Videospielehändler „Runde zwei. Wir haben aufgetankt“ – Reddit-Trader treiben Gamestop-Aktie an

Die Wetten auf Kursverluste bei Gamestop sind Hedgefonds teuer zu stehen gekommen.
Denver, Düsseldorf, Frankfurt Die Aktie des US-Videospielehändlers Gamestop sorgt erneut mit hohen Kurssprüngen für Aufsehen: „Runde zwei. Wir haben aufgetankt. Jetzt geht es auf zu Pluto“, polterte ein Nutzer des Reddit-Forums „Wall Street Bets“, das bereits bei dem ersten großen Kursanstieg der Gamestop-Aktie Ende Januar im Zentrum der Aufmerksamkeit stand.
Am Donnerstag war die Gamestop-Aktie wieder das bestimmende Thema im Reddit-Forum: Jeder dritte Kommentar dort beschäftigte sich mit dem Videospielehändler, zeigen Daten der Analyseseite Swaggystocks.
Von Warnungen bekannter Investoren lassen sich die Anleger offenbar nicht aufhalten. Charlie Munger, der langjährige Geschäftspartner der Investmentlegende Warren Buffett, sieht im derzeitigen Börsenumfeld Anzeichen einer Blasenbildung. Derzeit dominiere an den Aktienmärkten „eine Mentalität wie beim Pferderennen“, sagte der 97-Jährige am Mittwoch.
Dass Robinhood und andere Broker eine Kultur kreieren würden, die das schlichte Zocken mit Aktien fördert, sei „total dumm“ und „eine sehr gefährliche Art des Investierens“.
Am Donnerstag stieg die Gamestop-Aktie um rund 50 Prozent, nachdem sie im Handelsverlauf um bis zu hundert Prozent auf 184,54 Dollar gestiegen war. Am Mittwoch hatten die Papiere an der New Yorker Börse bereits 104 Prozent zugelegt und waren mit rund 92 Dollar aus dem Handel gegangen. Mehrmals wurde das Papier vom Handel ausgesetzt, eine Routinemaßnahme des Börsenbetreibers, um massive Kursbewegungen zu stoppen.
Auch am deutschen Aktienmarkt war das Papier am Donnerstag im Blick. Auf dem elektronischen Handelssystem Xetra hat sich die Aktie zeitweise mehr als verdreifacht. Die gehandelten Stückzahlen gingen auch bei der Handelsplattform Tradegate, die bei Privatanlegern beliebt ist, deutlich nach oben.
Was genau diese erneut ungewöhnlich großen Sprünge bei Gamestop ausgelöst hat, ist unklar. Am Dienstag teilte das Unternehmen mit, dass CFO Jim Bell seinen Posten am 26. März räumen werde. Gamestop habe mit der Suche nach einem Nachfolger begonnen. Sollte sich nicht rechtzeitig jemand finden, werde zunächst Chefbuchhalterin Diana Jajeh die Aufgaben übernehmen.
US-Medien berichteten, dass Bell auf Druck einflussreicher Anteilseigner seinen Rücktritt habe einreichen müssen, weil es Unstimmigkeiten über die Strategie gegeben habe.
Dabei soll Investor Ryan Cohen eine Schlüsselrolle gespielt haben, der im Januar einen Posten im Verwaltungsrat übernommen hatte. Er gilt vielen Spekulanten als Hoffnungsträger für ein Comeback des kriselnden Unternehmens, weil er bereits den Tierbedarfshändler Chewy erfolgreich umgekrempelt hatte.
Andere Zocker-Aktien sind ebenfalls gefragt
Auch andere Zocker-Aktien wie die des Kinobetreibers AMC Entertainment legten erneut zu. „Ich liebe euch Wall Street Bets. Morgen kaufe ich mir einen Lamborghini“, feierte ein Reddit-Nutzer. Er teilte ein Foto seines Depotauszugs, das zeigt: Vor einer Woche waren seine Papiere noch 27.000 Dollar wert, am Mittwochabend waren es dann 135.000 Dollar.
Anfang des Jahres waren die Papiere von Gamestop und Co. zum Spielball von Spekulanten geworden: Kleinanleger zwangen mit konzertierten Käufen Hedgefonds zur Auflösung von Wetten auf den Verfall des Gamestop-Kurses und brachten diese damit teils in Bedrängnis. Die Aktie erreichte zwischenzeitlich einen Kurs von knapp 483 Dollar, bevor sie wieder extrem einstürzte und bis zum Rücktritt des CFOs unter 50 Dollar notierte.
