Karatbars-Gruppe Der Absturz des Gold-Coins

„Cashgold“-Schein, in diese Fantasie-Währung soll man die tolle Cryptowährung von Karatbars angeblich umtauschen können soll.
Frankfurt, Berlin Eine Weile sah es so aus, als gäbe es im Reich von Karatbars-Gründer Harald Seiz keine Verlierer. Im Frühjahr 2018 konnten seine Kunden erstmals den Karatgold Coin (KBC) zeichnen. Angeblich mit Gold gedeckt, sollte die Kryptomünze die Beständigkeit des Edelmetalls mit den Vorzügen einer virtuellen Währung kombinieren.
Das Publikum war begeistert. Bei Einführung kostete der Krypto-Coin zwischen einem und acht US-Cent, je nach Einstiegsdatum. Ein Jahr später wurde er für zwölf Cent gehandelt. Der 56-jährige Seiz feierte sich in den sozialen Netzwerken als erfolgreicher Unternehmer und Visionär.
Doch inzwischen sieht die Lage anders aus. Im Januar 2020 war der KBC zeitweise weniger als einen halben Cent wert und rutschte sogar auf ein Allzeittief. Anleger, die sich die Münzen im Dezember kauften, sahen ein Minus von mehr als 80 Prozent. Auch wenn sich der KBC im Anschluss etwas erholte und aktuell bei 0,9 US-Cent notiert, ist die Stimmung der Coin-Besitzer düster. „Ich denke, die goldenen Tage von Karatbars sind vorbei“, schrieb einer bei Facebook. In einem Chat beim Messengerdienst Telegram diskutieren Dutzende, ob sie vor Gericht ziehen sollen.
Die Karatbars-Gruppe ist ein Beispiel dafür, wie schnelllebig die Kryptoszene sein kann. Der Karatgold Coin traf bei seiner Premiere auf den heißesten Markt seit der Dotcom-Blase. Noch 2015 galt die Methode, ein Start-up mit der Ausgabe virtueller Münzen zu finanzieren, als völlig obskur. Weltweit wurden bei zehn sogenannten Initial Coin Offerings (ICOs) weniger als zehn Millionen Dollar eingesammelt.
Nur drei Jahre später steckten Anleger fast 20 Milliarden Dollar in dieses Modell. Aber die wilde Kryptoparty endete für manchen Investor mit einem Totalschaden. Dem Rausch folgten Skandale wie die Pleite der Envion AG oder das Drama um den Onecoin.
Nach Angaben von Karatbar-Gründer Seiz gaben Investoren beim ICO rund 40 Millionen US-Dollar für den KBC aus, in Firmenunterlagen ist sogar von 100 Millionen Dollar die Rede. Nach dem anfänglichen Höhenflug beschäftigte sich dann jedoch die deutsche Finanzaufsicht Bafin mit dem KBC.
Zweifel der Bafin
Bei näherem Hinsehen entstanden offenbar große Zweifel, im Oktober ordnete die Behörde gegenüber der ausgebenden Karatbit Foundation an, das nach Ansicht der Bafin in Deutschland unerlaubt betriebene „E-Geld-Geschäft“ einzustellen und deutschen Investoren Gelder zurückzuzahlen. Die Vollziehung wurde inzwischen ausgesetzt.
Die Karatbars International GmbH sitzt in Stuttgart, Seiz ist dort als geschäftsführender Gesellschafter der Alleinherrscher. Doch der KBC wird von der Karatbit Foundation im Karibikstaat Belize herausgegeben. Seiz hat die Stiftung zwar gegründet, verweist jedoch darauf, sie sei ein Partner und stehe auch nicht im Einflussbereich der Bafin. Er betonte im November in seinem Stuttgarter Büro: „Niemand kann hier einen KBC rückabwickeln.“
Allerdings sitzen zwei Mitarbeiter seines Stuttgarter Unternehmens im Stiftungsrat, der sich aus drei Personen formiert. Das „Management-Team“ des KBC wiederum besteht laut Whitepaper ausschließlich aus Führungskräften der Karatbars International GmbH und wird von Seiz angeführt. Wer auch immer die Fäden zieht, die Stiftung in Belize jedenfalls reichte mithilfe des Hamburger Anwalts Stephan Schulenberg bei der Bafin Widerspruch ein. Die Behörde setzte den Vollzug ihrer Anordnung vorerst aus.

Das Unternehmen hat Ärger mit der Bafin.
Der KBC-Kurs fiel trotzdem. Am Dienstag vergangener Woche wandte sich Seiz im Youtube-Kanal der Karatbars International GmbH an die Anleger. Er warf selbst die Frage auf, ob der Preis des KBC steigen werde, ohne eine Antwort zu liefern. „Viele Leute denken darüber nach“, betonte er. Dann sprach Seiz minutenlang darüber, dass Gebühren für andere Produkte und Angebote aus der Karatbars-Gruppe zukünftig in KBC bezahlt werden könnten. Als sich unter dem Video kurz darauf kritische Kommentare häuften, schaltete Karatbars die Kommentarfunktion kurzerhand ab. Auch dem Handelsblatt wollte Seiz nicht erklären, was hinter dem Absturz steckt.
