Türkei Mutmaßlicher Millionenbetrug auf türkischer Kryptoplattform

Das von der Nachrichtenagentur Demirören freigegebene Foto soll Özer bei der Passkontrolle am Internationalen Flughafen Istanbul zeigen.
Istanbul Einen Tag vor seinem Verschwinden kündigte Faruk Özer an, er wollte die digitale Infrastruktur seiner Internetplattform modernisieren. Der Gründer von Thodex, nach eigenen Angaben die erste lizensierte Kryptoplattform in der Türkei, wolle dazu die Seite für „vier bis fünf Arbeitstage“ schließen. So lautetet seit Mittwoch die Ankündigung auf der Internetseite des Unternehmens.
Die Kryptobörse ist inzwischen tatsächlich nicht mehr abrufbar – und wird es wohl auch nie wieder sein. Faruk Özer soll sich übereinstimmenden Medienberichten zufolge mit Hunderten Millionen US-Dollar Anlegergeldern ins Ausland abgesetzt haben.
In der Türkei bahnt sich damit der bislang größte Anlegerbetrug im Zusammenhang mit sogenannten Kryptowährungen wie dem Bitcoin an.
Die Plattform zählt rund 400.000 Nutzer, auch aus dem Ausland. Es könnten also auch deutsche Kryptospekulanten von dem mutmaßlichen Betrug betroffen sein. Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf das weitgehend unregulierte Anlagefeld.
„Wir haben am Mittwoch eine rechtliche Beschwerde eingereicht“, sagte der türkische Anwalt Oguz Evren Kilic, der eine nicht spezifizierte Anzahl von Thodex-Benutzern vertritt, am Donnerstag der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Vermögenswerte sind verschwunden
Bei einer Anzahl aktiver Benutzer von insgesamt über 390.000 könnten Vermögenswerte „unwiederbringlich“ bleiben. Dabei könne es sich um Hunderte von Millionen Dollar handeln, sagte er. Ein Staatsanwalt in Istanbul habe außerdem eine Untersuchung eingeleitet, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Türkische Medien berichten, es könnten sogar bis zu zwei Milliarden US-Dollar verschwunden sein.
Auf Plattformen wie Thodex werden sogenannte Kryptowährungen wie Bitcoin oder Dogecoin getauscht. Diese Vermögenswerte existieren ausschließlich digital und haben in den vergangenen zwölf Monaten ihren Handelswert vervielfacht. Der Wert eines Bitcoins stieg binnen eines Jahres von 7000 auf zwischenzeitlich über 60.000 US-Dollar.
Kryptowährungen wie der Bitcoin erfreuen sich weltweit größerer Beliebtheit. Der Kurs des Bitcoins hat sich binnen eines Jahres auf einen Wert von 63.000 US-Dollar vervielfacht. Mit Coinbase ist die erste Handelsplattform für Kryptogeld an der Nasdaq notiert. Goldman-Sachs-Chef David Solomon sagte kürzlich dem Fernsehsender CNBC, er erwarte eine „Evolution“ rund um Bitcoin.
Dogecoin wurden 30 Prozent unter Wert gehandelt
Immer mehr Großunternehmen akzeptieren die Bezahlung ihrer Produkte mit Bitcoins, der bekanntesten Kryptowährung. Tesla zählt zu diesen Firmen. Auch die türkische Verkaufsagentur der britischen Luxusautomarke Rolls-Royce hatte erst vergangene Woche angekündigt, Bitcoins als Zahlungsmittel zu akzeptieren.
Thodex-Gründer Özer soll Anfang 30 sein und hat 2008 mit Koineks die erste Kryptoplattform in der Türkei gegründet. Später ging diese in seinem Folgeprojekt Thodex auf. Mitte März hatte Özer angekündigt, mit Dogecoins eine neue und schnell an Beliebtheit gewinnende Kryptowährung in seine Handelsplattform aufzunehmen. Damit wolle er die Anzahl der Nutzer auf der Plattform erhöhen.
Mitte April folgte dann der erste Schock. Am 17. April verzeichnete Thodex mit 1,3 Milliarden US-Dollar das höchste je gemessene Handelsvolumen auf der Seite. Darunter soll eine einzelne Dogecoin-Transaktion im Wert von einer halben Milliarde US-Dollar sein. Diese wurden zu 30 Prozent unter dem damaligen Marktpreis verkauft.
Die türkische Nachrichtenseite Habertürk veröffentlichte einen Screenshot von der öffentlich einsehbaren Transaktion. Demnach wurde ein Dogecoin am 17. April auf Thodex für 0,20 Dollar je Dogecoin-Einheit gehandelt, obwohl der Wert am selben Tag auf anderen Plattformen 0,30 Dollar betrug.
Türkei hat Kryptogeld als Zahlungsmittel verboten
Das Geschehen dürfte auch die Politik nicht kaltlassen. Erst vergangene Woche hatte die türkische Zentralbank TCMB ein Bezahlverbot mit Kryptowährungen erlassen. Das bedeutet, dass man mit Bitcoin und Co. keine Produkte mehr im Land kaufen kann. Gehandelt werden dürfen die digitalen Währungen dennoch weiterhin, bislang etwa auf der Plattform Thodex, bis diese nun mutwillig geschlossen wurde.
Gemäß der Verordnung dürfen Zahlungsdienstleister keine Geschäftsmodelle entwickeln, mit denen Krypto-Assets direkt oder indirekt für die Bereitstellung von Zahlungsdiensten und die Ausgabe von elektronischem Geld verwendet werden. Außerdem dürfen sie keine damit verbundenen Dienstleistungen erbringen. Der Besitz und auch die Spekulation mit Kryptogeldern bleibt dagegen erlaubt, die Bezahlung von Produkten mit Kryptowährung ist verboten.
Darüber hinaus dürfen Zahlungs- und E-Geld-Institute die Plattformen – die Handels-, Verwahrungs-, Transfer- oder Emissionsdienste für Krypto-Assets oder Geldtransfers anbieten – nicht vermitteln.
Medienberichte: Plattformbetreiber in Thailand oder Albanien
Das Bezahlverbot dürfte vermutlich nicht ausreichen. Die Anlageklasse ist weitgehend unreguliert, und das weltweit. Die türkische Regierung sollte „so bald wie möglich“ Maßnahmen ergreifen, sagte Cemil Ertem, leitender Wirtschaftsberater von Präsident Recep Tayyip Erdogan, am Donnerstag gegenüber Bloomberg. „In diesem Bereich drohen fatale Schneeballsysteme.“
Von Özer selbst fehlt bislang jede Spur. Den bisherigen Ermittlungen zufolge wurde er am Mittwochabend das letzte Mal am Flughafen Istanbul von einer Sicherheitskamera erfasst. In einigen Berichten heißt es, Özer habe sich nach Thailand abgesetzt, anderswo ist von Albanien die Rede.
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