Fondsmanager Jens Ehrhardt: „Die soliden Zeiten sind vorbei“
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Vermögensverwalter im InterviewFondsmanager Jens Ehrhardt: „Die soliden Zeiten sind vorbei“
Der bekannte Vermögensverwalter hält an seiner 16.000-Punkte-Prognose für den Dax fest. Im Interview spricht er über Chancen am Markt und seine Wette gegen Bundesanleihen.
Der gebürtige Hamburger ist seit einem halben Jahrhundert im Finanzgeschäft.
(Foto: Thomas Dashuber für Handelsblatt)
Frankfurt Nur sehr wenige Geldverwalter sind so lange im Geschäft wie Jens Ehrhardt. Seit einem halben Jahrhundert steuert der Gründer von DJE Kapital Kundendepots und Fonds. Die Coronakrise macht dem Aktien-Fan keine Angst. Im Gegenteil: Ehrhardt bleibt Optimist und hält sogar an seiner Dax-Prognose vom Anfang des Jahres fest, als die Pandemie hierzulande noch gar keine große Rolle spielte: Das Ziel sind 16.000 Punkte.
Eine große Rolle spielen dabei die gigantischen Rettungsprogramme von Notenbanken und Regierungen. Ehrhardt vermutet: „Die Notenbanken werden mit ihren Käufen die Aktien so nach oben treiben, wie sie es in den vergangenen Jahren mit den Anleihen bereits getan haben.“
Den europäischen Börsen traut er dabei zu, gegenüber den USA aufzuholen. Dass die Rally der US-Tech-Aktien langfristig endet, glaubt er allerdings nicht. „Für mich ist der Höhenflug kein Warnsignal. Diese Unternehmen wachsen kräftig, haben kaum Konkurrenten, und ihre Geschäfte werden teilweise durch die Pandemie noch befeuert.“ Gleichwohl könnten die bisherigen Favoriten eine Pause einlegen.
Bei deutschen Staatsanleihen rechnet Ehrhardt durch die teuren Rettungsprogramme wieder mit höheren Renditen: „Vielleicht sehen wir längerfristig wieder die ein Prozent bei den zehnjährigen Bunds, wenn es denn mit dem Konjunkturaufschwung klappt.“ Er hat deshalb mit seinen Anleihefonds auf fallende Bund-Kurse gesetzt, die sich immer entgegensetzt zu den Renditen entwickeln. Vom Kauf französischer Staatsanleihen rät Ehrhardt dagegen ab.
Im Anschluss an die Coronakrise glaubt der Fondsmanager, dass sich die Gesellschaft auf mehr Planwirtschaft einrichten muss: „Gesellschaftlich und politisch werden wir wohl mehr nach links rücken. Die soliden Zeiten sind vorbei.“
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Herr Ehrhardt, was sagen Sie zu dieser irren Börse? Erst ein Crash im März, und jetzt sind die Kurse wieder nahe ihren Hochs – als wäre nichts gewesen. Ich finde das auch erstaunlich. Ich war zur Jahreswende sehr vorsichtig, weil die Investoren zu optimistisch waren. Nach dem historischen Einschlag im März hätte es im Nachhinein heißen müssen: Buy in March.
Sie meinten kurz vor dem Einschlag, die Lage erinnere Sie an 1987, als die Aktienkurse an der Wall Street an einem Tag um 23 Prozent kollabierten, das aber nach wenigen Monaten ausgeglichen hatten. Aber jetzt ging es noch schneller. Das klappte natürlich nur, weil sich die Umstände mit den außergewöhnlichen Rettungsprogrammen für die Wirtschaft so dramatisch geändert haben.
Ein letzter Rückblick: Sie hatten vor dem Börseneinbruch ein Dax-Ziel von 16.000 Punkten für dieses Jahr ausgegeben, das schien kurzzeitig völlig aus der Zeit gefallen zu sein ... Weil der Dax im März bis auf fast 8000 Punkte wegsackte. Aber ich habe das Ziel nie aufgegeben. Und ich halte die Marke weiter für erreichbar. Die Börse denkt viele Monate voraus und könnte eine erwartete Wirtschaftserholung vorwegnehmen.
Nun brachen die Aktienmärkte am vergangenen Donnerstag ein, die Wall Street rund sechs Prozent. Ändert das etwas an Ihrem optimistischen Ausblick? Nein, manche Anleger waren wohl nur zu sorglos geworden. Das erkennt man zum Beispiel an den niedrigen Put-Call-Verhältnissen, was eine geringe Erwartung von Rückschlägen widerspiegelt. Ich halte die Abschläge am Donnerstag für eine rein technische und kurzfristige Marktreaktion.