Virtuelle Währungen wie der KBC gehorchen nicht der üblichen Logik des Kapitalmarkts – es gibt weniger Regularien, die helfen, Missbrauch zu vermeiden. Kryptowährungen kommen ohne verbindliche Wertpapierprospekte aus. Nur ein Whitepaper definiert vage, wie der KBC funktionieren soll. In dem Papier sind Rahmenbedingungen festgelegt, etwa dass das Erstangebot vom 15. Februar bis zum 21. April 2018 stattfindet. Doch ausgerechnet rund um diesen Kryptobörsengang tauchen nun neue Fragen auf.
Dem Handelsblatt liegt die Gründungsurkunde der Karatbit Foundation vor. In dem „Certificate of Establishment“ ist der 27. April 2018 als Eintragungsdatum vermerkt. Demnach ist die Stiftung in Belize erst nach der Ausgabe des KBC gegründet worden. Anleger und Aufseher dürften sich nun fragen, wer dann das viele Geld eingesammelt hat. Als die ersten Investoren den KBC zeichneten, existierte die angebliche Emittentin nicht – jedenfalls nicht als Rechtsperson.
Harald Seiz äußerte sich dazu auf Nachfrage nicht, und er erklärte auch nicht, warum im Whitepaper der Eindruck erweckt wurde, als habe es die Stiftung schon vor dem ICO gegeben. Eine „Roadmap“ wies die Stiftungsgründung für Februar 2018 aus.
Aufwendiger Lebensstil
Zu den Fragen nach den Anfängen des KBC gesellen sich die nach seinem Verfall hinzu. Viele Anleger wundern sich, warum der Coin so stark an Wert verlor. Seiz und seine Vertriebsmannschaft betonten immer wieder die Stabilität der virtuellen Münze, war sie doch wenigstens zum Teil durch Gold gedeckt. Der KBC sei mit „physisch hinterlegtem Gold“ verknüpft, heißt es im Whitepaper. Seiz suggerierte mehrfach öffentlich, dass die Firmengruppe über erhebliche Goldreserven verfüge.
Ende März 2019 ließ sich der Goldhändler demonstrativ vor zahlreichen Barren filmen. In einem Tresorraum in Hongkong habe das Unternehmen mit einem Partner 1,4 Tonnen Gold eingelagert, verkündete Karatbars International im offiziellen Youtube-Kanal. Diese Menge Gold wäre heute 63 Millionen Euro wert. Das ist weit mehr als die aktuelle Marktkapitalisierung des KBC auf Informationsportalen wie Coinmarketcap.
Wenige Tage später kündigte der Chef in seiner „Osterbotschaft“ vor laufender Kamera an, fünf Tonnen Gold zu kaufen. Der Preis sei gerade schön günstig, sagte er. Das Edelmetall hätte heute einen Wert von 225 Millionen Euro.
Im Whitepaper ist festgehalten, dass Anleger jederzeit eine bestimmte Menge KBC in Gold umtauschen können. Anleger schilderten dem Handelsblatt, wie sie in der zweiten Jahreshälfte 2019 einmal pro Tag 100 KBC in ein Gramm Gold wechselten – wenn auch in einem komplizierten Verfahren. Aktuell berichten Anleger, dass das nicht mehr möglich sei. Derzeit ist unklar, ob es wieder eine vergleichbare Möglichkeit geben wird, den KBC in Gold zu tauschen. Auf Anfrage äußerte Seiz sich dazu nicht.
Über welche Goldmenge die Karatbars-Gruppe Anfang 2020 verfügt und wo sie gelagert ist, teilte Seiz auf Nachfrage nicht mit. Er sagte auch nichts zu der Frage, ob seine Ankündigung des Kaufs von fünf Tonnen Gold tatsächlich umgesetzt wurde.
So zurückhaltend kennen die Anleger ihn sonst gar nicht. Dem Handelsblatt sagte Seiz im vergangenen Jahr, dass er sich ein Monatsgehalt von 150.000 Euro zahle. Sein Lebensstil, den er in sozialen Medien präsentiert, ist aufwendig: Bei Instagram zeigte er sich vor einem Lamborghini, der seine Initialen auf dem Nummernschild trägt. Bei Facebook postete er ein Video seiner Geburtstagsfeier in einer 10-Millionen-Euro-Villa.
Während Seiz zu Geschäftszahlen schweigt, ist ihnen auch anders kaum beizukommen. Bilanzen hat die Karatbars International GmbH seit dem Geschäftsjahr 2015 nicht mehr veröffentlicht. Im Gespräch mit dem Handelsblatt im November kündigte Seiz an, bis Mitte Dezember sämtliche fehlenden Bilanzen vorzulegen. Er tat es nicht.
