Serie - Investieren in die Zukunft Am Forscherdrang der Biotechs verdienen

Die Biotechnologie zählt zu den innovativsten Branchen. Mehr als 600 Biotech-Firmen sind an den Börsen in den USA und Europa notiert.
Frankfurt Hohe Risiken, große Innovationschancen – in keiner Branche sind diese Merkmale so eng verwoben und ausgeprägt wie in der Biotechnologie. Viele Experten schätzen den Sektor daher weiterhin als attraktives Feld für Zukunftsinvestitionen.
Anleger sollten dabei jedoch im Auge behalten, dass die Branche in den letzten Jahren bereits einen enormen Boom erlebte. Der Nasdaq-Biotech-Index (NBI) als wichtigster Gradmesser stieg von Anfang 2010 bis Mitte 2015 um fast 400 Prozent auf 4.000, bevor er auf 3.000 Punkte zurückfiel. Aber selbst auf dem aktuellen Niveau haben Biotech-Aktien in den letzten sieben Jahren fast doppelt so stark zugelegt wie die Technologiebörse Nasdaq insgesamt und liegen etwa 150 Prozentpunkte besser als der S&P 500.
Nach einer Analyse der Ratingagentur Scope aller in Deutschland zum Vertrieb zugelassenen Fonds hat in den vergangenen fünf und zehn Jahren keine Branche so gut abgeschnitten wie die Biotechnologie. Die untersuchten Fonds legten im Schnitt jährlich um 20,9 Prozent beziehungsweise 11,9 Prozent zu. Bis Ende April liegen die 19 Biotech-Fonds in diesem Jahr 10,2 Prozent im Plus – das ist Rang 20 von 181 Vergleichsgruppen. Insgesamt verwalten die Biotech-Fonds ein Vermögen von 7,8 Milliarden Euro.
Die starke Performance ist kein Zufall. Hinter dem Boom stehen substanzielle Forschungserfolge, etwa in der Krebs- oder der Hepatitis-Therapie, sowie starkes Wachstum bei den großen, im Pharmageschäft etablierten Biotech-Firmen. Die Top fünf der Branche – die US-Konzerne Gilead, Amgen, Biogen, Celgene und Regeneron – haben ihre Erlöse in den letzten sechs Jahren in der Summe mehr als verdoppelt und ihren Gewinn mehr als verdreifacht. Insbesondere in der Pharmazeutik ist Biotech heute maßgeblicher Innovationstreiber. Biotechnisch produzierte Medikamente erzielen etwa ein Drittel der Pharmaumsätze, und Biotechfirmen waren zuletzt an mehr als jeder zweiten Neuentwicklung beteiligt.
Die Bewertungen sind aus Sicht von Branchenkennern daher nicht überzogen. Tazio Storni, Fondsmanager bei der Schweizer Pictet-Gruppe, geht davon aus, dass die Branche weiterhin mit vielen neuen Technologien und Produkten aufwarten kann: „Wir erwarten daher auch in den nächsten Jahren im Branchenschnitt zweistellige Umsatzzuwächse.“ Vor diesem Hintergrund betrachtet Storni die Bewertung von Biotech-Firmen auch weiter als attraktiv in Relation zum marktbreiten US-Index S&P 500. „Unternehmen wie Celgene, Regeneron und Amgen sehen wir nach wie vor sehr positiv.“
Die Biotechbranche umfasst Unternehmen, die ab Ende der 70er-Jahre gegründet wurden und deren Forschung und Produktion ganz oder überwiegend auf biotechnischen Verfahren basieren. Das Tätigkeitsfeld reicht von der Medikamentenentwicklung über Diagnostika bis hin zu Industrieprodukten wie Enzymen für die Lebensmittelindustrie und Agrochemie. Auf dieses Feld der „weißen“ Biotechnologie hat sich zum Beispiel die Darmstädter Firma Brain konzentriert. Der Schwerpunkt der Branche liegt aber klar im Medizinbereich.
Riesige Auswahl
Anlegern bietet sich die Auswahl unter mehr als 600 gelisteten Biotech-Firmen in den USA und Europa, darunter knapp zwei Dutzend deutsche Unternehmen wie Evotec, Medigene und Morphosys. Die Anzahl der börsennotierten Biotech-Firmen wächst dabei Scope zufolge nur wenig, obwohl es in den letzten Jahren insbesondere in den USA eine Welle an Börsengängen gab.
