Banken „Corona wird gehen, die Negativzinsen bleiben“: Einlagenflut wird zur Belastung für Sparkassen

Die Institute haben Unternehmen und Selbstständigen neue Kredite in Höhe von 106 Milliarden Euro zugesagt – gut 14 Prozent mehr als im Vorjahr.
Frankfurt Das Einsammeln von Einlagen gehört seit über 200 Jahren zum Wesenskern der Sparkassen. Doch dass die öffentlich-rechtlichen Institute im Corona-Jahr 2020 mit Geldern förmlich überflutet wurden, wird für die Sparkassen angesichts der Negativzinsen zunehmend zum Problem.
„Wir freuen uns über diesen Vertrauensbeweis – und gleichzeitig nimmt uns diese heftige liebevolle Umarmung zunehmend betriebswirtschaftlich die Luft zum Atmen“, sagte Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis am Mittwoch bei der Vorstellung der Jahresbilanz.
Die Zeiten, in denen die Sparkassen mit den Einlagen im Zinsgeschäft gutes Geld verdienen können, seien leider vorbei, sagte Schleweis. „Sie kosten real Geld.“
Die Nachfrage nach Krediten kann mit dem Einlagenwachstum schon länger nicht mehr mithalten. Zudem wird es für die Institute immer schwieriger, überschüssige Mittel sicher und rentierlich anzulegen.
Die Dimensionen, um die es dabei im öffentlich-rechtlichen Finanzsektor geht, sind gewaltig. Im vergangenen Jahr sammelten die 372 Sparkassen Einlagen in Höhe von 79 Milliarden Euro ein - ein neuer Rekord. Das gesamte Einlagevolumen überschritt damit die Schwelle von einer Billion Euro.
Aus Sicht von Schleweis sind Negativzinsen für die Sparkassen eine größere Belastung als die Coronakrise: „Corona wird irgendwann gehen, die Niedrigst- oder sogar Negativzinsen aber bleiben.“ Der Zinsüberschuss - die Haupteinnahmequelle der Institute - werde deshalb weiter zurückgehen. „Die Sparkassen müssen da gegensteuern: durch Einsparungen, durch mehr Provisionsgeschäft und unter Umständen auch durch Konditionenanpassungen.“
Das bedeutet, dass Sparkassenkunden sich auf höhere Gebühren einstellen müssen – und auch darauf, dass weitere Geldhäuser die Freigrenzen bei der Berechnung von Minuszinsen senken.

Der DSGV-Präsident hat die undankbare Aufgabe, den Streit zwischen Sparkassen und Landesbanken über die Befüllung des neuen Sicherungstopfes zu moderieren.
Die Europäische Zentralbank (EZB) verlangt von den Geschäftsbanken einen Strafzins in Höhe von 0,5 Prozent für kurzfristige Einlagen. Er gilt oberhalb eines bestimmten Freibetrags. Zudem können sich Kreditinstitute auch zu Negativzinsen Geld bei der EZB leihen, was die Effekte teilweise ausgleicht.
Werden bestimmte Volumina überschritten, reichen viele Kreditinstitute die Negativzinsen an Firmenkunden sowie an vermögende Privatkunden weiter.
Laut DSGV haben die Sparkassen 2020 rund 120 Millionen Euro an Strafzinsen an die EZB gezahlt. Beim aktuellen Einlagenbestand würde sich diese Betrag nach Kalkulationen der Verbandes im laufenden Jahr verdoppelt.
Sparkassen sehen sich gewappnet für die Coronakrise
Die Notenbank zielt mit den Negativzinsen darauf ab, dass die Banken möglichst viele Kredite an Unternehmen und Verbraucher vergeben, um damit Investitionen und andere Ausgaben anzukurbeln. Das ist auch tatsächlich gelungen. Die deutschen Banken haben ihr Kreditgeschäft in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet.
Nach Einschätzung der Kreditinstitute verschärft sich die Situation, weil Kunden in der Coronakrise weniger konsumieren konnten und deshalb immer mehr Geld auf ihren Konten ansammelten. Einen Teil davon legen deutsche Sparer über Zinsplattformen wie Zinspilot und Weltsparen. Auch die inzwischen von der Bafin geschlossenen Greensill Bank sammelte auf diese Weise Hunderte von Millionen Euro ein.
Schleweis übte Kritik am Geschäftsmodell der Einlagenvermittler: „Wir sehen, dass diese Zinsportale, die ja auch keine Beratung beinhalten, durchaus problematisch sein können, wenn die Banken, die dahinterstehen, ein Problem bekommen.“ Er bezeichnete die Plattformen als „Trittbrettfahrer“, die letztlich davon profitieren würden, dass Gelder von Privatanlegern von der Einlagensicherung abgesichert seien.