Immer neue Verzögerungen
Statt Belege zu präsentieren, versucht Seiz, die Kunden und den Vertrieb mit rauschenden Festen bei Laune zu halten. Kurz vor Weihnachten rief er Hunderte seiner Anhänger in Madrid zusammen. Karatbars ließ mit einigen Partnern ein Fußballspiel im Stadion von Atletico Madrid ausrichten. Als Stargäste liefen frühere Weltstars auf: Ronaldinho, Figo, Eto’o, Dani Alves und Roberto Carlos. Was die Fußballsause kostete und wer sie bezahlte, wollte Seiz auf Anfrage nicht mitteilen.
Auf den Vertriebspartys kündigt Seiz immer neue Firmen-Meilensteine an, die in der Zukunft liegen und deren Realisierung sich dann meist verzögern. Das angeblich Blockchain-basierte Smartphone „Impulse K1“ haben zahlreiche Kunden in Paketangeboten im ersten Halbjahr 2019 bestellt – auf die Lieferung warten viele bis heute.
Unbeeindruckt von den Verzögerungen setzt Seiz weiter auf Vertrieb. Seinen Angaben zufolge hat die Unternehmensgruppe weltweit fast 900.000 Kunden und Vertriebspartner, wobei sich das oft kaum abgrenzen lässt. Vertriebsleute erhalten Provisionen, wenn sie neue Teilnehmer ins System einführen oder zu Käufen animieren. Das Netzwerk funktioniert nach Prinzipien des Multi-Level-Marketing.
Bei Youtube oder Facebook lassen sich Vertriebspartner in Deutschland, den USA, Kanada, Südafrika und Spanien ausfindig machen. Je nach Land preisen sie mit Gold bestückte Grußkarten an oder Seiz’ andere große Erfindung: eine Fantasiewährung, die er „Cashgold“ taufte. Es sind Scheine, in die Mini-Goldbarren eingewebt sind. Auch den Coin KBC und das Smartphone bewarben viele der Vertriebler eifrig.
Seit Oktober will die Karatbars-Gruppe weltweit Automaten aufstellen lassen, die einen reibungslosen Tausch des KBC in Cashgold ermöglichen sollen. Dieser Schritt könnte Vertrauen schaffen und dem Coin Auftrieb geben. Nur: Als das Handelsblatt einen dieser Automaten auf der Frankfurter Buchmesse ansehen konnte, funktionierte er gerade nicht. Das Handelsblatt bat Seiz um Auskunft, wo die funktionsfähigen Automaten derzeit zu finden sind. Er antwortete nicht.
Stattdessen kündigte der Stuttgarter Goldhändler die nächsten großen Pläne an. Einen Börsengang in Frankfurt soll es geben. Außerdem plane die Karatbars-Gruppe, 2020 ein „Blockchain-Auto“ zu entwickeln, und bereite sich vor, einen Satelliten ins All zu schießen. Bis es so weit ist, will Harald Seiz seine Kundschaft mit einer neuen Digitalwährung beglücken: Der Vertrieb sogenannter „E-Points“ läuft gerade an.
Mehr: Möglicher Anlegerskandal – Bafin stoppt dubiose angeblich goldgedeckte Kryptowährung.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Gestern habe ich geschrieben...
https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-schafft-das-kleingeld-ab/25480844.html
... dass Freies Marktgeld in einem AUSLESEPROZESS éntstanden ist - und dieser Ausleseprozess findet selbstverständlich auch bei den Kryptowährungen statt. Bei staatlichem Zwangsgeld findet dieser Ausleseprozess NICHT statt - daher wird durch staatlichen Zwang SCHLECHTES GELD durchgesetzt, während gutes Geld vom Markt verschwindet (und gehortet wird) = GRESHAMSCHES GESETZ.
Auch dieser Gold-Coin befindet sich also im AUSLESEPROZESS, und nur, weil er - angeblich!!! - durch Gold gedeckt ist, wird er nicht zwangsläufig zur "besten" Kryptowährung!! Ob er es jemals werden wird, ist so ungewiss, wie die Zukunft nun einmal ungewiss ist.
Warum gilt Bitcoin jedoch aktuell als die "beste" Kryptowährung (zumindest, was den Tausch in der Zeit betrifft).
(Man muss nämlich differenzieren: die Funktion des Geldes als ZWISCHENTAUSCHMITTEL hat tatsächlich zwei Unterfunktionen: den Tausch im RAUM und den Tausch in der ZEIT - also das, was man Hortbarkeit oder "Wertspeicher" nennt.)
Der ökonomische Grund: STEIGENDE GRENZKOSTEN DER GELDPRODUKTION!! Das "Mining" von Bitcoin ist nämlich extrem energieaufwändig, aber nicht nur das: jeder Bitcoin, der neu "geschürft" wird, benötigt mehr Energieaufwand als der vorherige!! Damit wird - algorhtmisch - ein KNAPPES GUT "produziert", wodurch sich Bitcoin nicht wie ein Fiat-Zeichengeld verhält, sondern wie ein SACH- ODER WARENGELD!!