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Temasek-Chef Tan Chong Lee „Uns reizt der Mittelstand in Deutschland“

Der Europachef des Singapurer Staatsfonds ist auf „Perlensuche“ in Europa. Im Interview spricht er über sein großes Interesse an deutschen Unternehmen, die Strategie von Temasek und die politischen Gefahren für Investoren.
06.08.2017 - 18:01 Uhr Kommentieren
Der Manager ist derzeit häufig in Deutschland und sucht nach Perlen. Quelle: Bloomberg
Temasek-Europachef Tan Chong Lee

Der Manager ist derzeit häufig in Deutschland und sucht nach Perlen.

(Foto: Bloomberg)

Tan Chong Lee ist ein gefragter Mann. Als Europachef von Temasek hat er einen der attraktivsten Jobs des Staatsfonds. Mit seiner Erfahrung als Investmentbanker bei Bank of America Merrill Lynch und Goldman Sachs im Rücken geht er auf Perlensuche in Europa. Dazu will er Temasek bekannter machen. In dieser Mission trifft er sich auch mit dem Handelsblatt.
Herr Chong Lee, Sie haben bei Temasek eine steile Karriere gemacht. Gilt für Sie das Motto: „The sky is the limit“?
(lacht) Ich bin nahe dran. Spaß beiseite, angesichts der Mittel die wir verwalten, sind wir ein kleines Team, rund 700 Manager. Das sind nicht allzu viele, wenn man bedenkt, dass wir umgerechnet rund 200 Milliarden US-Dollar managen. Uns treibt ein Unternehmergeist an. Vor sechs Jahren, als ich zu Temasek kam, waren wir nur etwa 300 Professionals. Der Einzelne kann sich hier frei entfalten, das ist das Besondere an Temasek. Und wir alle durchlaufen eine internationale Karriere.

Sie selbst arbeiten in Singapur?
Ja, und ich komme alle zwei, drei Wochen nach Europa.

Müssen Sie künftig häufiger einfliegen? Deutschland ist doch sicherlich ein interessanter Markt für Sie.
Uns reizt der Mittelstand, den schauen wir uns besonders in Deutschland, aber auch in Norditalien und der Schweiz ganz genau an. Aber es ist eine echte Herausforderung, hier einen Zugang zu finden. Als langfristiger Investor nähern wir uns dem Mittelstand Schritt für Schritt. Wichtig sind da für uns die beratenden Gremien von Temasek ...

... die auch mit zwei prominenten Deutschen besetzt sind.
Ex-Allianz-Chef Michael Diekmann und der frühere Bosch-Topmanager Franz Fehrenbach beraten uns in strategischen Fragen und stellen ihr Expertenwissen zur Verfügung. Da wollen wir noch mehr tun.
Wollen Sie weitere deutsche Manager anheuern?
Ja, wir wollen Topmanager für uns gewinnen, die jüngst ihre aktive Laufbahn bei deutschen Konzernen beendet haben. Mit zwei Managern gibt es Gespräche in einem fortgeschrittenen Stadium. Wahrscheinlich können wir das noch 2017 bekanntgeben.

Haben Sie schon in hiesige Firmen investiert?
In das Spezialchemieunternehmen Evonik beispielsweise, aber diese Beteiligung haben wir schon wieder verkauft. Das ist unser Geschäftsmodell: Wir kaufen und verkaufen Anteile, wir managen unser eigenes Kapital, schließlich erhalten wir ja keine Zuschüsse vom Staat. Verkaufserlöse, Dividenden und Anleihen sind unsere drei Finanzierungsquellen. Aber im Mittelstand werben wir damit, dass wir nur eine Minderheitsbeteiligung erwerben wollen und dem bestehenden Management weiterhin freie Hand lassen.

Was wollen Sie mindestens investieren, wenn Sie ein passendes Unternehmen gefunden haben?
Die Untergrenze für unsere Beteiligungen liegt bei rund 100 Millionen Dollar. Bei Start-ups gehen wir auch runter, da kann es ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag sein. Besonders interessieren wir uns für die Branchen Konsumartikel, Industriegüter, Dienstleistungen für Unternehmen, Saatgut oder Landwirtschaft sowie Technologie und den Gesundheitsmarkt.

Wann kommt der erste Mittelstands-Deal?
Hoffentlich früher als später.

Zuletzt lag der Gesamtertrag für die Aktionäre, der sogenannte Total Shareholder Return, auf Zehnjahressicht nur bei vier Prozent. Der Aktienindex MSCI World hat dagegen 4,8 Prozent geschafft. Damit können Sie nicht zufrieden sein, oder?
Wir verstehen uns als langfristig orientierter Investor. Und wir sehen Asien als die Region mit den höchsten Wachstumsraten weltweit. Natürlich gibt es auch Rückschläge, und die Volatilität in der Welt hat zugenommen, was zu größeren Ausschlägen bei den Aktienkursen führt. Das spüren wir deutlich, da rund 60 Prozent unseres Portfolios börsennotiert ist.

Temasek investiert viel in die Infrastruktur des Stadtstaates. Entgeht Ihnen da nicht Rendite?
Nehmen Sie zum Beispiel den Hafenbetreiber PSA International. Er hat sehr gute Ergebnisse an Temasek abgeliefert. Aber man kann solche Investments nicht mit Internetunternehmen vergleichen, wo es hohe Kursgewinne gab. PSA ist ein Infrastrukturpapier, da zählen stetige Cashflows und stabile Einnahmen.

Haben Sie deutsche Automobilaktien im Bestand? Oder haben Sie sich von denen schon getrennt wegen des Dieselskandals?
Wir haben keine deutschen Automobilaktien im Bestand, aber wir sind generell kein großer Investor in der Automobilbranche.

