Aktionärsprüfung Deutsche Bank im Visier der EZB

Der Chef der Deutschen Bank und der Chef der EZB bewegen die Finanzmärkte.
Frankfurt So viel Lob bekommt die Deutsche Bank nicht oft zu hören. In der vergangenen Woche rühmte der chinesische Mischkonzern HNA das größte heimische Geldhaus als „eine der besten Banken der Welt“ und stufte die eigene Beteiligung an dem Frankfurter Institut als „historische Chance“ ein.
Kein Zweifel, die Deutsche Bank ist wichtig für HNA, aber umgekehrt ist das Engagement der Chinesen auch für das Geldhaus extrem bedeutsam. Kaufte sich HNA doch in einer Zeit ein, in der die Bank gerade erst schwere Zweifel an den Märkten an ihrer Finanzkraft aus dem Weg geräumt hatte. Nur selten war der Vertrauensbeweis durch einen neuen Ankeraktionär so wertvoll wie in diesem Frühjahr, nur Monate nachdem die Deutsche Bank wegen einer drohenden Milliardenstrafe in den USA in eine tiefe Krise gerutscht war.
Jetzt will sich die Europäische Zentralbank (EZB) ansehen, wie viel Einfluss die Chinesen tatsächlich bei dem Geldhaus ausüben. Auch im Fall des zweiten Großaktionärs, der Herrscherfamilie des Scheichtums Katar, prüfen die Bankenaufseher der Notenbank nach Informationen aus Finanzkreisen, ob sie ein sogenanntes Inhaberkontrollverfahren einleiten sollen. Mit einem solchen Verfahren ermitteln die Aufseher die Zuverlässigkeit von einflussreichen Aktionären bei Banken und Versicherern.
Mittlerweile summiert sich die Beteiligung von HNA an der Deutschen Bank, die die Chinesen über die österreichische Vermögensverwaltung C-Quadrat verwalten, auf knapp unter zehn Prozent. Auf einen ähnlichen Anteil kommen Hamad bin Dschassim bin Dschaber Al Thani und weitere Mitglieder der Herrscherfamilie von Katar, die über zwei Holdings und Derivate zwischen acht und zehn Prozent der Bank kontrollieren.
Bei Beteiligungen von mehr als zehn Prozent schreibt die EU-Verordnung über „Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen“ ein Inhaberkontrollverfahren zwingend vor. Die Aufseher sind aber auch verpflichtet zu prüfen, ob es „eine andere Möglichkeit der Wahrnehmung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung dieses Unternehmens“ gibt. Diese Prüfung sei, wie es die Verordnung vorschreibt, Standard, heißt es aus Aufsichtskreisen, und auch andere Großaktionäre europäischer Banken hätten sie bereits über sich ergehen lassen müssen.
Ab wann der Einfluss einzelner Aktionäre auf die Geschäftsführung als „maßgeblich“ gilt, ist nicht genau definiert. Aber die paneuropäische Bankenaufsicht Eba hat eine Reihe von qualitativen Kriterien aufgelistet, darunter findet sich auch die Frage, ob die relevanten Anteilseigner einen eigenen Vertreter in den Aufsichtsrat entsenden. Genau das ist bei der Deutschen Bank seit der jüngsten Hauptversammlung Mitte Mai der Fall.
Neue Macht im Aufsichtsrat
Zum ersten Mal seit die Allianz in den neunziger Jahren rund fünf Prozent am mächtigsten heimischen Geldhaus hielt, sitzen wieder dominante Aktionäre im Kontrollgremium der Bank. Die Hauptversammlung wählte den Chef von C-Quadrat Alexander Schütz genauso in den Aufsichtsrat wie den Anwalt Stefan Simon, den Statthalter der Herrscherfamilie aus Katar. „Es ist völlig normal, dass Investoren mit einem Anteil von um die zehn Prozent einen Sitz im Kontrollgremium einfordern“, hieß es damals aus der Deutschen Bank.
Das sehen andere Großaktionäre zwar grundsätzlich ähnlich. Sie fragen sich aber auch, wie die neuen Anteilseigner ihren Einfluss im Kontrollgremium nutzen werden: Im Sinne aller Aktionäre, oder verfolgen sie ihre eigenen Interessen, machen vielleicht sogar gemeinsame Sache gegen die übrigen Anteilseigner? Und die Kritiker wollen wissen, wie viel Einblick die neuen Aufsichtsräte in die Interna der Bank bekommen.
