Vermögensmanagement Der Aktienboom – Auch Versicherer gehen bei Geldanlagen höhere Risiken ein

Das Thema Nachhaltigkeit ist aus dem Anlageprozess nicht mehr wegzudenken und bekommt einen immer höheren Stellenwert bei den Chefanlagestrategen und Finanzvorständen.
Frankfurt. Auf der Suche nach auskömmlichen Renditen gehen die Versicherungsunternehmen weltweit stärker ins Risiko als in der Vergangenheit. In ihrer Anlagepolitik suchen sie fieberhaft nach Alternativen zu festverzinslichen Papieren und wenden sich dabei verstärkt Aktien und alternativen Anlagen wie etwa Beteiligungskapital und Infrastrukturfinanzierungen zu, geht aus einer Studie von Goldman Sachs Asset Management hervor.
Grundlage sind die repräsentativen Antworten von 286 Managern aus Versicherungsunternehmen, die insgesamt 13 Billionen Dollar verwalten.
„Weltweit wollen 34 Prozent der Versicherer ihre Risiken in der Anlagepolitik erhöhen, nur acht Prozent wollen sie reduzieren. Damit sind die Manager deutlich risikofreudiger als im vergangenen Jahr“, sagt Volker Anger, Leiter der deutschsprachigen Region im Insurance Asset Management bei Goldman Sachs. Die Versicherer in Asien und in den USA seien sogar noch etwas risikofreudiger als die Europäer, auch weil sie in der Pandemiebekämpfung und mit den Impfprogrammen weiter sind.
Bei den traditionellen Anlageklassen sehen die Assekuranz-Manager relativ wenig Bewegung. Fast die Hälfte der Befragten sieht die Rendite der zehnjährigen US-Staatanleihe in diesem Jahr zwischen 1,5 und 2,0 Prozent, beim S&P-500 dürfte der Spielraum für weitere Kursgewinne den Antworten zufolge nahezu ausgereizt sein. Man sei sich einig, dass die Bewertungen an der Börse schon sehr hoch sind, sagt Anger.
„Die immer neuen Rekorde bei den Aktienindizes sehe ich langsam kritisch. Gemessen am Shiller-KGV sind die Bewertungen aktuell auf dem zweithöchsten Stand seit 1850. Nur während der Dotcom-Blase war die Bewertung noch höher“, erklärt Werner Krämer, Senior Economic Analyst bei Lazard Asset Management. Man setze auf Qualitätsaktien – etwa aus dem Technologiesektor – mit kontinuierlich steigenden Gewinnen. „Das garantiert vor allem im Abschwung eine Outperformance. Beispiele sind etwa SAP und Alphabet“, ergänzt Krämer.
Staatsanleihen verlieren an Bedeutung in der Allokation
Vor dem Hintergrund niedriger Anleiherenditen und hoher Aktienbewertungen werden alternative Anlageklassen immer wichtiger – ein Trend, der sich in den vergangenen Jahren noch verfestigt hat. „In der Corona-Pandemie wurden die Cash-Bestände stark aufgestockt. Jetzt reduziert man die Kassenhaltung zugunsten von Private Equity, Private Debt oder Krediten für Infrastruktur“, beobachtet Anger von Goldman Sachs Asset Management.
Besondere Hoffnungen ruhen auf dem Markt für Private Equity – dort kaufen Beteiligungsfonds Unternehmen, die sie nach einer mehrjährigen Restrukturierung zu einem in der Regel höheren Preis weiterverkaufen. Hier rechnen sich die Anlagemanager der Versicherer laut der Studie die beste Performance aus, gefolgt von Aktien aus Schwellenländern und den USA.
Bei den Zinspapieren bauen die Versicherer die Bestände bei Staatsanleihen weiter ab, aufgestockt werden Schuldverschreibungen aus Schwellenländern und US-Unternehmensanleihen. „Im Rentenbereich bieten Papiere aus Skandinavien noch interessante Renditen, etwa dänische Pfandbriefe oder schwedische Unternehmensanleihen“, meint Stratege Krämer von Lazard Asset Management.
Die Sorgen wegen der Corona-Pandemie haben unter den Anlageexperten der Versicherer in diesem Jahr stark nachgelassen, vor allem wegen der zunehmenden Verfügbarkeit von Impfstoffen und der sich abzeichnenden Konjunkturerholung. So erwartet beispielsweise eine Mehrheit der Manager keine Rezession in den USA in den nächsten drei Jahren.
„Unter den makroökonomischen Risiken rangiert die Pandemie nur noch auf dem dritten Rang, am meisten Sorgen bereiten mögliche heftige Kursschwankungen bei Aktien und Anleihen“, erläutert Anger.
Spürbar zugenommen haben dagegen die Bedenken wegen der sich abzeichnenden höheren Inflation. „Die Rückkehr der Inflation beschäftigt die Assekuranzmanager 2021 stärker als in den Vorjahren. Über ein Drittel befürchtet steigende Teuerungsraten in den nächsten zwei bis drei Jahren. Allerdings gehen auch viele Marktteilnehmer davon aus, dass dies ein vorübergehender Effekt ist, der auch mit höheren Ölpreisen zu tun hat“, sagt Anger.
Nachhaltigkeit ist fester Bestandteil in der Anlagepolitik
Das Thema Nachhaltigkeit ist aus dem Anlageprozess nicht mehr wegzudenken und bekommt einen immer höheren Stellenwert bei den Chefanlagestrategen und Finanzvorständen.
Die ESG-Kriterien seien fester Bestandteil der Unternehmenskultur geworden, so Anger. Für 28 Prozent der befragten Manager in Europa hätten die sozialen und ökologischen Maßstäbe sowie die Grundsätze guter Unternehmensführung – diese drei Maßstäbe verbergen sich hinter dem Kürzel ESG – sogar Vorrang. Im Vorjahr sei das nur bei 19 Prozent das Topthema gewesen. Klimarisiken spielten vor allem bei den europäischen Investoren eine entscheidende Rolle.
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