Auch für den DSGV ist das Thema brisant, schließlich arbeiten einige Sparkassen ebenfalls mit Zinsplattformen zusammen, die bis vor kurzem noch Gelder an die Greensill Bank vermittelten. Schleweis will das Thema deshalb noch einmal intensiv unter die Lupe nehmen und ließ durchblicken, dass er eine ungefilterte Weiterleitung von Kunden kritisch sieht.
„Wenn wir irgendetwas anbieten, dann muss es den Sicherheitsstatus haben, wie es die Sparkasse auch anbietet“, sagte er. „Die Kunden kommen zu uns, weil sie Vertrauen haben und weil sie die Sicherheit schätzen.“
Operativ seien die Sparkassen „robust durch das Jahr 2020 gekommen“, sagte Schleweis. Das Ergebnis vor Steuern betrug 4,1 Milliarden Euro, 145 Millionen Euro weniger als im Jahr 2019. Dabei ist jedoch wichtig zu berücksichtigen, dass die Zuführung zu den Vorsorgereserven sich nur noch auf 2,7 Milliarden Euro belief – ein Jahr zuvor waren es noch mehr als vier Milliarden Euro.
Die Risikovorsorge im Kreditgeschäft verdoppelte sich auf 1,3 Milliarden Euro. Das sei weniger, als die Sparkassen ursprünglich selbst kalkuliert hatten, sagte Schleweis. „Natürlich wissen wir, dass 2021 und auch 2022 noch erhöhte Insolvenzzahlen und damit zusätzliche Kreditausfälle zu erwarten sind.“
Allerdings hätten die Sparkassen in den vergangenen Jahren bereits die Vorsorgereserven aufgestockt. „Damit wurde ein gutes Kapitalpolster geschaffen, mit dem die Sparkassen die Belastungen der nächsten Jahre bewältigen können.“
Mehr Kredite an Unternehmen und Selbstständige
Neben den Einlagen ist im vergangenen Jahr auch das Kreditvolumen deutlich gestiegen. Die Sparkassen sagten Unternehmen und Selbstständigen neue Kredite in Höhe von 106 Milliarden Euro zu – gut 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Insgesamt hätten die Sparkassen Hilfskredite der Staatsbank KfW im Volumen von 14 Milliarden Euro vergeben, dem lägen 46.400 bewilligte Anträge zugrunde.
Weiter vorantreiben will Schleweis die Konsolidierung der öffentlich-rechtlichen Spitzeninstitute. „Die Zusammenführung von Landesbanken in einem Sparkassenzentralinstitut war richtig, ist richtig und bleibt richtig“, sagte er. „Ich halte an diesem Ziel ohne Abstriche fest.“
In einem ersten Schritt sollen nach Vorstellungen von Schleweis die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) und der Fondsanbieter Deka zusammengehen. Beide Institute haben ihre Fusionsgespräche aufgrund von Corona allerdings auf Eis gelegt. In einer wirtschaftlichen Krise sei eine Fusion unmöglich, argumentiert Schleweis, weil Risiken derzeit sehr schwer abzuschätzen seien.
Aufbau eines Zentralinstituts
„Deshalb können wir das Vorhaben erst wieder aufnehmen, wenn die Risiken aus der Corona-Pandemie sicher abschätzbar sind“, sagte der DSGV-Präsident. „Sobald dies aber ausreichend kalkulierbar ist, müssen und werden wir das Vorhaben wieder aufgreifen.“
Schleweis machte jedoch deutlich, dass damit im laufenden Jahr nicht mehr zu rechnen ist. Er werde das Thema intern zwar weiter vorantreiben, sagte Schleweis. Er glaube jedoch nicht, dass es "in den nächsten anderthalb Jahre von mir Äußerungen zum Fortschritt dieses Vorgehens" geben werde.
Die meisten Sparkassen sind für eine Fusion von Deka und Helaba. Perspektivisch sollen sich an einem Zentralinstitut nach Schleweis“ Vorstellungen auch die NordLB aus Hannover, die BayernLB aus München, die LBBW aus Stuttgart und der Immobilienfinanzierer Berlin Hyp beteiligen.
Innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe gibt es gegen diese Pläne jedoch auch an vielen Ecken Widerstand. Das gilt auch für einige Bundesländer, die an ihren Landesbanken maßgeblich beteiligt sind und grünes Licht geben müssten.
