Robo-Advisor Digitale Anlagehelfer – Warum viele Robo-Advisor schlechte Noten bekommen

Das Zielvolumen für Liqid Real Estate wurde mit 30 Millionen Euro angegeben.
Frankfurt Wenn die Gründer digitaler Vermögensverwalter ihr Geschäftsmodell vorstellen, darf eine Aussage nie fehlen: „Wir wollen die Geldanlage demokratisieren.“ Aus einer Dienstleistung, die bisher den Reichen vorbehalten war, wollen die sogenannten Robo-Advisor ein Produkt für jedermann machen.
Ein hehrer Anspruch – der offenbar selten erfüllt wird. Besonders Kunden ohne Erfahrung an den Finanzmärkten werden bei vielen Anbietern überfordert, zeigt eine Studie des Beratungshauses Fonds Consult, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Die Untersuchung des Robo-Advisor-Markts offenbart auch: Die digitalen Geldverwalter wachsen vor allem, wenn sie einen starken Vertrieb haben – und nicht durch die Qualität ihres Angebots.
Es ist die Entzauberung einer aufstrebenden Branche. Schon jetzt kämpfen in diesem noch jungen Markt viele Anbieter um zu wenig Kapital: So gibt es in Deutschland rund 30 digitale Geldverwalter. Die ersten sind 2013 gestartet. Sie setzen auf automatisierte Prozesse – mindestens bei der Kundenansprache, teils auch bei der Depotsteuerung – und nutzen meist günstige Indexfonds (ETFs). Die US-Vorbilder Betterment und Wealthfront sind 2008 und 2011 gestartet und verwalten mit diesem Konzept bereits ein Vermögen von mehr als 25 Milliarden Dollar. Doch in Deutschland managen die Robos bisher gerade mal rund 2,6 Milliarden Euro.
Der bislang erfolgreichste Robo-Advisor in Deutschland ist Scalable Capital. Bis Mai vergangenen Jahres haben Anleger den Münchenern, die 2016 gestartet sind, eine Milliarde Euro anvertraut. Gemäß den veröffentlichten Daten liegt die Comdirect mit 400 Millionen Euro auf Platz zwei, gefolgt von Liqid mit 300 Millionen und Quirion mit 160 Millionen. Whitebox verwaltet nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag, die Deutsche Bank sieht ihr Angebot „Robin“ in den Top 5.
Trägheit im System
Die Unternehmensberatung Oliver Wyman hatte dem deutschen Markt im Sommer 2017 ein Wachstum auf bis zu 3,2 bis 4,3 Milliarden Euro zum Ende 2018 zugetraut. „Die drei Milliarden Euro wurden knapp verfehlt“, sagt Matthias Hübner, Partner bei Oliver Wyman. Eine Ursache sieht er in der negativen Marktentwicklung des vierten Quartals 2018.
Dazu kommt: „Kunden zu akquirieren ist mühsamer und teurer, als viele Anbieter dachten.“ Nach Schätzungen aus der Branche wird nur jeder 40. Interessent tatsächlich Kunde. „Klassische Vermögensverwaltung ist in Deutschland reines Empfehlungsgeschäft“, erklärt Harald Braml von Fonds Consult – es gebe eine enorme Trägheit im System.
Robos zielten auf einen Nischenmarkt, sagt Hübner: Kunden, die offen für den Kapitalmarkt und digitalaffin sind, aber bei der Anlage Hilfe wünschen. „Bisher haben sie vor allem solche Anleger erreicht, die bereits Erfahrung mit Wertpapieren haben und etwas Verantwortung abgeben wollen.“
Um besser zu wachsen, suchen sich die Robos starke Vertriebspartner. Das Paradebeispiel ist die Kooperation von Scalable Capital mit der Direktbank ING. Doch die Kundenbasis allein reicht nicht. „Auch die Robo-Advisor der Banken wachsen oft eher langsam“, sagt Hübner. „Ohne Werbung funktioniert es auch bei ihnen nicht, sie müssen ihre Kunden gezielt auf das Produkt ansprechen.“
Die Quirin Bank etwa hat die Kundenzahl ihres Robos Quirion 2018 mehr als verdoppelt. Bankchef Karl Matthäus Schmidt begründet dies unter anderem mit Investitionen ins Marketing. Um Robo-Advisor zum Massenphänomen zu machen, müssen strukturelle Probleme behoben werden. Fonds Consult sieht eine Menge: zu wenig Hilfe bei der Einschätzung der Risikobereitschaft, teils zu hohe Gebühren und fehlende Transparenz.
