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Interview M&A-Experte: „Rückabwicklung von Käufen wegen Covid-19 ist schwierig“

Die Coronakrise sorgt für große Unruhe bei M&A-Deals. Käufer versuchen, Verträge zu lösen oder nachzuverhandeln, berichtet M&A-Anwalt Helge Schäfer.
23.03.2020 - 20:28 Uhr Kommentieren
Infolge der Corona-Pandemie werden auch Firmenübernahmen abgesagt. Quelle: Reuters
Anzeigetafel am Münchener Flughafen

Infolge der Corona-Pandemie werden auch Firmenübernahmen abgesagt.

(Foto: Reuters)

Düsseldorf Absagen, Verschiebungen, Nachverhandlungen: Das Geschäft mit Übernahmen und Fusionen gerät wegen der Ausbreitung der Lungenkrankheit Covid-19 in schwere Turbulenzen.

Das stellt die Vertragspartner auch vor juristische Herausforderungen – etwa in Fällen, in denen der Vertrag für einen Unternehmenskauf oder ein Joint Venture zwar unterschrieben, aber noch nicht vollzogen ist; oder für den Fall, dass ein Deal nicht mehr zustande kommt und der Verkäufer kaum erfolgreich auf Zahlung verklagt werden könnte.

Zugleich aber rufen die extrem gefallenen Börsenkurse vor allem Finanzinvestoren auf den Plan, die Kaufgelegenheiten sehen.

M&A-Anwalt Helge Schäfer, Partner im Hamburger Büro der internationalen Kanzlei Allen & Overy, spricht über die Chancen und Risiken des Transaktionsgeschäfts in Zeiten der Coronakrise.

Lesen Sie hier das vollständige Interview:

Herr Schäfer, in der Coranakrise haben Unternehmen schlagartig massiv an Wert verloren. Bricht nun der Transaktionsmarkt zusammen?
Es werden derzeit in der Tat einige vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie begonnene Transaktion abgesagt oder auf einen späteren – noch unbestimmten – Zeitpunkt verschoben. Wir beobachten allerdings auch, dass – neben der öffentlichen Hand – momentan insbesondere Finanzinvestoren neue Investments prüfen. Der Zeitpunkt ist günstig, weil zahlreiche Unternehmen kurzfristig Liquidität und langfristig Eigenkapital benötigen. Besondere Transaktionschancen und insbesondere Übernahmemöglichkeiten bieten natürlich auch die extrem niedrigen Börsenkurse. Auch strategische Zusammenschlüsse werden zur Abmilderung der Folgen von Unternehmen erwogen.

Manche Deals wurden vereinbart, bevor die Krise ausbrach.
In der Tat hat Covid-19 zahlreiche Transaktionen im Zeitraum zwischen Vertragsabschluss (Signing) und dem Vollzug (Closing) erwischt, ohne dass die gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen beim Signing bereits absehbar waren. Die Verträge sehen in aller Regel daher keine Sonderregelungen dafür vor, welche Folgen sich aus Covid-19 für den Vertrag ergeben.

Trotzdem stellt sich die Frage: Kann ein Käufer den Prozess nach Vertragsabschluss noch umkehren?
In aller Regel kann er das nicht. Aber es gibt Ausnahmen. Deshalb beschäftigt sich der Markt nun sehr mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Käufer von einem bereits geschlossenen Kaufvertrag wegen des Wertverfalls des Kaufobjekts von dem Vertrag vor dem Closing zurücktreten kann.

Muss man nicht sagen: Der Käufer hat halt Pech gehabt?
So einfach ist die Sache nicht. Für Käufer kann die Situation extrem schwierig sein, weil sich der Wert des Kaufobjekts und der Ausblick für dessen Geschäft nach Vertragsschluss dramatisch verschlechtert hat, er sich aber zum Vollzug des Kaufvertrags verbindlich verpflichtet hat. Aus seiner Sicht wäre eine Rückabwicklung des Geschäfts sinnvoll. Es gibt auch Fälle, in denen die Finanzierung nicht mehr gelingt. Das sind schwerwiegende Ereignisse. Je nach Vertragsgestaltung und anwendbarem Recht ist eine Rückabwicklung oder sind zumindest Vertragsanpassungen möglich.

