Pfandhaus Lombardium-Anleger sollen 60 Millionen Euro zurückzahlen

In diesem Gebäude in der Hansestadt hatte Lombardium seinen Sitz.
Berlin Drei Jahre nach der Pleite des Hamburger Luxuspfandleihers Lombardium werden Tausende Anleger von der Vergangenheit eingeholt. Der Insolvenzverwalter Frank-Rüdiger Scheffler aus Dresden fordert von den Investoren rund 60 Millionen Euro zurück, die zu Unrecht ausgeschüttet worden sein sollen.
„Die Lombardium-Gruppe hat ein verbotenes Schneeballsystem betrieben und seit 2013 keine Gewinne mehr erwirtschaftet“, sagte Scheffler dem Handelsblatt. Die Zahlungsaufforderungen werden seit Montag in Wellen verschickt. Rund 5000 Anleger werden sie bis Frühjahr 2020 im Briefkasten finden.
Der Skandal um die Lombardium-Gruppe eskaliert damit erneut, begonnen hatte er 2010 mit der Geschäftsidee eines Pfandleihhauses für Luxusgüter. Reiche Menschen sollten finanzielle Lücken überbrücken, indem sie Diamanten, Luxusautos oder Gemälde als Pfand hinterlegen und für kurzfristige Kredite hohe Zinsen zahlen. Davon würden Anleger profitieren, versprach Lombardium in Prospekten. Jährliche Renditen von über sieben Prozent seien möglich.
Michael Müller aus Hamburg hat 15.000 Euro bei Lombardium versenkt, seinen richtigen Namen möchte der Anleger nicht in der Zeitung lesen. Er habe Angst vor den mutmaßlichen Betrügern, die auf freiem Fuß seien, sagt er. Müller erinnert sich: „Mein Berater hat vom festgeldähnlichen Charakter geschwärmt und mir die Geschichte vom Millionärspfandhaus plakativ ausgemalt.“
Wie Müller glaubten viele Anleger die schöne Geschichte. Rund 120 Millionen Euro investierten sie, indem sie sich als stille Gesellschafter an zwei Unternehmen beteiligten, die heute vom Insolvenzverwalter Scheffler verwaltet werden.
Die Erste Oderfelder Beteiligungsgesellschaft mbH und Co. KG hatte die „Lombard Classic 2“-Beteiligung (LC2) angeboten. Beim „Lombard Classic 3“ (LC3) hießen Gesellschaft und Kapitalanlage ähnlich. Aus den beiden Firmen sollten die Gelder in Form von Darlehen zur Lombardium Hamburg GmbH fließen, die das Pfandhaus betrieb. Das war der Plan.
Lombardium war in der Elbmetropole stadtbekannt. Bei den „German Open“ am Hamburger Rothenbaum sponserten die Pfandleiher Tennisspiele. Noch im Juli 2015 schlugen im „Legendenmatch“ Michael Stich und Goran Ivanisevic die Bälle über das Netz und ließen sich mit Lombardium-Chef Patrick Ebeling, 53, fotografieren. Das war wenige Tage, nachdem die Polizei die Geschäftsräume durchsucht hatte.
Geschäfte waren fingiert
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ebeling und 15 mutmaßliche Komplizen wegen des Verdachts auf gewerbs- und bandenmäßigen Betrug. Ebeling möchte sich aktuell nicht zu den Vorwürfen und den Anfechtungen äußern, wie er in einem kurzen Telefonat mitteilte.
Das Landeskriminalamt versucht aufzuklären, wo die Millionen abgeblieben sind. Die Ermittler stießen auf ein kaum durchschaubares Geflecht aus Dutzenden Firmen, in denen Gelder versickert sein könnten. Auffallend häufig tauchte die Mutter des Hauptbeschuldigten als Geschäftsführerin oder Gesellschafterin auf.
Was die Behörden nicht fanden: ein lukratives Pfandgeschäft. „Die Pfandgeschäfte waren zum großen Teil erfunden oder fingiert“, sagt Insolvenzverwalter Scheffler. Die Lombardium-Gruppe habe nur Zahlungen an Anleger vornehmen können, „weil sie zuvor bei neuen Anlegern Gelder eingesammelt hatte“.