Schleweis appellierte an alle Beteiligten, ihn zu unterstützen, den alleine könne er als DSGV-Präsident nichts bewirken. Erfolg haben könne das Projekt nur, wenn „die Sparkassen in allen Regionen das wollen, die Regionalverbände als Miteigner der Landesbanken es vorantreiben und die Bundesländer es ermöglichen“.
Mehr: Kompromissvorschlag zur Bankenunion rüttelt an deutschen Tabus
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- Fortsetzung -
Eine Erhöhung dieses EINLAGENFAZILITÄTSZINSSATZES für die Geschäftsbanken senkt nun allerdings auch die Bereitschaft der Geschäftsbanken zur Kreditvergabe. Reduktion der Kreditvergabe wirkt jedoch in unserem Kreditgeldsystem direkt deflationär (Deflation = allgemeine Verringerung des Geldangebotes), und vice versa wirkt eine Senkung des Zinssatzes inflationär. Eine Absenkung des Einlagenfazilitätszinssatzes unter 0% soll die Geschäftsbanken also de facto dazu ZWINGEN, ihre Kreditvergabe zu erhöhen, was die Kreditexpansion weiter steigern würde:
"Sollte diese Option gewählt werden [Negativzinsen der Zentralbanken; der Kommentator], so würde dies zu beträchtlichen ökonomischen Konsequenzen führen. Die Strafzinsen würden nur vermieden werden, sofern die Geschäftsbanken Kredite vergeben. Potenzielle Auswirkungen wären die Verschärfung von Spekulationsblasen, etwa am Aktienmarkt, im Kunstmarkt, bei Rohstoffen etc. Zudem würden die Kosten der Reservenbesteuerung auf Bankkunden abgewälzt werden [sic!!]." (R. Taghizadegan et al.: ebd, S. 112f.)
@ Dominik Schulz
Wir haben ein sogenanntes BRUCHTEILSRESERVEBANKWESEN (Fractional Reserve Banking), was bedeutet, dass die Geschäftsbanken eine MINDESTRESERVE bei der Zentralbank halten müssen:
"Mindestreserven sind im Bankwesen Pflichtguthaben, die Kreditinstitute kraft Gesetzes bei ihrer Zentralbank unterhalten müssen. Sie sind nicht täglich zu halten, sondern innerhalb einer Mindestreserveperiode im Durchschnitt und betragen im Eurosystem derzeit 1 % der sogenannten Mindestreservebasis. Banken erhalten – außer beim Negativzinsniveau – Habenzinsen für diese Reserveguthabe."
https://de.wikipedia.org/wiki/Mindestreserve
Diese - gesetzlich vorgeschriebene - Mindestreserve der Geschäftsbanken bei der Zentralbank ist nun ein wesentliches, allerdings verhängnisvolles, "geldpolitisches" Instrument der Zentralbanken:
"Sie ermöglicht es der Zentralbank, die Geschäftsbanken bei ihrer Kreditverteilung von ihren eigenen Krediten bei der Zentralbank abhängig zu machen, indem sie die Mindestrerservepflicht erhöht oder senkt. Die Geschäftsbanken sind im Gegenzug auf Zentralbankgeld angewiesen. Hält die Geschäftsbank bei der Zentralbank einen Betrag, der die Mindestreserve übersteigt, so ist der überzählige Betrag eine Überschussreserve. Die Überschussreserve ist nornmalerweise sehr gering (...)
Das Federal Reserve hat Ende 2008 begonnen, auf die Mindestreserve sowie Überschussreserven Zinsen zu zahlen. Dadurch wurde der enorme Anstieg der Überschussreserven ausgelöst und die Geschäftsbanken über eine Beteiligung an der SEIGNIORAGE [das ist der Geldschöpfungsgewinn der Zentralbanken aufgrund ihres desaströsen Geldschöpfungsmonopols; der Kommentator] quersubventioniert." (Rahim Taghizadegan et al.: Österreichische Schule für Anleger, München 2014, S. 110f.)
Antwort auf Ihre Frage: Ja sie müssen. Die Bank hat ihr Geld auch auf einem Konto und zwar auf dem Konto der Zentralbank. Die Bankleitzahl ist sozusagen die Kontonummer der Bank.
Was ich mich immer schon gefragt habe: MÜSSEN Banken ihre überschüssige Liquidität denn überhaupt bei der Zentralbank anlegen? Wüsste nichts was dagegen spricht, dass eine Bank Geld einfach "hält" und auf einem schlichten Konto aufbewahrt, statt bei der EZB Negativzinsen zu zahlen...
Antworten gern gesehen ;)