In die qualitative Analyse wurden 25 Anbieter einbezogen, in die quantitative Analyse nur zehn, unter anderem weil nicht alle den entsprechenden Fragebogen ausfüllten. Rund ein Viertel der Robos fiel mit seiner Kundeneinstufung negativ auf. So bemängelt Fonds Consult, dass häufig die Risikotragfähigkeit der Anleger geprüft werde, nachdem die Maschine bereits eine Anlagestrategie vorgeschlagen habe.
Auch könnten Anleger mitunter ihr Risikoprofil bestimmen, ohne dass der Anbieter die Angaben prüft. Auch Andreas Oehler, Finanzprofessor der Universität Bamberg, sieht bei der Kundeneinstufung Probleme: „In den vergangenen Jahren sind die Fragen der digitalen Anbieter schon detaillierter geworden. Was meist noch vollständig fehlt, sind aber Fragen nach dem bestehenden Anlageportfolio – Depots, Kontoguthaben, Lebensversicherungen oder auch Immobilien.“
Qualitätskriterium Gebühren
Zu den wichtigsten Qualitätskriterien zählt Fonds Consult auch die Gebühren: Teure Strategien führten in sechs Fällen zur Abwertung. Knapp die Hälfte der Anbieter fiel aber mit günstigen Konditionen auf. Die gesamten Kosten schwanken zwischen 0,49 Prozent im Jahr bei Weltinvest bis zu über zwei Prozent jährlich bei Truevest. Das günstigste Drittel verlangt weniger als ein Prozent im Jahr, die teuersten 30 Prozent mehr als 1,6 Prozent.
Dabei zeigt sich: Vor Kosten schlagen die besten Robos über ein Jahr in allen vier gemessenen Strategien ihre Vergleichsindizes, nach Abzug der Gebühren schaffen sie es fast nie. Oehler sagt: „Für viele Anleger kann es kostengünstiger sein, mit weltweit breit streuenden ETFs selbst ein Portfolio zu bauen.“ In der Kategorie Transparenz wurde mehr als die Hälfte der Robos abgewertet, weil es an Übersicht über angebotene Strategien oder Kosten mangele.
Eine qualitativ insgesamt überdurchschnittliche Bewertung erhielten Werthstein, Fintego, Scalable Capital, Liqid, Vaamo, Growney, Wüstenrot und Warburg Navigator. In der quantitativen Analyse hat Fonds Consult die risikogewichtete Rendite vier typischer Anlagestrategien mit unterschiedlichen Aktien- und Anleiheanteilen verglichen. Dabei sind Ergebnisse über zwölf Monate bis September 2018 eingeflossen.
In der Gesamtwertung schneiden Fintego und Werthstein am besten ab. Testsieger Fintego ist Fonds Consult zufolge ein „echter“ Robo mit automatisiertem Anlageprozess. Er bietet fünf Strategien und „überzeugt qualitativ wie quantitativ“ mit einer Spitzenleistung, lobt Braml. Die konservative und die ausgewogene Strategie erreicht die Bestnote 1,0. Ähnlich gut war Werthstein.
Die Note „gut“ erreichen drei Anbieter. Scalable Capital erzielt mit seinem automatisierten Anlageprozess mit 23 Strategien eine Spitzennote im qualitativen Angebot. Quantitativ ist der Robo nur „knapp befriedigend“: Ein sehr striktes Risikomanagement, das Verlustgrenzen definiert, gehe zulasten der Rendite, sagt Braml. Im schwankungsstarken Jahr 2018 seien früh Aktien abgebaut worden, sagt er.
Die Rendite sei in den letzten beiden Jahren niedrig gewesen. Erik Podzuweit, Co-Gründer von Scalable Capital, räumt ein: „In Seitwärtsmärkten mit kurzfristigem Auf und Ab tut sich unser Algorithmus schwer.“ Bei länger anhaltenden Trends funktioniere die Strategie aber sehr gut.
