Wir verlassen langsam das Stadium, in dem die Verhandlungen überwiegend von Taktik und Ideologie geprägt sind. Das griechischen Bankensystem wird in Kürze aufhören zu funktionieren. Daraufhin wird es beim europäischen Sondergipfel eventuell nochmals neue Vorschläge geben. Dann muss Griechenland handeln: Entweder sich politisch bewegen oder ein Ersatzzahlungsmittel bereit stellen.
Wie es auch ausgeht: An den Finanzmärkten werden diese Entscheidungswochen hohe Wellen schlagen, mit Schwankungen an Aktien- und Rentenmärkten, aber diese Wellen werden sich wieder legen. Griechenland ist wirtschaftlich zu klein, um die europäische Konjunktur zu beeinflussen. Griechische Wertpapiere sind kaum mehr in privatem Besitz.
Die Hauptwirkungen eines Grexit finden in Griechenland selbst statt. Außerhalb sind sie hauptsächlich politischer Natur, nämlich ob und wie das europäische politische Integrationsprojekt einen solchen Rücksetzer vertragen würde.
Wir erwarten in den kommenden Wochen nervöse Finanzmärkte, allerdings keine Panik, da durch die EZB und die politischen Umstände in den anderen Mitgliedstaaten der Euro ausreichend gefestigt ist. Im Zuge der dramatischen Verhandlungen können allerdings Aktienkurse günstiger werden, Renditen von Bundesanleihen fallen, Spreads von Peripheriestaaten oder europäischen halbstaatlichen Institutionen oder anderen Anleihen steigen.
Am stärksten sind die Auswirkungen allerdings an den griechischen Finanzmärkten, die bereits jetzt heftig reagiert haben. Wir haben es hier mit ausschließlich politischen Märkten zu tun. Erfahrungsgemäß ist ein Ausnutzen solcher Ereignisse an den Finanzmärkten extrem schwierig.
Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Dekabank. Der studierte Volkswirt promovierte an der Universität Köln. Seit 1999 baute er die volkswirtschaftliche Abteilung bei der Dekabank mit auf. Kater veröffentlichte zahlreiche Beiträge zur Geldpolitik, zu internationalen Kapitalmärkten und zur Alterssicherung.