Private Equity Corona bremst Finanzinvestoren aus – doch nach der Krise kann es schnell gehen

Die Grenzen sind dicht, an den Börsen geht es auf und ab, nichts ist mehr berechenbar.
Frankfurt Die Corona-Pandemie hat das öffentliche Leben in Europa weitgehend zum Stillstand gebracht und lähmt die Wirtschaft. Die Grenzen sind dicht, an den Börsen geht es auf und ab, nichts ist mehr berechenbar. Das trifft auch die erfolgsverwöhnte Private-Equity-Branche, die zuletzt gar nicht mehr wusste, wo sie das viele Geld der Anleger noch investieren sollte.
Jetzt geht es für die Beteiligungsgesellschaften vor allem darum, die Unternehmen in ihren Portfolios wetterfest zu machen. Bei Übernahmen werden sie deutlich vorsichtiger, Deals sind aber nicht vom Tisch. Mitunter gibt es auch günstige Einstiegsmöglichkeiten.
Das zeigt eine Umfrage vom IMAA Institut und der M&A-Beratung Proventis Partners, die dem Handelsblatt vorliegt. Demnach wollen 50 Prozent der Private-Equity-Gesellschaften vorerst Käufe zurückstellen und abwarten, wie sich die Lage entwickelt. „Trotz der Coronakrise will jeder zweite Finanzinvestor investieren, viele begreifen den Einbruch als Chance“, erklärt Jan Pörschmann, Managing Partner bei Proventis.
Angesichts der Krise erwartet er auch Vorzieheffekte, manche Transaktionen kämen schneller als erwartet. Beispielsweise dann, wenn die Digitalisierung des jeweiligen Geschäftsmodells forciert werden müsse. Insgesamt würden Verkaufsprozesse flexibler gehandhabt, Rücktrittsklauseln und Besserungsscheine gängige Instrumente. Denn die Umfrage zeigt auch: 72 Prozent der Beteiligungsmanager rechnen mit einem starken Konjunktureinbruch.
Für die Finanzinvestoren gilt aktuell: „Unternehmen mit attraktiven mittel- bis langfristigen Wachstumsperspektiven werden auseinandergenommen, um die derzeitigen Auswirkungen des Coronavirus zu analysieren und die direkten und indirekten Konsequenzen zu untersuchen“, betont Justin Welstead, Partner der Beratungsfirma Eight Advisory, die auf Fusionen und Übernahmen sowie auf Restrukturierung von Private Equity spezialisiert ist.
Aus seiner Sicht werden die Luftfahrt-, die Reise- sowie die Bewirtungsbranche zunächst am stärksten getroffen. Dazu kommen noch Bereiche wie Automobile, Rohstoffe sowie der Maschinen- und Anlagenbau, ergänzt Rainer Langel, Europachef von Macquarie.
Private-Equity-Manager sammeln von institutionellen Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen Kapital ein und investieren es. Innerhalb von fünf bis zehn Jahren werden die übernommenen Firmen restrukturiert. Mitunter gibt es auch Zukäufe, um den Umsatz anzukurbeln. Im Anschluss verkaufen die Finanzinvestoren die Firmen in der Regel dann zu einem höheren Preis weiter oder bringen sie an die Börse.
Von der aktuellen Lage würden Unternehmen, die auf chinesische Zulieferungen angewiesen seien, am härtesten getroffen, auch wenn sich möglicherweise die Produktivität schnell wieder erholen könne, erklärt Welstead.
„Bestehende Portfolios werden derzeit genau analysiert. Es wird versucht, Schwachstellen zu finden. Dazu gehören etwa Lieferabbrüche und Kunden, die die aktuelle Krise möglicherweise nicht überleben werden“, sagt Investmentbanker Langel. Es würden Liquiditätspuffer aufgebaut und dabei vorhandene Kreditlinien gezogen. Viele Finanzinvestoren seien derzeit gezwungen, bis zu 80 Prozent ihrer Zeit auf ihre bestehenden Unternehmensbeteiligungen zu konzentrieren.
Die Bundesregierung hat wegen der Coronakrise ein beispielloses Hilfspaket auf die Beine gestellt, mit dem sie Familien, Mieter, Beschäftigte, Selbstständige und Unternehmen unterstützen will. Gerade viele kleine und mittelständische Firmen geraten gerade in Existenznot, weil sie wegen der Ausgangsbeschränkungen nicht öffnen dürfen oder ihnen die Lieferketten wegbrechen. Hier stellt die Regierung über die staatliche Förderbank KfW unlimitierte Liquiditätshilfen zur Verfügung.
