Auslandsbanken Furcht vor Kreditausfällen: So geht es den Banken in Griechenland, Italien und Spanien

Die italienische Großbank verzichtete als erste auf die Ausschüttung der Dividende für 2019.
Athen, Rom, Madrid Nirgendwo in Europa wütet die Corona-Pandemie furchtbarer als in Italien und Spanien. Rund 208.000 bestätigte Infektionen melden die Behörden, 21.535 Menschen sind dort bereits an Covid-19 gestorben – fast die Hälfte aller weltweit registrierten Todesfälle.
In Griechenland verläuft die Kurve bisher mit 1415 festgestellten Infektionen und 50 Toten viel flacher. Aber auch hier steht der Wirtschaftskreislauf still. Dem Land, das sich gerade erst von der schlimmsten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte erholt hat, steht ein Rückfall in die Rezession bevor.
Die Corona-Pandemie trifft die drei südeuropäischen Länder besonders hart: Sie sind in hohem Maße vom Tourismus abhängig, und ihre Volkswirtschaften sind von kleinen und mittelgroßen Unternehmen geprägt. Vielen von ihnen fehlt es an Kapital und Liquidität. Für die Banken in Südeuropa bedeutet das eine besondere Herausforderung.
Die Gewinne von 2019 sind an der Börse verbrannt. Das Plus in Milliardenhöhe durch die gesunkenen Risikoaufschläge, die mit der europafreundlichen Regierung seit September gekommen waren, ist verpufft. Und jetzt kommt dazu die Mitteilung an die Aktionäre, dass die Dividende nicht ausgezahlt wird.
Härter könnte die Banken in Italien die Coronakrise nicht treffen. An der Mailänder Börse gehören die Institute täglich zu den Verlierern. Seit Jahresbeginn haben sie rund die Hälfte ihres Wertes verloren.
Italien: Drohende Insolvenzen
Die Banken in Italien seien mehr unter Druck als andere wegen ihrer durchschnittlich niedrigen Rentabilität und wegen ihrer großen Verbindlichkeiten auf dem heimischen Markt und als Kreditgeber für kleine und mittlere Unternehmen, schreiben die Analysten von Goldman Sachs. Sie beobachten die sechs größten Banken des Landes, darunter die beiden Großbanken Unicredit und Intesa Sanpaolo. Den Gesamtverlust im Zuge der Coronakrise schätzen die Analysten bis 2023 auf fünf Milliarden Euro.
Auch das chronische Problem, die notleidenden Kredite, kommt zurück. Dabei waren sie nach Angaben der Notenbank von 345 Milliarden Euro brutto im Jahr 2015 auf 140 Milliarden im vergangenen Jahr abgebaut worden. Ende 2019 betrug ihr Anteil an der Gesamtbilanz rund acht Prozent.
Das ist den Ratingagenturen immer noch zu viel. Der Wert liege signifikant über dem Europa-Durchschnitt von vier Prozent, heißt es bei Fitch. Und die Zahl könnte erneut hochgehen: „Ein durch die außerordentlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus hervorgerufener Abschwung der italienischen Wirtschaft kann neue notleidende Kredite hervorbringen und die Anzahl der bestehenden wieder ansteigen lassen“, warnen die Analysten Francesca Vasciminno und Christian Scarafia.
Genau danach sieht es aus, auch wenn Zahlen noch fehlen. Seit fast zwei Wochen steht in Italien die Produktion still. Der Industrieverband spricht von Ausfällen in Milliardenhöhe. Viele Unternehmen werden sich davon nicht erholen können. Insolvenzen und Kreditausfälle zeichnen sich ab.
Unicredit war die erste Bank, die auf den Appell der EZB reagierte, auf die Ausschüttung der Dividende für 2019 zu verzichten. Vorgesehen waren 63 Cent je Aktie. Außerdem wird das Aktienrückkaufprogramm über bis zu 467 Millionen Euro bis Oktober verschoben. Eigentlich sah der Strategieplan von Bankchef Jean-Pierre Mustier vor, dass die Renditen für die Anleger durch Dividendenzahlungen und Rückkäufe steigen, nachdem die Pläne für eine grenzüberschreitende Fusion zurückgestellt worden waren. Doch das war vor Corona.
Intesa Sanpaolo zog nach und erklärte am Dienstag, die Dividende in Höhe von 19,2 Cent je Aktie werde gestrichen, der gesamte Nettogewinn über 4,3 Milliarden Euro von 2019 werde stattdessen in die Reserven übertragen.
Die Übernahme der UBI Banca im Volumen von 4,9 Milliarden Euro, die Intesa kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Italien angegangen war, soll aber weiterverfolgt werden. Bankchef Carlo Messina erklärte, die Fusion sei sogar noch wichtiger geworden, weil dadurch Einsparungen einfacher würden und mehr Geld für die Deckung von Kreditausfällen zur Verfügung stehe.
