Bankenaufsicht SSM Die große Suche nach Europas führendem Bankenaufseher

Die Amtszeit der Vorsitzenden des einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (SSM), Danièle Nouy, läuft Ende des Jahres planmäßig aus.
Frankfurt Das neue Jahr wird nur wenige Wochen alt sein, wenn Europas Kreditinstitute noch genauer als sonst auf die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) blicken werden: Im ersten Quartal 2019 endet die Amtszeit von drei führenden Aufsehern: Danièle Nouy, die Vorsitzende des sogenannten „einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus“ (SSM), ihre Stellvertreterin Sabine Lautenschläger sowie Ignazio Angeloni.
Ihre Nachfolger haben Einfluss darauf, inwiefern die Aufsicht in die Geschäftsmodelle der ihr unterstehenden großen Banken eingreift. Besonders interessant: Die Personalrochaden finden aller Voraussicht nach zeitgleich mit dem Brexit statt. Großbritannien will bis Ende März 2019 aus der Europäischen Union austreten.
Das Timing könnte zusätzlichen Druck auf die Aufsichtsbehörden ausüben, schließlich dürfte der Brexit – in welcher Form er auch letztlich erfolgt – zu Verwerfungen im Finanzsystem führen. „Es ist ein wichtiger Entscheidungspunkt für die Bankenunion“, sagte Nicolas Veron von der in Brüssel ansässigen Denkfabrik Bruegel. „Für solch eine junge Institution ist es eine unglückliche Abfolge von Ereignissen, einen derartigen Wechsel zu haben.“
Der SSM wurde 2014 gegründet. Er legt die Eigenkapitalforderungen für 118 Banken fest und prüft außerdem, ob sie angemessen mit Risiken umgehen. Die Amtszeit der SSM-Vorsitzenden Danièle Nouy läuft Ende des Jahres aus und kann nicht verlängert werden. Die Amtszeit der stellvertretenden Vorsitzenden Sabine Lautenschläger endet im Februar 2019 und die Berufung des EZB-Beauftragten, Ignazio Angeloni, läuft im März aus.
Eine ironische Note: Von den beaufsichtigten Banken fordert der SSM, dass sie über ein Konzept zur Führungsnachfolge verfügen. Die Berufungen an die Spitze des eigenen Aufsichtsgremiums werden indes durch das Mitspracherecht der Regierungen erschwert.
Bei der Besetzung der Posten – und auch vieler weiterer Führungsstellen der Notenbank – müssen die Interessen vieler verschiedener Staaten geachtet werden. „Wir bekommen möglicherweise nicht die beste Person für den Job, weil solch ein delikates Gleichgewicht zwischen den Ländern erreicht werden muss“, sagte Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwesen an der Universität Hohenheim in Stuttgart.
Nach der Wahl der SSM-Spitze durch den EZB-Rat werden die Ernennungen vom Europäischen Parlament und den Regierungschefs genehmigt. Bei der Aufsicht hätte man intern gerne Klarheit bis spätestens September oder Oktober, sagte ein Mitglied des Aufsichtsgremiums.
Lautenschläger ist auch Mitglied des EZB-Direktoriums. Dort läuft ihre Amtszeit bis 2022. Sie sei die plausibelste Nachfolgerin der Französin Nouy, so Veron. Zwar würde eine solche Wahl Kontinuität gewährleisten. Dennoch könnte sich ihre Kandidatur als Hindernis erweisen, wenn Deutschland beschließt, auf die Präsidentschaft der Zentralbank zu drängen. Bundesbankchef Jens Weidmann wird immer wieder als Nachfolger von Mario Draghi gehandelt.

Womöglich wird die bisherige Stellvertreterin Sabine Lautenschläger Nouy als Chefin der europäischen Bankenaufsicht beerben.
Eine mögliche Alternative zu Lautenschläger: Sharon Donnery, eine stellvertretende Gouverneurin der irischen Zentralbank, die die EZB-Taskforce zu notleidenden Krediten leitet. Auch sie steht in indirekter Konkurrenz zu einem Landsmann: Ihr Chef in Dublin, EZB-Ratsmitglied Philip Lane, könnte als designierter Chefökonom ins Direktorium einziehen, wenn der Belgier Peter Praet im nächsten Jahr abtritt.
Der Italiener Angeloni bekleidet einen der vier SSM-Sitze, die die EZB direkt vergeben kann. Zwei der anderen sind jedoch unbesetzt, nach Ablauf der Amtszeit von Julie Dickson 2016 und dem Tod des Belgiers Luc Coene Anfang 2017. Das Aufsichtsgremium hat zusätzlich Mitglieder, die von nationalen Aufsichtsbehörden ernannt werden.
Die Kritik wird nicht verstummen
Die neue Führung wird eine politisch brisante Aufgabe übernehmen. Seit jeher wird der SSM von Investoren dafür kritisiert, das Problem der notleidenden Kredite in Europa nicht zu lösen. Banken und Politiker wiederum klagen, er mische sich zu stark ins Geschäft ein.
Die Aufsichtsbehörden sollten transparenter sein und mehr Informationen bereitstellen, um den Banken zu helfen, zu entscheiden, welche Geschäftsmöglichkeiten es wert sind, verfolgt zu werden, sagt Iris Bethge, Hauptgeschäftsführerin beim VÖB, dem Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands.
Der SSM sollte, wie die es USA tun, einen Teil der aufsichtsrechtlichen Auflagen der Banken zurückdrehen, meint Jean Dermine, Professor für Bank- und Finanzwesen an der INSEAD Business School in Frankreich. Ein Kandidat, der sowohl als Banker als auch als Aufseher gearbeitet hat, wäre dafür gut geeignet. Solche Leute seien in Europa jedoch schwierig zu finden.
Experten werden mit dieser Forderung möglicherweise nicht erfolgreich sein. Die EZB-Aufsichtsbehörden seien durchsetzungsfähiger geworden und könnten die Kreditinstitute dazu veranlassen, sich aus riskanteren Investmentbankinggeschäften zurückzuziehen, sagt Falko Fecht, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management.
„Nouy hat viel Neutralität gezeigt, aber das spiegelt auch die Tatsache wider, dass sie bei Null angefangen hat“, sagt Fecht. „Die nächste Generation ist vielleicht nicht so vorsichtig, und ehrlich gesagt wäre es mir lieber, wenn sie härter werden.“
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