Robert von Finckenstein, Managing Partner bei der Investmentbank Alantra, rät dazu, soweit möglich mittelfristige Kreditprodukte mit einer fünfjährigen Laufzeit zu nutzen. Dabei sollten gerade deutsche Unternehmen auch die Angebote von Kreditfonds in Betracht ziehen. Inwieweit die jüngste Bereitstellung von 120 Milliarden Euro durch die Europäische Zentralbank (EZB) für die Banken in Form von kurzfristigen Krediten an die Unternehmen weitergereicht werden, bleibt nach seiner Einschätzung abzuwarten.
Bewertungen gehen nach unten
An den Bewertungen der Unternehmen geht die Krise ebenfalls nicht vorbei: Sie hatten Ende 2018 ihren Höhepunkt erreicht und verharrten 2019 auf diesem hohen Niveau. Teilweise wurde das Siebzehnfache des operativen Gewinns (Ebitda) bezahlt, wie im Fall der Aufzugssparte von Thyssen-Krupp für 17,2 Milliarden Euro.
Im Durchschnitt wurde indes in Deutschland bei Firmenkäufen das Zehnfache des operativen Gewinns (Ebitda) gezahlt, betont Christof Huth, Partner beim Berater Roland Berger. „Jetzt werden aber die Bewertungen unter Druck geraten, denn der Börsencrash hat die Aktienkurse vieler Konzerne einbrechen lassen“, betont der Experte. Das wirke sich auf Dauer negativ auf die Bewertungen der nicht börsennotierten Gesellschaften aus, die gleiche oder ähnliche Geschäftsmodelle hätten.
Laufende Übernahme-Transaktionen werden wegen der Coronakrise bisher kaum unterbrochen, hat Huth beobachtet. Wenn ein Deal scheitere, bleibe „immer etwas Negatives an den beteiligten Unternehmen und Managern hängen, das möchten alle natürlich vermeiden“. Bei neuen Deals mit Beteiligung von Finanzinvestoren denken die Parteien dagegen über Verschiebungen nach. Firmen können aktuell auf vielfache Weise von der Krise betroffen sein. „Das muss jeweils neu berücksichtigt werden“, betont der Roland-Berger-Mann.
Für Berater Welstead von Eight Advisory werden Rücktrittsmöglichkeiten bei bestimmten Wertentwicklungen künftig wieder häufiger greifen. Bei den sogenannten MAC- oder Material-Adverse-Change-Klauseln gilt es jedoch, klare Vereinbarungen zu treffen, um sich vor negativen Entwicklungen zu schützen. Eine Alternative ist es für den Experten, Kaufpreise zum Teil an eine erfolgsabhängige Entwicklung der Geschäfte zu koppeln. Fachleute nennen das Earn-out-Modell. Läuft das Geschäft schlecht, kann der Kaufpreis reduziert werden.
„Äußerst vorsichtig sind die Banken bei der Fremdfinanzierung für die Deals, aber auch bei Krediten für die Portfoliounternehmen“, sagt Huth von Roland Berger. Die Geschäftspläne stammten meist aus der Zeit vor der Coronakrise und müssten jetzt angepasst werden. Da schauen Kreditinstitute genau hin.
Zu unterscheiden ist für Robert Clausen, Investmentstratege bei Syngroh Capital, der Familienbeteiligungsgesellschaft der Gründerfamilie von Hansgrohe, die kurzfristige Verunsicherung, die Entscheidungen aller Art deutlich erschwere, und die mittel- bis langfristigen Auswirkungen. Kurzfristig falle es schwerer, frisches Geld einzusammeln.
Vor dem Hintergrund der bestehenden Überschussliquidität, die sich im Markt befindet und nun durch Kriseninterventionsmaßnahmen noch weiter gefördert wird, dürfte sich aber eine Umkehr abzeichnen, sobald bestehende Barreserven wieder in Realwerte investiert werden müssten, hofft Clausen.
Trotz der Krise ist die Pipeline für neue Deals gut gefüllt. Huth von Roland Berger spricht „von rund 15 bis 20 größeren Prozessen unter Beteiligung von Finanzinvestoren, die schon in den Startlöchern in Europa stehen“.
Und Private Equity weltweit sitzt auf hohen Liquiditätsreserven von über einer Billion Dollar. Außerdem werden die besten Deals von Private-Equity-Fonds immer am Ende der Krisenzeiten gemacht. Da ergeben sich attraktive Investmentgelegenheiten. Aber ob von den in Europa bereits angestoßenen Transaktionen „auch wirklich alle beginnen werden, ist eine Frage, die man heute nicht beantworten kann“, räumt Huth ein.
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