Halbjahresbilanz 7,6 Milliarden Euro von Investoren: Deutsche Start-ups erhalten so viel frisches Kapital wie nie

Die Zahl der Finanzierungsrunden für junge Unternehmen in der Hauptstadt ist kräftig gestiegen.
Frankfurt Deutsche Jungunternehmer erhielten im ersten Halbjahr mehr frisches Kapital als je zuvor: Knapp 7,6 Milliarden Euro flossen in die Start-ups – das ist mehr als dreimal so viel wie im Vorjahreszeitraum und mehr als im gesamten Jahr 2020.
Auch die Zahl der Finanzierungsrunden stieg sprunghaft: um 62 Prozent auf 588, geht aus einer Analyse der Beratungsgesellschaft EY hervor. Zum Vergleich: In den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 waren es nur 157 Runden gewesen.
Im vergangenen Jahr habe die Pandemie zu einem leichten Dämpfer beim Finanzierungsvolumen geführt“, sagt Thomas Prüver, Partner bei EY. In diesem Jahr sehe man ebenfalls einen Corona-Effekt, allerdings in die umgekehrte Richtung: Die Finanzierungsaktivitäten und -summen explodierten geradezu. „Im ersten Halbjahr haben so viele Start-ups frisches Kapital erhalten wie nie zuvor. Vor allem aber fließen inzwischen Summen in einzelne Jungunternehmen, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wären“, ergänzt der Experte.
So kletterte die Zahl der Transaktionen mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von zwei auf 15, die Zahl der mittelgroßen Finanzierungsrunden zwischen 50 und 100 Millionen Euro verdoppelte sich von acht auf 16.
„Der Finanzierungsboom hat mehrere Gründe“, sagt Prüver. Es sei sehr viel Liquidität im Markt, die im aktuellen Niedrigzinsumfeld nach attraktiven Anlagemöglichkeiten suche. Vor allem aber sehe der Markt heute völlig neue Perspektiven für innovative Technologieunternehmen. Die Digitalisierung habe im Pandemiejahr einen riesigen Schritt nach vorn gemacht. „Der Knoten ist geplatzt, und neue, disruptive Geschäftsmodelle werden jetzt mit ganz anderen Augen gesehen als vor der Pandemie“, meint Prüver.
Berlin ist Dreh- und Angelpunkt der Start-up-Szene
Berlin bleibt weiterhin der Dreh- und Angelpunkt der deutschen Start-up-Szene. Die Zahl der Finanzierungsrunden kletterte in der Hauptstadt um 74 Prozent auf 263. Das Investitionsvolumen hat sich sogar von 1,2 auf 4,1 Milliarden Euro mehr als verdreifacht. Auf Rang zwei rangiert Bayern, die übrigen Bundesländer folgen mit großem Abstand. Von den 20 größten Transaktionen im bisherigen Jahresverlauf entfielen zwölf auf Berlin und sechs auf Bayern.
Gemessen am Finanzierungsvolumen ging das meiste Kapital mit gut zwei Milliarden Euro in den Bereich Fintech/Insurtech, gefolgt von Software & Analytics sowie Mobility.
Im laufenden Jahr beliefen sich 71 Prozent der Deals, bei denen Angaben zum Finanzierungsvolumen gemacht wurden, auf höchstens fünf Millionen Euro. „Die meisten Finanzierungsrunden sind klein. Die Mehrzahl der deutschen Start-ups muss also weiterhin mit relativ wenig Geld auskommen“, betont Prüver.
Die größte Transaktion war eine Finanzspritze von 830 Millionen Euro für das Münchener Software-Unternehmen Celonis. Das Berliner Fintech Trade Republic erhielt 747 Millionen Euro, während Wefox, ebenfalls ein Fintech aus Berlin, 539 Millionen Euro einsammelte. Auf den nächsten Rängen folgen Flixbus und der Lieferdienst Gorillas.
Großer Abstand zu den USA
Trotz der positiven Entwicklung in Deutschland bleibt der Abstand zu den USA gewaltig. Laut dem Analysehaus Global Data erhielten die amerikanischen Start-ups im ersten Halbjahr in 5145 Finanzierungsrunden insgesamt 152,9 Milliarden Dollar. Die Stimmung im Markt habe sich gebessert, die Impfprogramme gegen das Coronavirus stärkten offenbar das Vertrauen der Investoren, sagte Aurojyoti Bose, Chefanalyst bei Global Data.
Zu den großen Deals zählten die milliardenschweren Finanzierungen für Moderna, Robinhood Financial und GM Cruise Holdings. Der Mittelzufluss in die Venture-Capital-Fonds ist ungebrochen, auch wegen der hohen Renditen in diesem Geschäft. Laut dem Informationsdienstleister Preqin lag die Rendite der Risikokapitalfonds im vergangenen Jahr bei 31,8 Prozent, im gesamten Beteiligungsmarkt einschließlich der Fonds für reife Unternehmen waren es 23 Prozent.
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