Banken-Gipfel Worauf es für Banken bei der Digitalisierung wirklich ankommt

Die Technologie-Chefin der US-Investmentbank Goldman Sachs (links oben) sieht die großen Tech-Konzerne als Vorbild, nicht als Gefahr für Banken, sagte sie im Video-Interview mit Handelsblatt-Moderatorin Ina Karabasz.
Frankfurt Über eines sind sich Spitzenbanker derzeit einig: Die Coronakrise verleiht der Digitalisierung einen enormen Schub und verändert nachhaltig die Art und Weise, wie sie mit ihren Kunden interagieren. Einer, der positiv auf die Entwicklungen der vergangenen Monate blickt, ist Nick Jue, Vorstandschef der ING in Deutschland. „Die Welt entwickelt sich gerade auf unser Geschäftsmodell zu, denn wir haben immer gesagt, dass die Welt digitaler, schneller und mobiler wird“, sagte er am Donnerstag auf dem Banken-Gipfel des Handelsblatts in Frankfurt.
In Deutschland agiert die ING ausschließlich als Direktbank, unterhält also keine Filialen. Und genau diese haben Kunden seit Beginn der Corona-Pandemie ohnehin gemieden. „Das Letzte, das Kunden in der Krise wollen, ist physisch ihren Vermögensverwalter zu treffen“, sagte auch UBS-Verwaltungsratschef Axel Weber. Zugleich glaube er nicht an eine Rückkehr zur alten Normalität, denn die Flexibilität der digitalen Kommunikation würden die Kunden auch in Zukunft nicht missen wollen.
Dass die Finanzbranche digitaler werden muss, war auch schon vor Beginn der Coronakrise klar. Die Institute haben bereits viel Geld in diesen Prozess gesteckt, suchen Unterstützung bei Finanztechnologie-Start-ups (Fintechs) und zunehmend auch bei großen Tech-Konzernen wie Amazon und Google. Durch das veränderte Kundenverhalten, hat sich während der Krise jedoch der Druck erhöht, möglichst schnell von analogen zu digitalen Angeboten zu wechseln.
Nach Ansicht von Joanne Hannaford, Technologie-Chefin der US-Investmentbank Goldman Sachs, wird Digitalisierung jedoch häufig falsch verstanden. „Es geht nicht nur um die Entwicklung von Internetseiten, sondern um elektronische Dienstleistungen insgesamt“, sagte sie. Dies erfordere auch eine Neuorganisation des Unternehmens, und Prozesse müssten vollständig – vom Frontend bis zum Backend – umgestellt werden.
Andernfalls könnte das passieren, was Birte Sewing, die das operative Geschäft beim Fintech-Entwickler Finleap führt, beobachtet: „Digitalisierung kratzt häufig noch an der Oberfläche: Da gibt es einen scheinbar schönen digitalen Prozess, aber hinten raus werden trotzdem noch PDF-Dateien ausgedruckt.“ Es sei allerdings ein „großer Sprung“ zu erwarten – insbesondere durch die Hilfe von Fintechs.
Als besonders wichtig wertet Hannaford, dass Banken ihren Kunden eine zentrale Anlaufstelle bieten. „Kunden wollen sich nicht für unterschiedliche Dienstleistungen auf unterschiedlichen Websites anmelden, sondern eine zentrale Übersicht haben“, sagte die Bankerin. Hierbei seien insbesondere die großen Tech-Konzerne, die „Big Techs“, ein Vorbild.
Als Gefahr sieht sie diese indes nicht. „Vor fünf Jahren haben wir darüber gesprochen, dass Fintechs uns disruptieren werden. Doch das ist nicht passiert. Ich denke, dass es auch mit den Big Techs nicht passiert“, sagte Hannaford. Man werde jedoch enge Kooperationen sehen.
Mehr: Wie die Finanzbranche auf den Angriff der Big Techs reagiert
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