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KI-Pionier Jürgen Schmidhuber „Die Krone der Schöpfung“

Der Pionier der künstlichen Intelligenz erklärt, wie selbstlernende Maschinen nicht nur die Finanzbranche, sondern unser ganzes tägliches Leben verändern werden. Um die Zukunft der Menschheit sorgt er sich aber nicht.
01.01.2018 - 17:47 Uhr 1 Kommentar
Der Informatiker will eine künstliche Intelligenz schaffen, die intelligenter ist als er selbst. Quelle: DAVID KASNIC/The New York Times//Redux/laif
Jürgen Schmidhuber

Der Informatiker will eine künstliche Intelligenz schaffen, die intelligenter ist als er selbst.

(Foto: DAVID KASNIC/The New York Times//Redux/laif)

Er hat wissenschaftliche Beiträge zur Kosmologie, zu Kunst, Musik und sogar Humor geliefert: Jürgen Schmidhuber. Bekannt geworden ist das 54-jährige Multitalent allerdings als Pionier für automatisches Lernen, für die Entwicklung künstlicher neuronaler Netze. Der Deutsche erhielt dafür zahlreiche Preise. Im Jahre 2017 war er der meistzitierte Informatiker aus Europa. Mit Partnern gründete er die Firma Nnaisense, die sein Lebensziel verwirklichen soll: eine künstliche Intelligenz zu schaffen, die intelligenter ist als er selbst. Im Gespräch beschreibt er seine Vision: eine Finanzwelt, in der sich Menschen nur noch um die Kunden kümmern, und eine Zukunft, in der Maschinen das Universum besiedeln werden.

Professor Schmidhuber, das Schlagwort künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig. Experten erwarten gesellschaftliche Umwälzungen, viele Menschen fürchten sich davor. Woher kommt dieser Hype um die Automatisierung von intelligentem Verhalten?
Auch weil uns das Thema jetzt im täglichen Leben begegnet, etwa auf dem Smartphone. Vielleicht haben Sie schon die Übersetzungsfunktion auf Facebook angeklickt. Sie basiert auf einem Verfahren, das mein Team seit den frühen 90ern entwickelt hat und das sich nun auf drei Milliarden Smartphones findet. Facebook macht damit über vier Milliarden Übersetzungen täglich von einer Sprache in die andere.

Die Entwicklung geht rasant schnell...
Und wir stehen erst am Anfang von etwas viel Größerem. Die Systeme funktionieren heute so gut, weil die Rechner beim gleichen Preis alle fünf Jahre die zehnfache Leistung bringen. In 30 Jahren bedeutet dies einen Faktor von einer Million. Dieser Trend scheint ungebrochen zu sein.

Künstliche Intelligenz ist für viele Menschen eine Black Box. Wie erklären Sie es einem Laien?
Als Wissenschaft vom automatischen Erlernen des Problemlösens. Wobei die heutige künstliche Intelligenz dominiert wird von künstlichen neuronalen Netzen, ein wenig inspiriert vom Hirn mit seinen Neuronen und den Verbindungen dazwischen.

Wo werden solche Systeme schon eingesetzt?
Die profitabelsten Anwendungen finden wir derzeit im Bereich des Marketings. Die großen Datenkonzerne Google, Amazon, Alibaba, Facebook und Tencent verdienen Geld durch maßgeschneiderte Werbung. Solche adaptive Reklame nutzt künstliche Intelligenz, um aus Ihrem Verhalten und dem von Millionen ähnlichen Nutzern zu lernen, Ihnen gefällige Werbung oder Nachrichtenbeiträge vorzusetzen.

Wie wird es mit der künstlichen Intelligenz in den nächsten Jahren weitergehen?
Werbung ist nur ein winziger Teil der Weltwirtschaft. Aber das Thema zieht jetzt auch ins Gesundheitswesen und in den Maschinenbau ein. Das sind viel größere Industrien, die zusammen an die 25 Prozent der Weltwirtschaft ausmachen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die ersten neuronalen Roboter wie Kinder durch reines Zuschauen und Zureden von Menschen lernen werden, komplizierte Arbeitsvorgänge zu imitieren. Dies wird sehr viele Berufe komplett transformieren.

Auch die Finanzbranche?
Bei Vermögensverwaltern geht es vor allem um Mustererkennung, für Kursprognosen und Portfoliomanagement. Mustererkenner sind durch gestiegene Rechnerleistung viel praktikabler geworden. Unsere Firma Nnaisense hat ein Joint Venture mit dem Vermögensverwalter Acatis. Ein Fonds sucht mithilfe künstlicher Intelligenz Aktien von unterbewerteten Firmen für die langfristige Anlage.

Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden?
Mit den Modellen sind wir sehr zufrieden. Aber in der richtigen Welt braucht man reale Anlageergebnisse über längere Zeit, um zu zeigen, dass gute Erträge nicht nur Glück waren.

Wer ist denn unter den Geldverwaltern auf dem Feld noch aktiv?
Es gibt auf der einen Seite etliche, die jetzt die Welle mitreiten wollen und angeblich künstliche Intelligenz verwenden, aber genauso arbeiten wie bisher schon. Auf der anderen Seite ist das Interesse in der Branche aber enorm. Ich schätze, dass sich fast alle großen Anbieter zumindest in kleinen Teams damit beschäftigen.

Haben Sie weitere Partner?
Wir arbeiten an neuen Modellen für kurzfristiges Trading. Das ist aber noch nicht spruchreif.