Wann sehen Sie Chancen, den Kaufpreis nachträglich zu drücken?
Letztlich kommt es auf die Ausgestaltung des Kaufvertrags an. Der Kaufpreis ist entweder fixiert, oder ein vorläufig zum Signing vereinbarter Betrag wird zum Closing noch anhand bestimmter vorab vereinbarter Kennziffern angepasst. Insbesondere im letzteren Fall, in dem eine Anpassung zum Closing erfolgt, können sich aufgrund Covid-19 erhebliche Kaufpreisreduzierungen ergeben, weil wesentliche Finanzkennzahlen des Kaufobjekts zwischen Signing und Closing drastisch schlechter geworden sind. Die Frage ist, ob der Verkäufer dies hinnehmen muss oder aber der Vertrag zumindest bestimmte Grenzen für die Kaufpreisanpassung vorsieht. Schließlich kann er nichts für die Coronakrise, und womöglich sind die Wertabschläge nur von vorübergehender Dauer.

Dr. Helge Schäfer, Allen & Overy. Allen & Overy ist eine weltweit agierende Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in London. Quelle: Allen & Overy
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Dr. Helge Schäfer, Allen & Overy.
Allen & Overy ist eine weltweit agierende Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in London.

(Foto: Allen & Overy)

Was ist, wenn der Käufer den Deal nicht mehr finanzieren kann?
Das ist ein durchaus realistisches Szenario. Es werden Transaktionen, insbesondere solche mit hohen Kaufpreisen, gegebenenfalls deshalb nicht vollzogen werden können, weil der Erwerber den Kaufpreis schlicht nicht aufbringen kann. Das Risiko fehlender Finanzierung liegt in aller Regel beim Käufer – Geld hat man zu haben. Das ist natürlich vor allem bei Transaktionen bedeutsam, in denen als Erwerber eine nur für die Transaktion aufgesetzte Zweckgesellschaft („Special Purpose Vehicle“) agiert, die selbst kein nennenswertes Vermögen hat. Das hat zur Folge, dass solche Gesellschaften nicht erfolgreich auf Zahlung verklagt werden könnten. Man versucht aus Verkäufersicht, dieses Risiko durch verschiedene Instrumente zu vermeiden. Eine völlige Absicherung für den Verkäufer ist aber nicht immer gewährleistet.

Gibt es keine Vertragsklauseln, mit denen sich Käufer gegen derartige Krisen absichern können?
Es gibt zwar sogenannte MAC-Klauseln („Material Adverse Change“), die sind aber eher bei US-amerikanischen Transaktionen üblich. In Europa sind sie die Ausnahme. Durch MAC-Klauseln soll eine Verteilung des Risikos unter den Parteien zwischen Signing und Closing erfolgen. Bei wirtschaftlich besonders gravierenden Ereignissen zwischen Signing und Closing soll sich der Käufer vom Vertrag lösen können. Doch selbst eine solche Klausel sichert den Käufer nicht in jedem Fall ab.

Warum nicht?
Weil im Einzelfall beurteilt und eventuell durch Auslegung ermittelt werden muss, wie gravierend ein bestimmtes Ereignis ist. Es ist nicht selbstverständlich, dass Covid-19-Folgen darunter zu fassen sind. Praktische Anwendungsfälle zu MAC-Klauseln gibt es bislang in Europa kaum, auch in den USA gibt es dazu wenig Rechtsprechung. Vor allem greifen MAC-Klauseln in der Regel nicht, wenn höhere Gewalt im Spiel war oder eine gesamte Industrie von einem bestimmten Ereignis betroffen ist. Das Coranavirus fällt womöglich in diese Kategorien.

Mehr: Die Coronakrise belastet das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen in Deutschland

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