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Auftakt im Euribor-Prozess Staatsanwalt vergleicht Banker mit Pferdewetten-Betrügern

Im Londoner Euribor-Prozess wird den Angeklagten jahrelanger Betrug beim Festlegen des Referenzzinssatzes der Euro-Zone vorgeworfen.
11.04.2018 - 20:26 Uhr Kommentieren
Die Manipulationsskandale um die Referenz-Zinssätze Libor und Euribor werden derzeit vor Gericht verhandelt. Quelle: dapd
Londoner Finanzdistrikt

Die Manipulationsskandale um die Referenz-Zinssätze Libor und Euribor werden derzeit vor Gericht verhandelt.

(Foto: dapd)

London Fußball, Roulette, Pferdewetten, sogar Cricket – der Staatsanwalt James Waddington ließ am Mittwoch nichts unversucht, um den zwölf Geschworenen im Londoner Euribor-Prozess die komplexe Welt der Referenzzinsen näherzubringen. Man werde sich im Verlauf des Prozesses auch mit den technischen Details von Zins-Swaps befassen, sagte er in seinem Eingangsplädoyer.

Doch letztlich sei es wie beim Cricket: Die Australier besäßen schon die besten Angreifer der Welt, und doch hätten sie neulich in Kapstadt den Ball regelwidrig mit Sandpapier bearbeitet, um sich einen Vorteil zu verschaffen.

Auch beim Festlegen des Referenzzinssatzes der Euro-Zone (Euribor) habe es jahrelang Betrügereien gegeben, sagte Waddington. „Sie werden von Menschen hören, die das System zu ihren Gunsten manipuliert haben, um viele Menschen abzuzocken, mit denen sie Geschäfte gemacht haben.“

Auf der Anklagebank hinter Waddington saßen vier Angeklagte: drei ehemalige Mitarbeiter der britischen Großbank Barclays und ein Managing Director der Deutschen Bank. Sie sollen Teil einer Gruppe von Bankern sein, die zwischen 2005 und 2009 den Euribor zum Vorteil ihrer Arbeitgeber manipuliert haben. Alle haben auf nicht schuldig plädiert.

Ursprünglich waren es elf Angeklagte, doch vier Deutsche und zwei Franzosen haben sich der britischen Justiz entzogen und sind in ihren Heimatländern geblieben. Der Prozess ist auf drei Monate angesetzt. Am Ende werden die Geschworenen entscheiden, ob und wie lange die Banker ins Gefängnis müssen. Die Bandbreite in den bisherigen Prozessen zu Zinsmanipulationen reicht von Freispruch bis zu 14 Jahren Haft.

„Dieser Fall dreht sich um das Verhalten zweier Männer“, sagte der Staatsanwalt. Christian Bittar und Philippe Moryoussef, der eine war Derivatehändler bei der Deutschen Bank, der andere bei Barclays. Die beiden Franzosen seien alte Freunde, sagte Waddington.

Sie hätten andere Händler und Bankmitarbeiter überredet, bei der Zinsmanipulation mitzumachen. Bittar sei ein außerordentlich guter Trader gewesen. Doch das habe ihm nicht gereicht, er wollte immer noch mehr. Er habe bei der Deutschen Bank zwischen drei Millionen und 47 Millionen Euro jährlich verdient.

Keiner der beiden angeblichen Drahtzieher war im Gerichtssaal anwesend. Bittar hatte sich vor Prozessbeginn schuldig bekannt und sitzt bereits verurteilt im Gefängnis. Er wartet nur noch auf sein Strafmaß. Und Moryoussef hatte dem Gericht vor Kurzem mitgeteilt, dass er nicht erscheinen wird. Er bleibt in Frankreich und wehrt sich gegen eine Auslieferung. Über ihn wird nun in Abwesenheit geurteilt.

Der Staatsanwalt sagte, es gehe in dem Prozess nicht um die Frage, ob ein Verbrechen geschehen sei. Das sei bereits entschieden, weil Bittar sich schuldig bekannt habe. „Das Verbrechen in der Anklageschrift hat stattgefunden“, sagte er zu den zwölf Geschworenen. „Herr Bittar hat es begangen. Ihre Aufgabe ist es nun zu entscheiden, ob diese Angeklagten ebenfalls Teil dieser Verschwörung waren.“

Das zentrale Motiv aller Beteiligten sei Geld gewesen, sagte der Staatsanwaltschaft. „Ihre Jobs drehten sich um Geld und darum, wie man mehr Geld machen konnte.“ Ihre Leistung sei danach beurteilt worden, wie viel Geld sie für ihre Bank verdienten. So konnten sie ihren Bonus erhöhen. Das sei das Zeichen ihres Erfolgs gewesen. Weil das Handeln jedoch ein Nullsummenspiel sei, habe es für jeden Gewinner auch einen Verlierer gegeben.

Die Angeklagten unterteilen sich in zwei Gruppen: Die einen waren Händler, dazu zählt neben den abwesenden Bittar und Moryoussef auch der frühere Barclays-Mann Carlo Palombo. Er ist der einzige Händler, der auf der Anklagebank sitzt. Die anderen drei auf der Anklagebank hatten laut Staatsanwaltschaft früher eine andere Aufgabe: Sie meldeten jeden Tag die Zinsempfehlungen ihrer Bank an die zentrale Euribor-Stelle.

Der Euribor wird jeden Arbeitstag um 11 Uhr festgelegt. Er legt fest, zu welchem Zinssatz sich Banken untereinander Geld leihen. An diesen Referenzzins sind weltweit Finanzprodukte in Billionenhöhe gekoppelt. Zu dem im Prozess behandelten Zeitraum reichten 48 Banken ihre Zinsempfehlungen ein, daraus wurde ein Durchschnittswert ermittelt.

Das Netzwerk von Bittar und Moryoussef soll nun Absprachen getroffen haben, welcher Zins von einzelnen Banken gemeldet wurde. „Sie wollten die Zinsrate ein wenig in die gewünschte Richtung bewegen, um ihr Handelsrisiko zu verringern“, sagte Waddington. „Wir reden über winzige Bewegungen“, aber bei Milliardenpositionen könnten schon kleine Änderungen der Zinsrate große Gewinne bedeuten.

Mit ihrem Betrug hätten die Angeklagten das Vertrauen in den Euribor ausgehöhlt, sagte Waddington. Der Referenzzins sollte dem Finanzsektor dienen. Stattdessen hätten die Angeklagten ihn zu ihrem eigenen Vorteil genutzt.

Im Lauf des Prozesses will die Staatsanwaltschaft mit Telefonmitschnitten, Chatnachrichten und E-Mails belegen, wie die Absprachen gelaufen sind. Sie zeigten, wie die Angeklagten planten und sich hinterher beglückwünschten, sagte Waddington. Die Äußerungen seien letztlich wie ein Geständnis. „Keiner der Angeklagten kann seinen Worten ausweichen. Es gibt sie schwarz auf weiß und auf Tonband.“

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