Es gibt eine schnell wachsende Zahl von digitalen und automatischen Vermögensverwaltern, häufig unter dem Etikett „Robo Advice“…
Solche Automaten sind meist recht simpel. Häufig setzen sie eine bestimmte vorgegebene Vermögensstruktur mit der Verteilung des Geldes auf einzelnen Anlageformen wie Anleihen und Aktien um. Dazu braucht man keine künstliche Intelligenz. Interessanter wird es, wenn man versucht, bisher unbekannte Muster in den Daten zu erkennen, um so gewinnbringende Anlagen zu finden.

Welche Daten interessieren Sie auf diesem Feld?
Traditionell blicken Analysten auf historische Kursverläufe und versuchen, daraus etwas für die Zukunft abzuleiten. Dabei ignorieren viele, dass die Kurstreiber oft aus separaten Quellen stammen, etwa aus Zeitungsnachrichten oder Telefonkonferenzen, Stimmungsmache auf sozialen Medien und so weiter. Es gibt Unmengen von Daten, die potenziell relevant sind, doch von vielen ignoriert werden, obwohl sie einen Informationsvorsprung gegenüber Konkurrenten bedeuten könnten.

Welche Datenquellen sind heute noch denkbar?
Amazon und Alibaba haben detaillierte Informationen über die Nachfrage nach vielen Produkten, lange bevor die Herstellerfirmen ihre Quartalsberichte veröffentlichen. Auch Suchmaschinen könnten aus ihren zahlreichen Anfragen lernen vorherzusagen, welche Aktien steigen oder fallen werden. Ich bin mir nicht sicher, in welchen Ländern es erlaubt wäre, solches Insiderwissen zu verwenden.

Auch Fotos könnten Informationen liefern...
Interessant sind natürlich Satellitenbilder, etwa von Waldbränden oder vertrocknenden landwirtschaftlichen Flächen bei fehlendem Regen. Das kann die Preise von Agrarprodukten beeinflussen. Fotos der Produkte, die die Kunden aus den Supermärkten tragen oder die die Paketkuriere transportieren, können ebenfalls früh Hinweise geben, wie gut oder schlecht gewisse Geschäfte laufen.

Die Finanzbranche ist bereits von der Automatisierung betroffen. Wenn künstliche Intelligenz dazukommt: Brauchen wir dann noch Vermögensverwalter oder können das Maschinen leisten?
Für die rein technischen Vorgänge sind Menschen überflüssig. Aber für die zwischenmenschlichen Dinge bleiben sie wohl wichtig.

Also braucht die Branche dann keine Analysten und Fondsmanager mehr, nur Vertriebspersonal?
Na ja, das Vertriebspersonal sollte schon halbwegs verstehen, wie das funktioniert. Vielleicht wird es ähnlich laufen wie im Gesundheitswesen. Schon vor fünf Jahren konnte unser Lernverfahren erstmals Wettbewerbe zur Krebsfrüherkennung gewinnen. Bald wird alle medizinische Diagnostik übermenschlich gut sein. Und die Ärzte werden dann hoffentlich mehr Zeit für die heute oft vernachlässigten Patientengespräche haben.

Es gab immer eine Diskussion in der Vermögensverwaltung: Ist das Metier eher eine Kunst oder eine Wissenschaft? Was ist Ihre Antwort?
Vermögensverwalter haben ja die Kunst betrieben, viel Gebühren einzustreichen für Dinge, die automatisch besser gelaufen wären. Viele Indexfonds haben eben mehr Ertrag gebracht als Produkte von Managern, die mehr Rendite erzielen wollten als so eine Messlatte – was aber nicht klappte.

In künstlicher Intelligenz steckt das Wort Kunst. Sie selbst haben dazu einen ganz eigenen Bezug...
Ich habe vor zwei Jahrzehnten die „Kaum Komplexe Kunst“ eingeführt. Es geht darum, das Wesentliche eines darzustellenden Objektes durch einen möglichst kurzen Algorithmus zu beschreiben. Wenn Sie es schaffen, Donald Trump mit nur fünf Strichen zu zeichnen, und alle erkennen ihn, dann haben Sie etwas Wesentliches extrahiert. Bei der „Kaum Komplexen Kunst“ wollen Sie das kürzeste Programm, das solche Striche beschreibt.

Für Sie scheint künstliche Intelligenz eine positive Vision zu sein. Wo endet diese Utopie?
Wir stehen vor einer Wende der Geschichte, schaffen eine neue Form intelligenten Lebens. Da fast alle Ressourcen draußen im Weltall sind, werden sich künstliche Intelligenzen rapide in den Kosmos hinaus ausbreiten, im Tempo nur begrenzt von der Lichtgeschwindigkeit. Der Mensch wird ihnen nicht folgen können. Die Roboter drehen dann ihr eigenes Ding. In einigen 100.000 Jahren haben sie die ganze Milchstraße kolonisiert. Und in einigen zig Milliarden Jahren das ganze sichtbare Universum.

Geht damit die Geschichte des Menschen zu Ende?
Wir werden kaum Zielkonflikte mit überlegenen künstlichen Intelligenzen haben, weil wir keine nennenswerte Konkurrenz für sie sind. Aber die wichtigsten Entscheidungsträger werden andere sein. Aus kosmischer Sicht sind dann Künstliche-Intelligenz-Algorithmen die Krone der Schöpfung.

Professor Schmidhuber, vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte Ingo Narat.

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