Banken und Fintechs Kuscheln statt kämpfen

Mitarbeiter der Direktbank ING-Diba.
Frankfurt Bisher gelten Finanz-Start-ups als Bedrohung für die etablierten Banken. Doch der Blick auf die jungen Finanztechnologiefirmen, kurz Fintechs, wandelt sich: Banken betrachten die kleinen, innovativen Unternehmen zusehends als Partner – und viele Fintechs setzen auf Kooperationen mit Geldhäusern. Langfristig sei es „wohl noch wichtiger, eng mit den Fintechs zusammenzuarbeiten“, sagte der Chef der Deutschen Bank, John Cryan, auf der Handelsblatt-Jahrestagung „Banken im Umbruch“.
„Wir ergänzen uns hervorragend“, so Cryan weiter. „Die Fintechs bringen neue Ideen mit, wir die Erfahrung mit unseren Kunden und den Aufsichtsbehörden.“ Auch die Deutsche Bank arbeite mit jungen Unternehmen zusammen. Er verwies auf die Kooperation mit dem Fintech Figo, das sich auf die Aggregation von Finanzdaten konzentriert hat. Die Kooperation ermögliche es, dass Kunden der Deutschen Bank künftig in ihrer App auf dem Smartphone auch ihre Konten bei anderen Banken überblicken könnten.
Urs Rohner, Verwaltungsratschef der Schweizer Großbank Credit Suisse, nannte ein anderes Beispiel für Zusammenarbeit: Er rechnet damit, dass Start-ups, die sich auf die Abwicklung von Bankgeschäften spezialisierten, die Branche nachhaltig verändern würden. Es gehe dabei darum, die „Bewältigung regulatorischer Anforderungen“ zu erleichtern, sagte Rohner.
Klar ist aber auch, dass die etablierten Geldhäuser reagieren müssen. Denn die Fintechs sind fast überall dabei: Sie schaffen Dienste, die Bankgeschäfte vereinfachen. Sie schaffen alternative Finanzquellen für Firmen und Privatleute. Sie schaffen Techniken, die Bankberater ersetzen. Und einige warten sogar mit einer eigenen Banklizenz auf. Kurz: Sie setzen an der gesamten Wertschöpfungskette der Finanzinstitute an – aber auf unterschiedliche Art.

Am 31. August und 1. September in Frankfurt am Main.
Als kooperierende Fintechs zählen solche, deren Lösungen die Prozesse oder das Angebot von Banken verbessern, etwa Kontowechselservices wie Finreach und Fino oder Identifikationslösungen wie IDnow und webID. Sie sind ihrerseits oft auf Zusammenarbeit mit Banken angewiesen.
Andere Fintechs greifen hingegen das bestehende Bankgeschäft an. Prominentes Beispiel ist die „Smartphone-Bank“ N26. Das Berliner Start-up, das vor kurzem noch als Number26 firmierte, bietet im Wesentlichen kostenlose Girokonten an, die über das Smartphone verwaltet werden. Es hat mehr als 200 000 Kunden, vor allem aus Deutschland. Aber auch automatisierte Vermögensverwalter wie Scalable Capital oder Kreditmarktplätze wie Lendico gehören zu den neuen Wettbewerbern der Banken.
Offen für eine Zusammenarbeit mit Fintechs zeigen sich auch andere Banken: „Wann immer uns eine Technologie überzeugt, entscheiden wir schnell, ob wir ein Unternehmen übernehmen wollen, mit ihm kooperieren sollten oder die Technologie selbst entwickeln“, sagte Commerzbank-Chef Martin Zielke.
Smartphone-Bank der Sparkassen
Ähnlich äußerte sich Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon. Man wolle auch Fintechs einladen, „attraktive Kundenanwendungen zu entwickeln und über unsere Schnittstellen einzuspielen“, sagte er. Die öffentlich-rechtlichen Institute peilen neben Kooperationen an, bestimmte neue Angebote selbst zu bauen oder zuzukaufen. „Mit 50 Millionen Kunden verfügen wir im Vergleich zu Wettbewerbern über die nötige Masse für ein eigenes digitales Ökosystem“, so Fahrenschon. Derzeit basteln einige große Sparkassen an einer Smartphone-Bank mit dem Namen „Yomo“ für „Your Money“. Sie wollen so N26 Paroli bieten.
Etliche Geldhäuser haben bereits Innovationszentren, in denen sie neue Ideen testen, oder sie finanzieren Fintechs, die am Anfang stehen. Geld in die Hand genommen hat kürzlich auch die französische Großbank BPCE. Sie kauft die Münchener Internetbank Fidor, was als einer der größten Fintech-Deals in Deutschland gilt. Für junge Start-ups ist es oft schwierig, aus eigener Kraft zu wachsen und neue Märkte zu erschließen. Zumal auch der Wettbewerb unter Fintechs teils groß ist. Bei Handy-zu-Handy-Zahlungen tummeln sich in Deutschland mittlerweile mehrere Anbieter.
Viele Fintechs sehen ihre Zukunft ohnehin in der Kooperation mit Banken. „Die Rolle der Fintechs ist, dass dort Ideen entstehen und am Markt getestet werden“, sagte Tim Sievers, Chef von Deposit Solutions. Dessen Geschäftsidee: Anleger können mit einem einzigen Konto die Tages- und Festgeldangebote verschiedener Banken nutzen. Wer „Tagesgeld-Hopping“ betreibt, muss sich also nicht mehr bei jeder Bank neu anmelden, um günstige Konditionen zu erhalten. Die Deutsche Bank arbeitet mit Deposit Solutions zusammen. Man könne den Markt nur maßgeblich beeinflussen, „wenn man mit Banken kooperiert, die die Kunden schon haben“, so Sievers.
Auch aus Sicht der Politik ist es nicht nur ein Gegeneinander von Banken und Start-ups als Herausforderern. Die entscheidende Frage sei, ob man am Finanzstandort Deutschland die Digitalisierung und die hinreichende Innovation schaffe, sagte Levin Holle, Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium. „Das ist wichtig für das Überleben der Branche. Dafür brauchen wir beide Seiten.“ Es gebe bereits eine extrem hohe Anzahl an Kooperationen, so Holle.
Mit wem sie wie zusammenarbeiten und welchen Mehrwert ihnen das bringt, sollten die Geldhäuser aber genau abwägen. Das betonte Frédéric Brunier, Bankenexperte der Unternehmensberatung Accenture Strategy: „Bisher sehe ich noch nicht, dass Banken mit Fintech-Kooperationen wirklich Geld verdienen.“ Sie müssen nicht immer die Ersten sein und auf Fintech-Themen anspringen.
Noch deutlicher wurde Commerzbank-Chef Zielke: „Die Gefahr, die von Fintechs ausgeht, wird zurzeit tendenziell gerne überschätzt. Das Potenzial der etablierten Banken, sich zu transformieren, wird hingegen stark unterschätzt.“
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