Banco Santander Eine Königin an Effizienz

Die Familie leitet das Institut inzwischen in der vierten Generation.
Madrid Der Firmensitz in Boadilla del Monte vor den Toren Madrids weckt nicht gerade die Assoziation von Sparsamkeit: Ein riesiger Golfplatz ziert das Gelände, jüngst zum siebtbesten Spaniens gekürt. 150 Hektar umfasst das Firmenareal, das 400 Olivenbäume zieren – der älteste ist 1200 Jahre alt. Es war der Lieblingsbaum des 2014 verstorbenen Santander-Chefs Emilio Botín, der zwischen den arabischen und italienischen Oliven gerne spazieren ging und darüber hinaus ein begeisterter Golfspieler war. Das Firmengelände, das er 2002 bauen ließ, wirkt mehr wie ein Robinson Club als der Sitz einer Bank.
Doch der Eindruck des Dolce Vita täuscht: Banco Santander ist europaweit ein Vorbild in Sachen Effizienz. Die Spanier geben 48 Cent aus, um einen Euro zu verdienen. Von einem solchen Verhältnis, im Fachjargon Cost Income Ratio genannt, können andere nur träumen: Bei der Deutschen Bank liegt es mit 89 doppelt so hoch, die nach Bilanzsumme 50 größten europäischen Banken wenden im Schnitt 65 Cent je Euro auf.
Mit ihrem Fokus auf dem Privatkundengeschäft, das zwei Drittel des Gewinns liefert, navigierte Santander zudem ohne Rettungsgeld durch die Finanz- und spanische Wirtschaftskrise und erzielte Quartal für Quartal Gewinne.
Strikte Kostendisziplin
Das Nettoergebnis der Spanier lag 2015 mit 5,9 Milliarden Euro zwar 34 Prozent unter dem Wert von 2007, dem Jahr vor der Finanzkrise. Der Gewinn der 50 größten Banken in Europa ist aber noch stärker eingebrochen, im Mittel um 40 Prozent. Auch bei der Eigenkapitalrendite liegt Santander vorn.
Die Erklärung liegt in der breiten geografischen Aufstellung der Spanier, ihren hohen Marktanteilen in allen Ländern sowie einer strikten Kostendisziplin.
Das Profil hat Emilio Botín dem Institut verpasst. Der Golf- und Olivenfan, der Santander seit 1986 leitete, hat durch Übernahmen aus einer spanischen Regionalbank die nach Marktkapitalisierung größte Bank der Euro-Zone geformt. Der Name Botín ist eng mit Santander verbunden: Seit dem plötzlichen Herztod ihres Vaters leitet Ana Botín die Bank – in vierter Generation.
Das Institut wurde 1857 in der nordspanischen Hafenstadt Santander gegründet, um den Seehandel zwischen Spanien und den damaligen Kolonien in Südamerika zu finanzieren. Zwar gehörte kein Botín zu den Gründern, aber ihre Ära begann 1920, als der erste, Emilio Botín, die Führung übernahm. Danach wechselten die Chefs, aber seit 1950 leiteten stets „Los Botín“ die Bank.
Die Einkaufsliste des dritten Botín, der wie Vater und Großvater Emilio hieß, erstreckte sich von Europa über Südamerika bis in die USA. „Bisher hat Santander alle Zukäufe effizient und erfolgreich integriert“, sagt Marco Troiano von der Ratingagentur Scope Ratings. Ein wichtiger Grund: Die Spanier tauschen bei allen Übernahmen die IT-Systeme aus, so dass weltweit alle Töchter mit demselben System arbeiten. Andere Konzerne kämpfen jahrelang mit parallelen Systemen.
Auch den Kundenberatern erleichtert das System das Leben: Auf dem Bildschirm erscheinen alle Produkte eines Kunden bei der Bank – „DNA“ heißt das Portal bezeichnenderweise.
Anders als Wettbewerber hat sich Santander zudem auf zehn Kernmärkte fokussiert. „Wenn wir es nicht schaffen, in einem Land zehn bis 15 Prozent Marktanteil zu erzielen, verkaufen wir unsere Anteile dort wieder“, heißt es. So hat sich die Bank etwa 2011 von Kolumbien getrennt. „Diese Skalenvorteile sind der wichtigste Grund für unsere hohe Effizienz“, heißt es bei Santander, die weltweit 117 Millionen Kunden hat. Konkurrenten wie HSBC definieren dagegen 20 Länder als „vorrangige Wachstumsmärkte“.