Diesen stehen aber zahlreiche Übernahmen von Biotech-Firmen durch Konkurrenten oder Big-Pharma-Konzernen gegenüber, mit zum Teil atemberaubenden Bewertungen. Auch dieser Trend beflügelt die Fantasie. Jüngstes Beispiel war die Übernahme der Schweizer Actelion. Für den Spezialisten für Lungenhochdruck-Medikamente legte der US-Konzern Johnson & Johnson stolze 30 Milliarden Dollar auf den Tisch.
Das entspricht gut dem Zwölffachen des Umsatzes und einem Kursaufschlag von rund 75 Prozent. Christian Suter, Aktienspezialist von UBS Asset Management, erwartet auch in den kommenden Jahren rege Fusionsaktivitäten. Denn die Produkt-Pipelines zahlreicher Biotechunternehmen seien gut gefüllt, mit vielen Medikamenten in der abschließenden dritten klinischen Phase. „Damit sind zahlreiche Biotech-Unternehmen attraktive Übernahmekandidaten auch für klassische Pharmaunternehmen“, so Suter.
Ähnlich vielfältig wie die Produktsortimente sind Ausrichtung und Entwicklungsstand der Biotech-Akteure. Es gibt reine Forschungsfirmen mit hochinnovativen Ansätzen, etwa Zelltherapien gegen Krebs wie im Fall Medigene. Daneben existieren Unternehmen, die sich vollständig oder parallel zur eigenen Produktentwicklung als Service- und Forschungspartner für Pharmakonzerne positionieren wie etwa die Hamburger Evotec oder die Münchener Morphosys. Hinzu kommen große Firmen, die wie Amgen und Gilead mit eigenen Produkten bereits voll im Pharmageschäft oder wie Qiagen in der Diagnostik etabliert sind.
Schwierige Entscheidung
Anleger müssen sich insofern entscheiden: Investieren sie eher in einen der großen Namen mit Milliardenumsätzen? Oder wagen sie es, auf kleinere Firmen zu wetten, die auf wenige oder nur ein einziges Produkt setzen? Wenn hier klinische Studien zum Erfolg führen, sind hohe Kursgewinne möglich. Im Falle von Fehlschlägen drohen aber auch heftige Einbußen.
Pictet-Fondsmanager Storni rät Anlegern daher, eher breit in den Sektor zu investieren als in Einzelaktien: „Vor allem kleine Firmen, die mit wenigen Wirkstoffen oder Medikamenten forschen, sind im Prinzip eine binäre Wette: Hat das Unternehmen bei klinischen Studien Erfolg, winken hohe Kursgewinne – oft von 80 Prozent oder mehr. Geht es im Zulassungsprozess dagegen nicht weiter, drohen Rücksetzer in ähnlicher Höhe.“
Weitaus breiter sind die Risiken bei den großen Biotechs wie Amgen, Gilead oder Celgene gestreut, die bereits mehrere Produkte auf dem Markt haben und sich dank üppiger Cashflows vielfältigere Forschungsaktivitäten leisten können. Sie agieren damit wie etablierte Pharmakonzerne, kämpfen aber auch mit den gleichen Problemen. Dazu gehören etwa Patentabläufe wie im Fall Amgen und die Herausforderung, die hohen Umsätze langfristig zu verteidigen.
Auch die politische Debatte um hohe Pharmapreise, die unter anderem von der US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton angeheizt wurde, strahlt deutlich auf sie aus und sorgte ab Herbst 2015 für zum Teil deutliche Kurskorrekturen.
Paradebeispiel für die Herausforderungen der Big Biotechs ist die kalifornische Firma Gilead, die dank erfolgreicher Hepatitis-Medikamente ihren Umsatz zwischen 2013 und 2015 auf mehr als 30 Milliarden Dollar verdreifachte, seither aber wegen wachsender Konkurrenz und Preisdrucks wieder schrumpft. Das wiede‧rum macht Investoren nervös. Für die Gilead-Aktie wird daher nur noch das Siebenfache des Gewinns gezahlt. Und das bedeutet: Gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis ist das größte Unternehmen der Biotech-Branche zugleich auch das billigste.
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