Ebenfalls die Note 1,9 erhält der Robo Ginmon, der halbautomatisiert in zehn Strategien investiert und regelmäßig umschichtet, um die definierten Wertpapierquoten zu halten. Das Risikomanagement führe zu einem durchgehend überdurchschnittlichen Ergebnis, bei der Rendite ragten die aktienlastigeren Strategien heraus, sagt Braml.
Ganz anders geht dagegen Solidvest, das digitale Angebot des Vermögensverwalters DJE, vor: Hier wird mit Einzelwerten in vier Strategien investiert. Die Rendite ist überdurchschnittlich, die Risikoseite etwa in der konservativen Strategie habe schwächer abgeschnitten, meint Braml. Die Kosten sind mit bis zu 1,5 Prozent des Vermögens relativ hoch.
Zwei Robos sind laut Fonds Consult nur „ausreichend“: Der „Bevestor“ der Sparkassen-Fondstochter Deka erreicht mit acht Anlagestrategien sowie je einem manuellen und einem halb-automatisierten Anlageprozess die Note 2,5. Braml lobt die „Flexibilität in der Auswahl der Anlagestrategien und der Risikomanagementoptionen“.
Aber die manuelle Strategie fällt mit einer „sehr schwachen“ Rendite in der defensiven Strategie von 0,35 Prozent über zwölf Monate auf. Die Dekabank führt dafür das schwierige Marktumfeld an und betont die Option auf eine Zusatzabsicherung des Depots. Auch moniert Braml hohe Kosten von bis zu 2,1 Prozent. Enttäuschend auf ganzer Linie schneidet die Comdirect-Tochter Cominvest ab: schwache Renditen bei hohen Wertschwankungen, bemängelt Braml. Die Erklärungen zu den Risiken fand er „schwammig“. Michael Bußhaus, der bei der Comdirect den Wertpapierhandel leitet, hält dagegen, dass fünf Fragen gestellt würden, „die zur stufenweisen Risikoprofilierung beitragen“. Zur Performance sagt er: „Aufgrund von Trendfolge-Indikatoren haben wir 2018 von Aufwärtsphasen stark profitiert, aber zugleich in schwächeren Phasen verloren“. Im Herbst sei die Strategie angepasst worden.
Nichts für Anfänger
Fazit: Allein anhand der Selbstdarstellung der Robos auf ihren Internetseiten können angehende Kunden kaum beurteilen, welcher der richtige für sie ist. Für unerfahrene Anleger können nach Einschätzung von Fonds Consult insbesondere solche Anbieter problematisch sein, die zu viel Spielraum bei der Risikoeinschätzung lassen.
Ähnlich äußert sich auch Finanzprofessor Oehler: „Das Geschäftsmodell der Robo-Advisor passt zur Internetaffinität mancher Privatinvestoren. Es setzt aber erhebliche Erfahrung bei der Geldanlage voraus, anstatt einer breiten Anlegerschicht einfachen Zugang zu Anlagen am Kapitalmarkt zu verschaffen.“
Die Studie ergibt, dass nicht diejenigen Robos die besten sind, die das meiste Kundengeld anziehen. Fürs Überleben zählt aber genau das. Um für einen größeren Kundenkreis relevant zu werden, empfiehlt Hübner den Robos hybride Modelle: „Wenn die Kommunikation nur über das Internet läuft, schreckt das viele Anleger ab. Die Anbieter benötigen mindestens einen guten Telefonservice, helfen können auch Informationsveranstaltungen, auf denen sie mit Kunden in Kontakt treten.
Klar scheint aber auch: Der deutsche Markt ist nicht groß genug für 20 oder gar 30 Anbieter. Im vergangenen Jahr wurden bereits die Plattformen von Werthstein und Sina, der Robo-Advisor von Santander, vom Markt genommen. Der Frankfurter Anbieter Vaamo wurde vom britischen Konkurrenten Moneyfarm übernommen.
Und die Bereinigung dürfte sich fortsetzen. „Einige Start-ups werden sich mit der Anschlussfinanzierung schwertun, und die Zahl der möglichen Partnerschaften mit Banken und Sparkassen ist auch begrenzt“, sagt Berater Hübner. Langfristig erwartet er, dass sich nur zwei oder drei Anbieter mit einer eigenen Marke durchsetzen und ebenso viele als Technologieanbieter für Dritte bestehen.
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