassen. Fixlers Ansicht, Investoren würden in die Irre geführt, teilt die DWS nicht.

Der ehemalige Blackrock-Nachhaltigkeitschef kritisiert die ESG-Kriterien bei Investmentfonds. Quelle: Bloomberg/Getty Images
Tariq Fancy

Der ehemalige Blackrock-Nachhaltigkeitschef kritisiert die ESG-Kriterien bei Investmentfonds.

(Foto: Bloomberg/Getty Images)

Die SEC war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Die neue Führung der US-Börsenaufsicht hat bereits im März eine neue Taskforce eingerichtet, die sich auf mögliches Fehlverhalten im boomenden Geschäft mit vermeintlich nachhaltigen Investmentfonds fokussieren soll.

„ESG ist ein sehr heißes Thema für die SEC. Offenbar kommt der DWS-Fall da genau zur richtigen Zeit“, glaubt der renommierte Whistleblower-Anwalt Jordan Thomas von der Kanzlei Labaton Sucharow. Thomas hat 2016 einen Whistleblower vertreten, der Vorwürfe gegen die Deutsche Bank in den USA erhoben hatte. In den aktuellen DWS-Fall ist Thomas jedoch nicht eingebunden.

Der DWS-Aktienkurs hat sich seit Fixlers Vorwürfen noch nicht wieder erholt. Sie machte ihre Vorwürfe Anfang August im „Wall Street Journal“ öffentlich. Das Papier verlor daraufhin in der Spitze 14 Prozent an Wert und bewegt sich seitdem vor allem seitwärts.

Ermöglicht werden solche Grün-Grauzonen dadurch, dass es keinen offiziellen Maßstab gibt, ab wann eine Aktie oder eine Anleihe als nachhaltig eingestuft werden kann. Dementsprechend skeptisch sind einige Analysten, ob es den Regulierern gelingen wird, der DWS Greenwashing nachzuweisen. Nicholas Herman von der Citigroup etwa verweist auf juristische Risiken und auf Unwägbarkeiten mit Blick auf die Reputation bei der DWS; „es könnte eine Zeit brauchen, diese aus der Welt zu schaffen“, heißt es in einer Analyse vom Montag. Dennoch empfiehlt er die Aktie in der derzeitigen Schwächephase zum Kauf.

Aber ob es sich dabei dann um ein nachhaltiges Investment handelt, bleibt offen.

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