Nach Ansicht des Brokerhauses Equita ist es mit einem Aufschieben der Dividende nicht getan, sie sollte komplett gestrichen werden. Denn für die börsennotierten Banken gehe es insgesamt um 5,7 Milliarden Euro – „eine Summe, die das Eigenkapital verstärkt“.
Spanien: Hoffen auf Erholung
Die spanische Regierung hat ein Hilfspaket von rund 200 Milliarden Euro aufgelegt. Mit 100 Milliarden Euro besteht das Gros aus staatlichen Kreditgarantien. Dabei garantiert der Staat nicht den kompletten Betrag, sondern je nach Unternehmensgröße und Kreditart zwischen 60 und 80 Prozent. Für die jeweils fehlenden Anteile müssen die Banken aufkommen, wenn es zu einem Zahlungsausfall kommt.
Ziel ist es, dem Markt genügend Liquidität zur Verfügung zu stellen, damit alle Unternehmen auch ohne Einnahmen ihre Rechnungen begleichen und eine Insolvenz vermeiden können. Gleichwohl wird das nicht in allen Fällen klappen. Experten gehen davon aus, dass gerade die spanische Wirtschaft wegen ihrer starken Abhängigkeit vom Tourismus und des volatilen Arbeitsmarkts stärker unter der Coronakrise leiden wird als andere Länder.
Goldman Sachs etwa rechnet damit, dass die spanische Wirtschaft in diesem Jahr um 9,7 Prozent schrumpft. Die Prognose berücksichtigt damit noch nicht den inzwischen verordneten Shutdown der spanischen Wirtschaft. Die Ratingagenturen Moody‘s und Fitch haben ihren Ausblick noch vor dem Shutdown gesenkt.
Moody‘s reduzierte ihn für das spanische Bankensystem insgesamt von stabil auf negativ. Als Begründung nennen die Analysten den erwarteten Konjunktureinbruch. „Wir erwarten, dass dadurch die Arbeitslosigkeit und die problematischen Kredite steigen werden und sich die nachhaltige Verbesserung, die es bei den Vermögenswerten seit 2014 gegeben hat, umkehren wird“, heißt es. „Gleichzeitig wird eine Kombination aus einem schwächeren Kreditwachstum, stockender Geschäftstätigkeit und steigenden Wertberichtigungen die Profitabilität der Banken belasten.“
Auch die Analysten der Investmentbank UBS erwarten, dass die Banken, die vor allem in Spanien tätig sind – wie das drittgrößte heimische Institut Caixabank, Banco Sabadell oder die teilstaatliche Bankia –, dieses Jahr kaum Nettogewinne erzielen werden.
Allerdings trifft die Krise die spanischen Geldhäuser grundsätzlich in einer guten Verfassung. Nachdem 2007 die Immobilienblase geplatzt war, hat sich die Branche nachhaltig saniert, Dutzende kleine Sparkassen sind vom Markt verschwunden. Die verbleibenden Institute haben ihre notleidenden Kredite abgebaut, im Februar lagen sie bei 4,79 Prozent.
Die Liquiditätsquote der spanischen Banken liegt ebenso wie das harte Kernkapital deutlich über dem gesetzlich vorgeschriebenen Minimum. „Spanische Banken gehen aus einer starken Position heraus in die Krise“, sagt Marco Troiano von der Ratingagentur Scope.
Ähnlich äußerte sich auch der spanische Zentralbankchef Pablo Hernández de Cos. Die Banken „sind besser kapitalisiert und haben einen wichtigen Prozess zur Bereinigung ihrer Bilanzen durchgeführt“, erklärte er. Damit hätten sie eine gute Ausgangsposition, um zur raschen Erholung der Wirtschaft beizutragen.
„Anders als in der Krise 2008/2009, als die Banken als Ursprung des Problems angesehen wurden, haben die Regierungen jetzt ein großes Interesse daran, den Banken zu helfen“, sagt Troiano. „Alle wissen: Wenn die Wirtschaft weniger leiden und in der Lage sein soll, sich zu erholen, dann müssen die Banken Kredite vergeben können. Sie werden dieses Mal als Teil der politischen Lösung gesehen.“
Damit die Banken über genügend Kapital verfügen, hat die EZB sie aufgefordert, ihre Dividendenzahlungen zumindest bis Oktober aufzuschieben. Einige spanische Institute haben ihre Dividenden angepasst, andere bleiben bei der Auszahlung.