An dem mutmaßlich kriminellen Hintergrund des Edelpfandhauses zweifelt kaum noch jemand. „Wir wissen inzwischen, dass es nur 100 Pfandverträge gab, obwohl im Prospekt von mehr als 2000 die Rede war“, sagt Anwalt Christoph Sieprath aus Frechen, der rund 1700 Anleger der Lombardium-Gruppe vertritt.
Zwar warten alle noch auf Anklage und Strafprozess, doch sollen laut Ermittlungsakte immer wieder Millionensummen durch die Unternehmen verschoben worden sein – getarnt als Zwischenkredite. Gelder wurden unbesichert als normale Darlehen an andere Gesellschaften der Lombardium-Gruppe ausgereicht, schreibt der Insolvenzverwalter an die Anleger.
Wenn alles nur Show war, sind die Geschäftsberichte und Bilanzen hinfällig. Scheffler ließ die Buchhaltung prüfen und neu aufstellen. „Tatsächlich erzielte die Insolvenzschuldnerin mindestens seit dem Jahr 2013 keine Gewinne, sondern erhebliche Verluste“, schreibt er nun den Anlegern. Den Ausschüttungen der Vergangenheit ist so die Grundlage entzogen.
Viele haben mit Lambardium abgeschlossen
In Deutschland müssen Insolvenzverwalter sogenannte „unentgeltliche Leistungen“ anfechten, wenn sie innerhalb von vier Jahren vor der Pleite erfolgt sind. Die Regelung soll verhindern, dass Geschäftsführer kurz vor der Pleite Angehörige oder Geschäftspartner mit Geschenken auf Firmenkosten beglücken. Auch Scheingewinne, wie sie in Schneeballsystemen häufig an Anleger ausgeschüttet werden, sind daher anfechtbar.
Die Insolvenzordnung verhindert damit, dass Investoren ihre Beteiligung samt Traumrendite behalten können, nur weil sie rechtzeitig ausgestiegen sind. Diese Anleger würden sonst von illegalen Geschäften profitieren, während der Schaden ausschließlich an den Investoren hängen bliebe, die bei einer Pleite ihr Geld noch nicht zurückerhalten haben.
Nach erfolgreicher Anfechtung werden die betroffenen Anleger selbst zu Gläubigern. Sie können ihre Forderungen – zum Beispiel auf Schadensersatz – wie alle anderen beim Insolvenzverwalter anmelden. Die Insolvenzanfechtung gewährleiste die gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger, sagt Scheffler. „Das Gesetz stellt die Anfechtung nicht in das Ermessen des Verwalters. Liegen die entsprechenden Voraussetzungen vor, ist er zur Anfechtung verpflichtet.“
Natürlich werden ehemalige Anleger überrascht sein. Viele haben mit Lombardium gedanklich abgeschlossen. Wer vor der Insolvenz seine stillen Beteiligungen aufgelöst und die volle Summe zurückerhalten hat, dürfte aufgeatmet haben, glimpflich davongekommen zu sein. Diese Investoren erleben nun ein böses Erwachen.
Kaum Chancen für Anleger
Der Berliner Anlegeranwalt Christian Röhlke ist skeptisch, ob sich die Investoren gegen die Forderung des Insolvenzverwalters wehren können: „Ich sehe relativ wenig Spielraum“, sagt er. Eine Chance gebe es, wenn eine „Entreicherung“ nachgewiesen werden könnte. Dafür müssten die Anleger dokumentieren, dass sie die Ausschüttungen zeitnah ausgegeben haben für etwas, das sie sich sonst nicht geleistet hätten. „Das betrifft Menschen, die sich eine Luxusreise gegönnt oder das Geld im Kasino verzockt haben“, sagt Röhlke. Der Nachweis gestalte sich meist schwierig.
Für einige Anleger dürfte die Entreicherung sehr wichtig werden, nämlich dann, wenn sie bei Lombardium reinvestiert haben. Am Beispiel wird das deutlich: Hat ein Anleger 50.000 Euro beim LC2 angelegt, nach drei Jahren zurückerhalten und dann in den LC3 eingezahlt, droht ihm der doppelte Schaden von 100.000 Euro.
Denn nach der Pleite ist das Geld weg, doch der Insolvenzverwalter fechtet die Rückzahlung aus dem LC2 an. „Es spricht viel dafür, dass in solchen Konstellationen die Wiederanlage als Entreicherung zu werten ist. Aber es liegt dazu noch keine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung vor“, sagt Scheffler.
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