Bankenregulierung Die Angst vor dem Unbekannten

„Die regulatorische Unsicherheit belastet die Banken.“
Frankfurt Noch kennt niemand die genauen Pläne der neuen US-Regierung für die Finanzwelt. Doch allein die Aussicht auf mögliche Alleingänge des wichtigsten globalen Finanzplatzes sorgt für helle Aufregung unter Notenbankern, Aufsehern und Topbankern vor dem G20-Treffen der Finanzminister. „Die neuerdings in den USA geführte Debatte um Deregulierung bereitet mir Sorge“, sagt etwa der für Bankenaufsicht zuständige Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret auf einer Regulierungskonferenz der Bundesbank.
Denn ohne ein Mitwirken der USA droht dem globalen Finanzsystem ein Rückfall in Kleinstaaterei und ein Wettlauf um immer laxere Regeln für Banken. Deshalb ist Dombret nicht der Einzige, den der Blick in die USA nervös macht. Trump hat kurz nach seinem Amtsantritt die Überprüfung des wichtigsten Finanzgesetzes der USA, den Dodd-Frank-Act, angeordnet. Mit diesem Gesetz hatte die Regierung seines Vorgängers dem Finanzsektor engere Grenzen gesetzt.
Der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld, warnte vor einem „Rückfall in den alten Schweinezyklus“, bei dem auf jede Phase der stärkeren Regulierung wieder eine Phase der Deregulierung erfolgte. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Schließlich gibt es auch jenseits der USA Kritiker, die die strengeren Regeln gerne lockern würden.
Philipp Hildebrand, Vizepräsident des US-Vermögensverwalters Blackrock, warnte daher davor, die Kapitalanforderungen für die Finanzbranche zu senken. Zwar sei es durchaus sinnvoll, die bestehenden Regeln auf den Prüfstand zu stellen. „Aber wenn wir bei den Kapitalanforderungen an europäische Banken zurückrudern, wäre das ein signifikanter Fehler“, sagte Hildebrand auf einer Konferenz des globalen Bankenverbands IIF.
Bafin-Chef Hufeld erinnerte daran, wie nach der Pleite der Herstatt-Bank die zehn wichtigsten Industrieländer (G10) beschlossen, mit gemeinsamen Regeln die Bankenaufsicht zu verbessern. „Statt sich in den gefährlichen Wettbewerb der laxesten Regulierung zu begeben, setzte man auf gemeinsame Standards“, betonte er. Damals entstand der Basler Bankenausschuss, in dem heute Regulierer aus 27 Ländern an Finanzreformen arbeiten.
Zur Nagelprobe könnten die Verhandlungen um neue Kapitalregeln für Banken werden. Nach der Finanzkrise hatten die 20 wichtigsten Industrienationen (G20) den Basler Bankenausschuss mit der Suche nach besseren Regeln beauftragt. Derzeit ringt das Schweizer Gremium um den Schlussteil eines großen Reformpakets. Differenzen zwischen den Europäern und den USA haben bislang eine Einigung verhindert. Derzeit liegt die Reformarbeit gar auf Eis, weil die Trump-Regierung keine eigenen Vertreter in den Basler Ausschuss entsandt hat. „Eine schnelle Wiederaufnahme der Verhandlungen wäre in unserem gemeinsamen Interesse“, betonte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Die regulatorische Unsicherheit belaste die Banken.
Und Dombret betonte: „Wir für unseren Teil bleiben am Verhandlungstisch und sind zu jeder Zeit bereit, nach Gemeinsamkeiten zu suchen.“ Eines stellte Dombret aber klar: „Sollten die USA Basel III nicht einführen, werden wir in Europa die neuen Regeln sicherlich nicht einseitig einführen.“
Loblied auf Kooperation
Auf einen Zeitplan wollte er sich nicht festlegen. Ursprünglich hätte die Reform im Januar stehen sollen. Der aktuelle Chef des Basler Ausschusses, Schwedens Notenbankchef Stefan Ingves, hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, eine Einigung noch in seiner Zeit als Basel-Chef zu erzielen. Sein Mandat endet im Juni. „Ich wäre froh, wenn ich die Basel-III-Reform zu Ende bringen könnte, aber wenn nicht, wird es mein Nachfolger tun“, sagte er dem Handelsblatt. „Auch jetzt besteht ein Konsens darüber, dass es besser ist, auf globale Regeln zu drängen.“
Nicht jeder ist über die Verzögerung unglücklich. „Würde man Investoren fragen, dann würde es niemanden so richtig aufregen, wenn sich eine Einigung um drei Monate verschiebt“, sagte der Finanzvorstand der Deutschen Bank, Marcus Schenck. Das gilt wohl auch für ihn selbst. Schenck zeigte jedenfalls große Sympathie für möglichst lange Übergangsfristen für die neuen Regeln. Eine Einführungsperiode von drei bis vier Jahren etwa hält er für viel zu kurz. In dem Fall würden Investoren Banken schon heute daran messen, ob sie die strengeren Regeln auch erfüllten. Kein Wunder, dass er dafür plädiert, einen guten Kompromiss zu finden, „und sich dafür auch die Zeit nehmen“.
Aus seiner Sicht sollten die Europäer auch im Falle einer Einigung in Basel prüfen, ob es richtig sei, alle Vorgaben „eins zu eins zu übernehmen“ oder zu sehen, ob es gute Gründe gäbe, „auch mal in der Umsetzung abzuweichen“.
Dazu passt ein Hinweis des Deutschen-Bank-Chefs John Cryan zu Differenzen zwischen den USA und Europa: US-Institute könnten die Anforderungen der Aufsicht besser stemmen, weil sie für ihre Dienste höhere Preise verlangen können. „Deutsche Kunden sind nicht bereit, für Bankdienstleistungen viel zu zahlen, zugleich erwarten sie hohe Standards“, sagte Cryan.
Ein Plädoyer gegen globale Regeln ist das nicht. Auch Schenck billigt ihnen „durchaus einen Mehrwert“ zu. Deutlicher wurde Jacob Frankel, Verwaltungsrat bei der US-Großbank JP Morgan: Wer Handel als Nullsummenspiel sehe, schere sich auch nicht um einheitliche Regeln für den Finanzsektor, sagte Frankel. „Das ist das größte Risiko für den Finanzsektor: Protektionismus und Handelskriege.“ Seine Warnung: „Wenn die Spielregel ‚Auge um Auge‘ lautet, dann ist die Welt bald voller blinder Leute.“
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