Max Otte zur Börse: „Unser Geld könnte sich in Luft auflösen“
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Max Otte zur Börse„Unser Geld könnte sich in Luft auflösen“
Der Börsenprofessor und Fondsmanager Max Otte blickt auf das Anlagejahr 2015 zurück und spricht über Probleme des Rohstoffsektors, US-Industriepolitik, wachsende Absturzgefahren und die Chancen an der Börse für 2016.
Ökonom, Börsenprofessor und Fondsmanager Max Otte über die Risiken der Geldanlage 2016.
Herr Otte, wie fällt Ihre Bilanz für das Anlagejahr 2015 aus? Es war kein einfaches Jahr für Anleger. Man merkt, dass sich alles für das Endspiel um die Vermögenswerte der Welt positioniert hat. Die Besitzer von Geldforderungen müssen verlieren, während die Besitzer von guten Sachwerten – dazu gehören auch Aktien von Unternehmen mit guten Geschäftsmodellen – eine gute Chance haben, ihr Vermögen über dieses Endspiel zu retten.
Zur Person: Max Otte
Max Otte, Jahrgang 1964, ist ein deutsch-amerikanischer Ökonom, der durch sein 2006 erschienenes Buch „Der Crash kommt“, in dem er die Finanzkrise vorhersagte, national wie international große Bekanntheit erlangt hat.
Er ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Worms, Professor für Unternehmensanalyse und -diagnose an der Universität Graz, Leiter des 2003 von ihm gegründeten Instituts für Vermögensentwicklung (IFVE) sowie unabhängiger Fondsmanager.
Zwei Investmentfonds für Privatanleger, die nach der Strategie von Max Otte seit 2003 und 2013 anlegen, werden von ihm und seinem Team beraten.
Otte ist Herausgeber des Börsenbriefs "Der Privatinvestor", hat zahlreiche Bücher zu verschiedensten Wirtschafts- und Anlagethemen veröffentlicht und ist gern gesehener Gast auf Vortragsveranstaltungen, in Talkshows und in Expertengremien.
Die klassischen Versorger hatten wir schon länger nicht mehr. Der Absturz dieser Energiekonzerne ist für mich auch eine Facette des Endspiels – ganze Branchen werden durcheinandergebracht, Geschäftsmodelle zerstört. In diesem Fall durch eine unglaublich dumme deutsche Politik, die sich instrumentalisieren lässt. Immer mehr setzt sich die Machtwirtschaft anstelle der Marktwirtschaft durch.
Nennen Sie ein Beispiel dafür. Der VW-Skandal verdeutlicht das Problem. Die USA haben unglaublich niedrige Grenzwerte für Feinstaubemissionen verhängt, 32 Milligramm pro Kilometer. In der EU sind diese Grenzwerte viel höher – bei 86 Milligramm. Nun fragt man sich, warum die USA solch niedrige Grenzwerte verhängen, wo sie doch sonst nicht so zimperlich in Umweltfragen sind.
Die besten Anlagen 2015
Es war vor allem die Europäische Zentralbank die mit ihren Anleihekäufen die Kurse auch der deutschen Staatsbonds immer weiter nach oben trieb. Im Gegenzug sackten die Renditen. Zuletzt sind sie aber wieder gestiegen – so dass für Anleger mit Bundesanleihen nur magere Erträge aus Kursgewinnen und Zinsen blieben. Wer 100.000 Euro in einen Korb aus Bundesbonds steckte hat jetzt 100.310 Euro auf dem Konto. Das ist weniger als sich im Schnitt mit Tagesgeld erwirtschaften ließ.
Stand: 30.12.2015, 11.30 Uhr; Wertentwicklung ohne Transaktionskosten Quelle: Bloomberg
Die Spreizung im Euro-Raum ist recht groß. Der größte Gewinner in diesem Jahr ist bislang die Börse in Dublin, die mehr als 30 Prozent zulegte. Die Indizes in Spanien, Luxemburg und vor allem in Griechenland und Zypern stürzten dagegen ab. Der Euro Stoxx 50 für die Standardwerte im Euro-Raum gewann 5,1 Prozent, somit wurden aus 100.000 Euro 105.100 Euro.
Wer Anfang des Jahres 100.000 Euro in den Dax gesteckt hat, kann sich über ein Plus von 10,26 Prozent, also von 10.260 Euro freuen Noch viel besser entwickelten sich Nebenwerte. Der MDax der mittelgroßen Aktien legte rund 23 Prozent zu, der TecDax 34 Prozent. Auch an anderen europäischen Börsen hatten die Small Caps oft die Nase vorn.