Bieten sich hier nicht Einstiegskurse?
Vielleicht. Aber man muss zunächst abwarten, wie sich die negativen Schlagzeilen auswirken und was letztlich hängen bleibt. Ohnehin gibt es einen Push in Richtung Elektromobilität. Das ist ein Megatrend, da müssen wir uns als langfristige Investoren fragen, was heißt das für traditionelle Autobauer. Wir schauen uns beispielsweise Batteriehersteller an. In China haben wir uns am Elektrofahrzeughersteller NextEV beteiligt, weil wir glauben, dass das der größte Markt für diesen Antrieb werden wird. Wegen der Umweltverschmutzung werden Elektroautos immer wichtiger.

Könnte das Gütesiegel „made in Germany“ unter dem Dieselskandal leiden?
Ich glaube, dass die deutschen Markennamen auch in Zukunft sehr stark bleiben. Sie stehen weiterhin für hohe Zuverlässigkeit und Ingenieurskunst.

Deutsche Banken waren zuletzt wieder begehrt, die chinesische HNA stieg bei der Deutschen Bank ein und der Finanzinvestor Cerberus bei der Commerzbank. Kommt das auch für Sie infrage?
Heute ist die Bankenbranche unser größtes Einzelinvestment, darauf entfallen rund 25 Prozent unserer Anlagen. Viele andere Branchen, in die wir gerne investieren möchten, sind dagegen untergewichtet. Global schauen wir uns aber spezielle Bereiche der Finanzbranche sehr intensiv an. Fintechs, die im Zahlungsverkehr oder in der Kreditvergabe unter Privatpersonen unterwegs sind, interessieren uns sehr. In den USA sind es Technologie- und Biotechnologieunternehmen, die im Fokus stehen.

Temasek hält heute noch Anteile an chinesischen Großbanken. Es gibt Bedenken, die hohe Kreditvergabe in dem Land könnte die Weltwirtschaft schädigen. Treibt Sie das um?
Ein Großteil der Kreditvergabe in China fällt auf sogenannte Schattenbanken, die nicht reguliert sind. Wir sind dagegen in den beiden größten staatlichen Banken China Construction Bank und Industrial & Commercial Bank of China investiert. Die agieren sehr vorsichtig bei der Kreditvergabe.

Aber die unregulierte Kreditvergabe könnte sehr wohl die globale Wirtschaft beeinträchtigen, wenn es zu Ausfällen kommt.
Da lohnt sich ein Blick nach Japan, wo es schon sehr lange eine Verschuldung gibt, die höher als das Bruttoinlandsprodukt ist. Japan kann das durchhalten, weil es Schulden bei Inländern sind. In China sieht die Situation ähnlich aus. In der Asienkrise 1997/98 war das anders, da bekamen Unternehmen und Banken wegen ihrer hohen Auslandsschulden in Dollar große Probleme.

Die Bewertungen an den Weltbörsen sind sehr hoch. Nehmen Sie jetzt auch mal Kursgewinne mit, oder verlagern Sie Ihre Investments?
Natürlich machen wir uns Sorgen, und wir denken, dass das ein Ergebnis der lockeren Geldpolitik der Notenbanken ist. Das ist der Treibstoff für die hohen Bewertungen. Wir passen auf, welche Unternehmen verwundbar erscheinen, wenn die Zinsen wieder steigen. Beispielsweise analysieren wir sehr genau den Verschuldungsgrad. Die Frage ist doch: Was passiert mit den hohen Bewertungen, wenn die Europäische Zentralbank die Zinsen erhöht? Deshalb spielt für uns das Wachstumspotenzial jedes einzelnen Wertes eine große Rolle bei der Aktienauswahl. Gleichzeitig können wir es uns erlauben, längere Zeit eine hohe Kassenhaltung zu betreiben, um den richtigen Zeitpunkt für Investments abzuwarten.

Wie hoch ist Ihre Cash-Position heute?
Sie ist momentan hoch, aber wie hoch, das veröffentlichen wir nicht.

Sie haben neben börsennotierten Unternehmen auch Beteiligungen über Private-Equity-Fonds an Firmen. Weiten Sie diese aus?
Wir haben den Großteil des Geldes in Buy-out-Fonds investiert, die in Europa und in den USA nach Übernahmezielen suchen. Wir konzentrieren uns dabei auf die absoluten Top-Fonds, die über mehrere Wirtschaftszyklen hinweg gute Renditen erzielt haben. Hier bieten sich für uns auch gute Gelegenheiten, als Co-Investor mitzumischen ...

... sprich gemeinsam mit dem Private-Equity-Fonds direkt in ein Unternehmen zu investieren. Sind Kanadas Pensionsfonds Ihre Vorbilder, die stark als solche Co-Investoren unterwegs sind?
Ist es nicht eher umgekehrt? (lacht) Nein, sehen Sie, direkte Investments machen wir schon sehr lange, ebenso Engagements bei börsennotierten Gesellschaften. Das ist praktisch unsere DNA. Wir lassen aber die Finger von Mehrheitsbeteiligungen, Unternehmen wollen wir nicht beherrschen

Großanleger wie Sie schauen immer stärker auf die Umwelt- und Sozialverträglichkeit von Investments. Wird das Thema künftig noch wichtiger?
Das kann man gar nicht mehr getrennt sehen, das wird zur Selbstverständlichkeit.

Und was sind derzeit die größten Gefahren?
Die politischen Risiken etwa in Italien, die bekannten geopolitischen Risiken und die geldpolitischen Weichenstellungen – das alles müssen wir als globaler Vermögensverwalter im Blick behalten.

Herr Chong Lee, vielen Dank für das Interview.

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