Der Schlüssel für die Kurserholungen sind natürlich die gigantischen Rettungsprogramme von Notenbanken und Regierungen, die mit „Wumms“ aus der Krise führen sollen, wie es Finanzminister Olaf Scholz sagte. Es ist schon enorm, welche Summen da in die Hand genommen werden. Ich möchte vermuten: Die Notenbanken werden mit ihren Käufen die Aktien so nach oben treiben, wie sie es in den vergangenen Jahren mit den Anleihen bereits getan haben – spiegelbildlich fielen die Zinsen auf null oder darunter.
Und wo bleibt die Realwirtschaft? Der Konjunkturaufschwung wird verhalten bleiben. Die Menschen dürften mehr sparen und weniger konsumieren, etwa weniger fliegen.
Und wie geht das unglaubliche Schuldenexperiment aus? Wer kann das alles zurückzahlen? Es wird sicher nichts zurückgezahlt. Wir werden die Schulden vor uns herschieben. Die Anleihebestände bei den Notenbanken in den USA, in Europa und Japan könnte man umwidmen: in Papiere mit vielleicht 100-jähriger Laufzeit bei Tiefstkupons. Da würde wohl nichts passieren, glaube ich.
Bei solchen Schuldenexplosionen kommt immer die Frage nach künftiger Inflation. Das glaube ich hier kaum, oder es würde viele Jahre dauern. Güter sind nicht knapp, die Kapazitäten sind niedrig ausgelastet. Die Inflation wird also nicht durch die Decke schießen.
Vita Jens Ehrhardt
Der gebürtige Hamburger ist seit einem halben Jahrhundert im Finanzgeschäft. Er startete als Aktienanalyst und schreibt bis heute einen eigenen Börsenbrief. Seine Freizeit verbringt der 78-Jährige gerne auf dem Wasser, er ist passionierter Segler.
Ehrhardt gründete 1974 die DJE Kapital AG in München. Die unabhängige Vermögensverwaltung bietet eine Reihe von Investmentfonds an und betreut rund 12,5 Milliarden Euro Kapital. Es ist ein Family Business: Ehrhardt ist Vorstandsvorsitzender, Sohn Jan sein Stellvertreter.
Auf europäischer Ebene bekommen wir jetzt doch Euro-Bonds mit gemeinschaftlicher Staatenhaftung, auch wenn die nicht so heißen ... Das ist absolut richtig. Kanzlerin Angela Merkel hatte das früher ausgeschlossen. Aber jetzt sind die Corona-Bonds da, wenn auch nur in begrenztem Umfang. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire hatte das rhetorisch geschickt begründet mit dem Hinweis, in Viruszeiten könne man sich darüber keine Gedanken machen.
Was heißt das für Bundesanleihen, die bisher auch bei ausländischen Investoren wegen der soliden Staatsfinanzen als „sichere Häfen“ gefragt waren? Wird sich das ändern, müssten die Renditen steigen? Eigentlich schon. Vielleicht sehen wir längerfristig wieder die ein Prozent bei den zehnjährigen Bunds, wenn es denn mit dem Konjunkturaufschwung klappt. Jetzt rentieren Bunds mit minus 0,4 Prozent. Ich habe deshalb in unseren drei Anleihefonds auf fallende Bund-Kurse gesetzt.
Wie steht es um Anleihen aus Italien, dem Land, das wegen seiner hohen Staatsverschuldung häufig angefeindet wird? Ich sehe das anders. Italien muss für seine Staatsbonds mehr zahlen als Griechenland – das ist ein Witz. Das Zahlenverhältnis bei der Rendite für die Zehnjährigen: 1,5 zu 1,3 Prozent. Das Land zahlt auch mehr als Frankreich, obwohl es besser dasteht. Die französischen Zehnjährigen liegen jetzt bei null Prozent. Doch die Italiener haben eine geringere Neuverschuldung im Staatshaushalt und nur etwa ein Drittel der Unternehmensverschuldung.
Wie verhalten Sie sich da als Investor? Wir haben in unseren drei Anleihefonds etwa ein Zehntel des Kapitals in italienischen Anleihen. Französische Bonds würde ich nicht kaufen.
Wenn alle Dämme bei den Notenbanken und den Staaten gebrochen sind und das am Ende der Konjunktur hilft – würde dies ein Comeback Europas bedeuten? Vor allem gutes Wachstum stärkt Währungen. In den vergangenen Jahren profitierten insbesondere die Amerikaner, weil sie ihre Wirtschaft stimulierten. Das zog Auslandskapital an und beflügelte auch den Dollar. Jetzt gibt zum ersten Mal Deutschland Gas, ganz Europa macht den Umschwung. Außerdem ist die Gefahr gesunken, dass der Euro zerbricht.