Die Zinserhöhung der US-Notenbank im Dezember konnte US-Bonds bislang nicht viel anhaben. Unter dem Strich und im Mittel aller Laufzeiten sind die Kurse etwas höher als zu Jahresbeginn – und die Renditen entsprechend leicht gesunken. In Dollar gerechnet brachten US-Staatsanleihen Investoren so einen Gesamtertrag aus Zinsen und Kursgewinnen von gut einem Prozent. Da der US-Dollar jedoch deutlich zulegte, profitierten Euro-Anleger: Sie können sich 100.000 in US-Staatsanleihen angelegten Euro jetzt über einen Depotstand von 111.650 Euro freuen.
Die US-Börsen haben sich von ihrem Einbruch im Sommer erholt – und nach jüngsten Spurt bislang ein mageres Jahresplus geschafft. Der gestiegene Dollar hilft aber Euro-Investoren, die nicht währungsgesichert in den USA angelegt haben. Der S&P 500 stieg in Euro gerechnet um 11,81 Prozent. Aus 100 000 Euro wurden bis kurz vor Jahresschluss 111.810 Euro.
Kaum eine Börse war so in den Schlagzeilen wie die chinesische. Bis zum Frühjahr stieg sie rasant – dann kam der Absturz. Dabei schreckten die Sorgen um eine Abschwächung der Wirtschaft der Volksrepublik die Investoren weltweit auf. Dennoch notierten der Leitindex Shanghai Composite immer noch deutlich fester als zu Beginn 2015 und auch der Yuan hat auf Jahressicht zum Euro zugelegt. So wurden aus 100.000 im Shanghai Composite angelegten Euro 116.980 Euro
Die Notenbank pumpt weiter Geld in den Markt und das Reformprogramm von Ministerpräsident Shinzo Abe zur Ankurbelung der Wirtschaft greift – wenn auch langsamer als viele erwartet hatten. Entsprechend holprig ging es auch 2015 am japanischen Aktienmarkt zu. Unter dem Strich gilt jedoch: Der Nikkei 225 Index gewann 2015 gut neun Prozent. Gleichzeitig wertete der Yen zum Euro kräftig auf. 100.000 in den Index investierten Euro vermehrten sich deshalb auf 120.020 Euro.
Auch sie verblüffen Investoren und gelten als zu riskant für eine seriöse Anlage. Im Sommer fürchteten die wenigen Anleger die noch griechische Bonds handeln den Austritt Griechenlands aus dem Euro-Raum. Die Kurse der Staatsbonds fielen drastisch. Sie erholen sich jedoch seit sich das dritte Hilfspaket für Hellas abzeichnet. Die Folge: Wer 100.000 Euro in griechische Staatsbonds verfügte hat jetzt 121.190 Euro.
Die Börse in Caracas ist der Überraschungssieger des Jahres, und das obwohl die Wirtschaft das dritte Jahr in Folge in der Rezession steckt. An der Börse werden jedoch nur sehr wenige Aktien gehandelt, die Umsätze liegen täglich bei meist nur ein paar tausend Dollar. Aktien sind aber für venezolanische Investoren eine Möglichkeit ihre Bolivar vor dem Wertverfall angesichts der Inflation von 160 Prozent zu retten. Außer den heimischen Investoren legt kaum jemand Geld in Caracas an. Dennoch: Theoretisch konnten Anleger 361.80 Euro verdienen, wenn sie Anfang des Jahres 100.000 Euro in Venezuelas Leitindex IBC investierten.
Zudem dürften die amerikanischen Dieseltrucks weiter als Dreckschleudern rumfahren. Aus Sicht von Hans-Werner Sinn, der ich mich anschließe, ist das amerikanische Industriepolitik zu Lasten der deutschen Autokonzerne. Die US-Konzerne haben nämlich keine Diesel-PKW.
Kehren wir zu den Aktien zurück. War der Kurssturz vom Sommer tatsächlich nur eine Korrektur oder ein Vorbote dessen, was uns bald erwartet? Fest steht, dass die globalen Schulden noch einmal in der Größenordnung eines Welt-Bruttoinlandsproduktes gestiegen sind. Das kann nicht ewig so weitergehen. In den USA wurde das billige Geld lange für Aktienrückkäufe der Unternehmen auf Kredit genutzt. Zunächst ist das für Aktionäre gut. Das Vermögen auf dem Papier ist deshalb kräftig in die Höhe geklettert.
Aber Private-Equity-Firmen kaufen mit dem billigen Geld den halben deutschen und europäischen Mittelstand auf und hinterlassen große Verwüstungen. Komisch, dass niemand mehr von „Heuschrecken“ spricht, wie es der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering 2005 tat. Irgendwann müssen die Schulden jedenfalls reorganisiert oder erlassen werden. Die Wachstumsschwäche Chinas tat vor diesem Hintergrund ihr Übriges. Hinzu kommen die Krisen rund um Europa, die uns demoralisieren und zeigen, wie handlungsunfähig wir sind.