Zudem setzen die Banken auf Gesten des guten Willens. Die BBVA-Spitze verzichtet 2020 auf ihre variable Vergütung. Santander-Chefin Ana Botín halbierte ihr Gehalt sowie das ihres CEOs; nicht exekutive Direktoren erhalten 20 Prozent weniger. Die Gruppe will außerdem ihre Bonuspolitik überprüfen, „damit das Maximum an benötigten Mitteln auf die Unterstützung der Kunden ausgerichtet ist“, heißt es bei Santander.
Griechenland: Viele Altlasten
Die Coronakrise trifft Griechenlands Banken in einer heiklen Phase. Im vergangenen Jahr schrieben die vier systemrelevanten Institute zwar schwarze Zahlen, aber ihre Rentabilität ist schwach. Denn noch immer kämpft die Finanzbranche mit den Folgen der griechischen Schuldenkrise. Sie hat die Banken ausgezehrt.
Die Geldinstitute verloren fast die Hälfte ihrer Einnahmen und mussten dreimal mit Staatshilfen rekapitalisiert werden. Das schwerste Erbe: Aktuell werden 37 Prozent der ausgereichten Darlehen seit 90 Tagen oder länger nicht mehr bedient oder gelten als ausfallgefährdet.
Beim Abbau der Problemkredite waren die Banken in den vergangenen Jahren bereits gut vorangekommen: Mit Verkäufen, Abschreibungen und Umschuldungen konnten sie die Summe der notleidenden Forderungen von 107,2 Milliarden Euro im Jahr 2016 bis Ende 2019 auf 68 Milliarden herunterfahren. Bis Ende 2021 wollten die Banken die Quote unter 20 Prozent drücken und damit gegenüber dem heutigen Stand halbieren.
Aber diese Planung ist in Gefahr. Denn jetzt ändern sich die Rahmenbedingungen dramatisch. Statt eines Wachstums von 2,8 Prozent erwartet Finanzminister Christos Staikouras für 2020 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um drei Prozent. Andere Prognosen gehen sogar in eine Größenordnung von minus fünf bis 15 Prozent. Für die Banken bedeutet das neue Kreditrisiken. Finanzexperten rechnen mit Ausfällen von rund zehn Milliarden Euro.
„Die Banken spüren bereits erste Auswirkungen“, berichtet Jakob Suwalski, Griechenlandanalyst bei Scope: „Kunden stehen unter Cashflow-Druck und fragen nach Überbrückungsfinanzierungen und höheren Kreditrahmen.“ Je länger der Shutdown in Europa dauere, desto größer würden die Herausforderungen für die Banken.
Unternehmen, Arbeitnehmer und Selbstständige, die von Geschäftsschließungen betroffen sind, können die Tilgung ihrer Kredite für drei bis sechs Monate aussetzen. Der Staat übernimmt zwar für die tilgungsfreien Monate die Zahlung der Zinsen. Wie die spätere Zahlung der ausstehenden Raten geregelt wird, ist aber noch unklar.
Der Aufschub schmälert die Liquidität der Banken. Zugleich kann er aber auch helfen, Schuldner zu retten, die in den nächsten Monaten um ihre Existenz kämpfen müssen. Am schwersten trifft die Coronakrise Gastronomie, Tourismus und Einzelhandel. „Wir hoffen, dass die meisten Unternehmen vom Herbst an wieder in der Lage sind, ihre Kredite zu bedienen“, erklärt ein Athener Banker.
Doch sicher ist das nicht. Griechenlands Wirtschaft wird von kleinen und mittelgroßen Unternehmen dominiert. 50 Prozent der Betriebe haben weniger als 20 Beschäftigte. Viele von ihnen haben nur eine dünne Kapitaldecke und wenig Liquidität. Auf die Banken kommen deshalb in nächster Zeit schwere Entscheidungen zu, meint Griechenlandexperte Suwalski: Welches Unternehmen ist nur illiquide wegen Corona, aber grundsätzlich überlebensfähig? Und welches wird ‚abgeschaltet‘?
Noch liegt die Kernkapitalquote der griechischen Banken mit 16,5 Prozent im Branchendurchschnitt deutlich über den Mindestanforderungen. Neue Kreditausfälle könnten die Kapitalisierung der Banken allerdings schwächen. Bereits beschlossene regulatorische Maßnahmen der Europäischen Bankenaufsicht wie die Lockerung bei den Rückstellungen für Forderungsrisiken verschaffen den Instituten zwar Luft.
Ob die Erleichterungen ausreichen, um die Kapitalisierung der Banken zu sichern, vermag heute aber noch niemand zu sagen. Scope-Analyst Suwalski schließt nicht aus, dass es für die Banken nationale oder europäische Stützungsmaßnahmen geben muss.
Mehr: Deutsche Bank diskutiert einen Bonusverzicht des Vorstands für 2020.
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