Also werden die europäischen Börsen wiederbelebt? Sie könnten aufholen, nachdem sie über ein Jahrzehnt schlechter gelaufen sind als die Wall Street. In den USA fällt außerdem ein wichtiger Antriebsmotor der Vergangenheit aus: die extrem hohen Aktienrückkäufe. Da wird nicht mehr so viel kommen. In unseren Fonds haben wir die US-Anteile im Vergleich zu früheren Jahren auch gesenkt – das ist eine gute Entscheidung.
Aktien von Versicherungen wurden in der Krise zu sehr abgestraft.
In Sachen Wall Street war und ist das Topthema der Boom der Technologieaktien. Bleibt das so? Die Technologiebörse Nasdaq machte vor wenigen Tagen ein neues Hoch. Das sagt viel. Für mich ist der Höhenflug kein Warnsignal. Diese Unternehmen wachsen kräftig, haben kaum Konkurrenten, und ihre Geschäfte werden teilweise durch die Pandemie noch befeuert. Amazon ist ein gutes Beispiel. Und zur Jahrtausendwende, vor dem Crash der Internetaktien, waren diese Titel viel teurer als heute.
Der Trend bleibt uns demnach erhalten? Ja, mit Einschränkungen. Die bisherigen Favoriten könnten eine Pause machen. Das betrifft Aktien aus den Bereichen Technologie und Gesundheit, aber auch Gold. Dazu kommen die wachsenden Diskussionen über eine mögliche Zerschlagung der großen Tech-Konzerne. Das forderte Tesla-Gründer Elon Musk gerade mit Blick auf Amazon. Das würde natürlich die gute Stimmung in der Branche verhageln.
Die Gegenspieler der Wachstumstitel sind die sogenannten Value-Aktien. Dafür interessiert sich seit vielen Jahren kaum ein Investor. Möglicherweise können die in einer Pause der Tech-Titel wieder in den Blick rücken. Wir reden hier über die Bereiche Banken, Autos, Industrie. Da gibt es natürlich viele strukturelle Probleme, deshalb sind die Aktien preiswert.
Und Ihre Lieblingsbranche? Versicherungen, die Aktien wurden in der Krise zu sehr abgestraft.
Wenn Sie aus der Makroperspektive auf die Märkte und die Wirtschaft schauen: Werden wir jemals einen Weg zurück in das finden, was wir früher als Normalität empfanden? Der Weg zurück in die Normalität ist verbaut. Nur mit einem ständigen Ankurbeln kann man die Wirtschaft noch hoch halten. Wir sind verdammt zum Stimulieren, oder besser: zum Überstimulieren.
Müssten Sie dann nicht auch die Systemfrage stellen? Wie lange kann das gut gehen? Wir leben in einer Ära der Maximalstimulierung. Wir werden noch mehr Zinskontrollen erleben. Wir müssen uns insgesamt auf mehr Planwirtschaft einrichten. Gesellschaftlich und politisch werden wir wohl mehr nach links rücken. Die soliden Zeiten sind vorbei.
Wie steht der Anleger in so einer Welt da? Er müsste sich fast noch bedanken bei den Notenbanken, die den Kursaufschwung der Aktien möglich machen. So primitiv es klingt: Aktien bleiben die beste Anlage, es fehlen einfach die Alternativen.
2 Kommentare zu "Vermögensverwalter im Interview: Fondsmanager Jens Ehrhardt: „Die soliden Zeiten sind vorbei“"
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Herr Ivan Tomic
Ich würde ihm mein Geld nicht anvertrauen.
Herr Josef Berchtold
Fachleute wie er sehen auch klar, dass man die aufgelaufenen Schulden wird nicht zurückzahlen können. Er hätte auch sagen können, dass die Zentralbanken die Schulden auch ausbuchen könnten, würde man es zulassen. Dann würden die Welt-Schulden gehörig sinken. Geld, das aus dem Nichts geschöpft wurde, kann man ausbuchen. Niemand würde auch nur einen Cent verlieren. Es wird wohl noch etwas dauern, bis man diesen Schritt macht, am besten alle Staatsbanken gemeinsam und gleichzeitig, am 31.12. eines Jahres in der letzten Sekunde.
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Ich würde ihm mein Geld nicht anvertrauen.
Fachleute wie er sehen auch klar, dass man die aufgelaufenen Schulden wird nicht zurückzahlen können. Er hätte auch sagen können, dass die Zentralbanken die Schulden auch ausbuchen könnten, würde man es zulassen. Dann würden die Welt-Schulden gehörig sinken. Geld, das aus dem Nichts geschöpft wurde, kann man ausbuchen. Niemand würde auch nur einen Cent verlieren. Es wird wohl noch etwas dauern, bis man diesen Schritt macht, am besten alle Staatsbanken gemeinsam und gleichzeitig, am 31.12. eines Jahres in der letzten Sekunde.