Tatsächlich ist der Einfluss der beiden Großaktionäre nicht zu unterschätzen. Auf der diesjährigen Hauptversammlung der Deutschen Bank erschienen nur 42 Prozent der Anteilseigner, gegen Katar und HNA war also kaum eine Mehrheit möglich. Hans-Christoph Hirt vom Aktionärsberater Hermes EOS brachte seine Bedenken gegen diese Konstellation auf dem Aktionärstreffen vor: Im Prinzip spreche nichts dagegen, dass große Anteilseigner im Aufsichtsrat vertreten sind, aber für deren Qualifikation müssten dieselben Regeln gelten wie für alle anderen Mitglieder des Kontrollgremiums. Hirt forderte deshalb einen „robusten Prüfungsprozess“.
Ob jetzt die Aufseher der EZB für diesen Prüfungsprozess sorgen werden, ist unklar. Denn noch hat die Notenbank keine Entscheidung gefällt, ob sie wirklich in ein Inhaberkontrollverfahren einsteigen soll. Weder die EZB noch die deutsche Finanzaufsicht Bafin wollten die Informationen kommentieren. Das Gleiche gilt für die Deutsche Bank und Vertreter der Katarer und von HNA. Zuerst berichtete die „Süddeutsche Zeitung“, dass die Notenbank über eine Überprüfung der Großaktionäre nachdenke.
Eine solche Prüfung wäre nicht nur für die Deutsche Bank heikel, weil sowohl Katar als auch HNA in der Vergangenheit in turbulenten Zeiten zuverlässig den Kurs von Vorstandschef John Cryan und Aufsichtsratschef Paul Achleitner gestützt haben. Ein formelles Inhaberkontrollverfahren wäre auch für die Bankenaufseher ein politischer Balanceakt. Katar steht derzeit politisch massiv unter Druck. Vier seiner Nachbarstaaten, allen voran Saudi-Arabien, werfen dem Emirat vor, Terrororganisationen zu unterstützen und zu enge Kontakte zu Iran zu pflegen, und haben Katar deshalb wirtschaftlich isoliert.
HNA ist eines der chinesischen Unternehmen, die im Ausland mit Milliardensummen auf Einkaufstour gehen und von der Regierung in Peking deshalb kritisch beäugt werden. Allein im vergangenen Jahr erwarb HNA, die aus einer regionalen Fluggesellschaft hervorgegangen war, Firmen und Unternehmensanteile für 20 Milliarden Dollar. Zuletzt hatte die kommunistische Regierung klargemacht, dass sie härter gegen Spekulanten vorgehen und die Risiken im Finanzsystem eindämmen will. Deshalb überprüft die chinesische Bankenaufsicht derzeit die Kreditvergabe an große Konglomerate wie HNA. Aus dem Umfeld des chinesischen Konzerns heißt es, dass bislang nichts von einer möglichen Prüfung durch die EZB bekannt sei. Dafür gebe es auch keinen Anlass, die Spekulationen um ein Inhaberkontrollverfahren seien „befremdlich“.
China untersucht Kredite
Bei einem solchen Verfahren untersuchen die Aufseher vor allem die Bonität der Großaktionäre, woher die Mittel für ihre Investitionen kommen, und ob die Anteilseigner im Notfall in der Lage sind, Kapital nachzuschießen. Aber die Kontrolleure nehmen auch die Schlüssigkeit der Geschäftsstrategie unter die Lupe und überprüfen, ob Vorstrafen und sonstige kriminelle Verwicklungen gegen eine Beteiligung sprechen. Fällt die Prüfung negativ aus, kann die EZB den Aktionären ihre Stimmrechte entziehen.
Diese Eignungsprüfung kann sich hinziehen und ist mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden. Als der chinesische Konzern Fosun die Münchener Privatbank Hauck & Aufhäuser schlucken wollte, zog sich das Inhaberkontrollverfahren über anderthalb Jahre hin. Zwar haben sowohl HNA als auch die Katarer bei der jüngsten acht Milliarden Euro schweren Kapitalerhöhung der Deutschen Bank mitgezogen, aber beide Großaktionäre achteten sorgsam darauf, dass sie die Beteiligungsschwelle von zehn Prozent nicht überschreiten.
Aus Kreisen der Bundesregierung waren bislang eher wohlwollende Signale zum Engagement aus Katar und China bei der Deutschen Bank gekommen. Schließlich stabilisierten die Ankeraktionäre das Geldhaus in einer schwierigen Zeit. Am Montag wollte das Finanzministerium keinen Kommentar zur Frage abgeben, ob HNA ein geeigneter Großaktionär für die Bank ist. Aber eigentlich hat Felix Hufeld, der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, die Antwort bereits gegeben. Die Beteiligung des Konzerns sei „eine positive Geschichte“, gab Hufeld im vergangenen Jahr zu Protokoll.
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