Darüber hinaus profitieren die Spanier von ihrer guten Position in Brasilien. „Dort sind wir die einzige ausländische Bank im Land, deshalb kommen internationale Unternehmen meist zu uns“, heißt es bei Santander.
Daheim setzt Santander den Rotstift an
Allein in Brasilien erzielt die Bank ein Fünftel ihres Gewinns. Die Einnahmen sind trotz der Rezession dort weiter hoch. Der Grund: In Schwellenländern verleihen Banken weniger Geld für Hypotheken und mehr für private Konsumentenkredite. „Das sind kurzfristigere, risikoreichere Kredite, für die Banken einen entsprechend hohen Zinssatz verlangen“, erklärt Scope-Ratingexperte Troiano. Santander weist aktuell in Brasilien für Privatkunden einen Aufschlag von 9,8 Prozent auf den Leitzins von 14 Prozent aus. Das heißt, Brasilianer zahlen rund 25 Prozent Zinsen für einen Kredit.
Allerdings ist das Ausfallrisiko auch viel höher. „Santander muss in Brasilien deutlich mehr Rückstellungen für faule Kredite bilden“, so Troiano. „Aber die spiegeln sich nicht in der Cost Income Ratio wider.“
Die Bank wendet in Brasilien 40 Cent auf, um einen Euro zu verdienen, während es in Spanien 54 Cent sind. Doch Santander setzt zu Hause schon den Rotstift an: Die Bank schließt 450 der 3500 Filialen und streicht 1380 Stellen. Die Effizienzquote in Spanien soll bis 2018 auf 50 sinken.
„Santander hat das Personal immer schnell den Umständen angepasst“, sagt Jorge Soley von der Business School IESE in Barcelona, „darin sind sie rigoros.“ Auch die Führungstruppe bleibt nicht verschont: Ana Botín hat gleich nach Amtsantritt ein Drittel der organisatorischen Einheiten gestrichen und so auch die Personalkosten in der Topetage um ein Drittel gesenkt. Jüngst strich sie den obersten Führungskräften zudem den Chauffeur.

Firmenareal auf 150 Hektar.
Sie will die Kosten bis 2018 um drei Milliarden Euro senken. Statt weiter zuzukaufen, kämpft sie nun dafür, die Kennzahlen zu verbessern. Die wichtige Effizienzquote lag konzernweit zeitweise bei prächtigen 40 Prozent. Botín will sie bis 2018 von aktuell 48 auf 45 Prozent senken. Das Ziel, die effizienteste Bank zu sein, habe schon immer zur Unternehmenskultur gehört, heißt es in Bodilla del Monte. „Zu Santander gehört eine Kultur der schnellen Entscheidungen, flachen Hierarchien und hoher Eigenverantwortung“, sagt Manuel Romera von der Business School Instituto de Empresa. „Andere Banken sind komplexer, und es dauert länger, bis sie Entscheidungen fällen.“
Gefahren sehen Experten in steigenden Regulierungsanforderungen, die der Bank etwa bei der Kernkapitalquote Probleme bereiten könnten, die mit zehn Prozent im Konkurrenzvergleich niedrig ist, sowie in einer anhaltenden Rezession in Brasilien.
Obwohl „Los Botín“ nach Angaben von Santander nie mehr als fünf Prozent der Anteile besessen haben, hat ihr erfolgreiches Management dafür gesorgt, dass der Chefposten in Familienhand blieb. In Investorenkreisen heißt es zwar, man sei mit der Stabübergabe an die Tochter alles andere als glücklich gewesen. Ana Botín habe aber gleich die inhaltlichen Sorgen der Investoren angepackt und etwa das Kapital erhöht. „Deshalb sind wir jetzt zuversichtlicher“, sagt ein Investor. Auch andere Experten sind positiv gestimmt: Finanzjournalisten wählten Ana Botín gerade zum „European Banker of the year 2015“.
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