Banken-Gipfel Santander bekennt sich zur Doppelstrategie – ING setzt auf Nachhaltigkeit

Der ING-Chef und die Santander-Präsidentin gaben einen Ausblick auf das Banking der Zukunft.
Frankfurt Es war einer ihrer seltenen Auftritte. Ana Botín, die Verwaltungsratschefin der spanischen Großbank Santander, war live aus Madrid zugeschaltet, stilecht vor einer Bücherwand mit Picasso-Bildband. Nur selten gewährt sie europäischen Journalisten ein Interview, umso aufmerksamer lauschten die Teilnehmer des Bankengipfels.
Santander ist hochprofitabel – und das, ohne sich von klassischen Ansätzen im Bankgeschäft verabschiedet zu haben, etwa von Filialen. Das soll so bleiben: „Unsere Strategie ist, dem zu folgen, was der Konsument möchte. Wir glauben fest an den physischen Kundenkontakt durch Filialen“, betonte Botín. „Wir haben 10.000 Filialen rund um die Welt, 200 davon in Deutschland. Und wir planen nicht, diese abzubauen.“
Die Digitalisierung sei wichtig, sagte die Santander-Präsidentin, aber Gleiches gelte für den persönlichen Umgang. „Für 80 bis 90 Prozent der Dienste, die Kunden von ihrer Bank brauchen, reicht eine digitale Lösung. Aber für den Rest kommen sie zu ihrer Filiale“, so Botín. Die wichtigste Kategorie im Bankgeschäft sei eben Vertrauen. „Und unsere physische Präsenz ist ein Vertrauensfaktor.“
Botín untermauerte auf dem Bankengipfel die Zweigleisigkeit der Santander-Strategie. In Südamerika, dem mit Abstand größten Markt der Spanier, gehe der Doppelansatz auf. Dort habe Santander sechs Millionen Menschen ohne Bankkonto geholfen, Teil des Finanzsystems zu werden – durch digitale Angebote, Mikrokredite, aber auch durch persönlichen Kontakt.
Auf die Frage, welchen Kanal sie persönlich für ihre Bankgeschäfte nutze, antwortete Botín salomonisch. „Ich nutze die OpenBank, aber ich nutze auch Santander.“ Die OpenBank ist ein reines Digitalangebot, das Santander aus Madrid heraus ausrollt – unter anderem auch in Deutschland. Die hiesige Tochter, die Santander Consumer Bank, wurde nicht groß beteiligt, was bei einigen Bankern am Deutschlandsitz für Stirnrunzeln sorgte.
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In die Schlagzeilen geraten war Santander zuletzt auch durch die Übernahme des Wirecard-Kerngeschäfts. Diese Akquisition ruckelte beträchtlich – weniger auf der digitalen, mehr auf der persönlichen Ebene: Alte Manager blieben im Amt, Angestellte klagten, inzwischen sucht Santander mit Hochdruck nach einem neuen, unbelasteten Standortleiter. Botín bezeichnete den Kauf trotz der Startschwierigkeiten als „großen Erfolg“: Wirecard sei ein Eckpfeiler der digitalen Payment-Plattform, die nun in Europa ausgerollt werde.
Fokus auf die Nachhaltigkeit
Mit ihrem Bekenntnis zur digital-physischen Doppelstrategie setzte die Santander-Präsidentin am Mittwoch ein Ausrufezeichen. Doch nicht nur ihr Auftritt wurde mit Spannung erwartet. Auf dem Bankengipfel sprach erstmals auch der neue ING-Chef Steven van Rijswijk. Sein Vorgänger an der Spitze der niederländischen Großbank, Ralph Hamers, hatte in den Vorjahren durch die optimistische Beschwörung des digitalen Wandels das Banker-Klassentreffen aufgemischt. Rijswijk setzte 2021 einen anderen Fokus.
„In den vergangenen Jahren ist ING hier als Vorreiter im digitalen Banking aufgetreten“, erklärte er. Er wolle jedoch über einen anderen strategischen Fokus sprechen: „Nachhaltigkeit und den Kampf gegen den Klimawandel“, ein Thema, bei dem ING ebenfalls vorangehen wolle. Die Klimaerwärmung zwinge schon seit Langem zum Handeln, aber erst jetzt sei die Welt aufgewacht, sagte Rijswijk.
Dennoch gebe es Hoffnung: Wie der Weltklimarat in seinem jüngsten Report klargestellt habe, könne das Ruder noch herumgerissen werden – wenn sofort gehandelt würde. Das gelte auch für die Bankenbranche, so der ING-Chef. „In der Zukunft wird alles Finanzgeschäft nachhaltig sein.“
Bei ING wolle man bis 2050 klimaneutral werden, kein CO2 mehr ausstoßen, und setze dafür auf zwei Methoden: „Karotte“ und „Stock“, das heißt Zuckerbrot und Peitsche. Die „Karotte“ ist laut Rijkswijk etwa ein Kredit, dessen Zinsen gesenkt werden, wenn ein Kunde die ING-Nachhaltigkeitsziele erfüllt. Der „Stockschlag“ ist der radikale Rückzug aus einer Geschäftsbeziehung, wenn sich ein Kunde partout nicht bewegt.
So eindeutig das klingen mag: Rijswijk schränkte die Dichotomie, die zwei Wege des Umgangs mit fossilen Problemkunden, gleich wieder ein. Seine Bank stehe hier vor einem „Dilemma“. Oft sei unklar, was die Nachhaltigkeitswende am effektivsten antreibe: der Rückzug aus einem Sektor mit der Folge von Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit – oder die Beschleunigung des Wandels durch Beratung und Incentivierung um den Preis fehlender Konsequenz.
Eine finale Lösung für das Dilemma zeigte Rijkswijk nicht auf, betonte aber, dass ING – offenbar im Unterschied zur Digitalisierung – beim Kampf gegen den Klimawandel nicht allein vorangehen kann. „Es braucht drei Parteien, um Tango zu tanzen“, sagte der CEO: Banken, Unternehmen und Regierungen.
Zumindest in diesem Punkt herrschte auf dem Gipfel somit Einigkeit: Europas führende Banker mögen eine Idee von der Zukunft haben. Die Umsetzung jedoch wird schwieriger als gedacht.
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