Für einige Kleinanleger, aber auch für Profis führte das zum Teil zu großen Verlusten. Hedgefonds, die auf fallende Kurse bei Gamestop und Co. gewettet hatten, wurden auf dem falschen Fuß erwischt.
Kursanstieg könnte erneut die Leerverkäufer treffen
Der Höhenflug der Aktie könnte erneut Probleme für die Shortseller bedeuten. Sie hatten sich nach den Kurskapriolen im Januar zwar deutlich zurückgezogen, sind zuletzt aber wieder aktiver geworden. So seien in der vergangenen Woche fast zwei Millionen Aktien geshortet worden, erklärte Analyst Ihor Dusaniwsky vom Finanzdatenanbieter S3 Partners.
Selbst während des Kurssprungs am Mittwoch seien die Wetten auf fallende Kurse noch erhöht worden. Zwar hätten zuletzt einige Shortseller ihre Shortpositionen geschlossen oder reduziert, dafür seien aber neue Shortseller eingestiegen, die bei der volatilen Aktie auf einen Rücksetzer hoffen.
Die aktuelle Rally der Gamestop-Aktie führt Dusaniwsky auf die wieder entfachte Nachfrage der Shortseller zurück sowie auf den Kauf von Call-Optionen – also Optionen auf den Kauf von Aktien zu einem vorher festgelegten Preis. Mit diesen können Anleger auf steigende Kurse bei einem Unternehmen setzen. Um sich abzusichern, müssen Banken, die solche Calls verkaufen, sich mit den entsprechenden Aktien eindecken, um sie vorrätig zu haben, wenn der Kunde seine Optionen einlöst.
Tweet sorgt für Diskussionen
Investor und Tesla-Bulle Gary Black kündigte am Donnerstag an, die Gamestop-Aktie shorten zu wollen, falls sich der Kursanstieg abflachen sollte. „Es gibt keine News bezüglich eines Deals oder irgendetwas anderes, was den Kursanstieg von über 200 Prozent erklären würde, seitdem Ryan Cohen ein Foto von einem McDonald’s-Eis mit einem Frosch-Emoji getweetet hat“, erklärte der frühere Investmentchef des Vermögensverwalters Janus Capital auf Twitter. Cohens Tweet hatte auf Reddit und anderen sozialen Medien für Diskussionen gesorgt.
Einige vermuten, Cohen wolle den Videospielehändler reparieren, genauso wie McDonald’s seine Eismaschinen reparieren musste. „Die Leute halten Ausschau nach Signalen“, gab Michael Pachter, Gamestop-Analyst von Wedbush Securities zu bedenken. „Ich weiß aber nicht, was das Eis zu bedeuten hat.“
Erst vergangene Woche sagten wichtige Beteiligte der Gamestop-Rally vor dem US-Kongress aus. Darunter war auch der Chef des Hedgefonds Melvin Capital, Gabriel Plotkin und der Chef des Neobrokers Robinhood, Vlad Tenev.
Politiker verfolgen Verhalten von Robinhood
Plotkins Fonds musste Milliarden an neuem Kapital einsammeln, weil er auf fallende Gamestop-Kurse gewettet hatte. Er kündigte an, künftig vorsichtiger mit den Strategien seines Fonds zu sein, vor allem wenn es um Wetten auf fallende Kurse gehe.
Politiker, Regulierer und Kunden werden genau verfolgen, wie sich Robinhood dieses Mal verhalten wird. Ende Januar hatte das Start-up aus dem Silicon Valley den Handel mit Gamestop und anderen Aktien einschränken müssen. Zeitweise konnten Nutzer ihre Papiere nur verkaufen.
Anschuldigungen, dass Robinhood damit den Hedgefonds zum Nachteil der Kunden geholfen haben soll, wies der Robinhood-Chef vor dem US-Kongress zurück. Tenev hatte vergangene Woche zudem versichert, nun besser auf solche Ereignisse vorbereitet zu sein. Das Start-up hatte in wenigen Tagen 3,4 Milliarden Dollar bei Investoren eingesammelt, um die Liquiditätsreserven zu stärken.
Hierzulande war der Berliner Neo-Broker Trade Republic in die Kritik geraten, weil er den Kauf von Gamestop- und fünf weiterer Aktien im Zuge technischer Probleme im Januar ebenfalls kurzzeitig beschränkt hatte. Eine Unternehmenssprecherin betonte am Donnerstag im Gespräch mit dem Handelsblatt, dass es sich dabei um einen temporären Vorfall gehandelt habe. Seitdem liefen die Systeme stabil.
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