Bankschiff Bahtera Seva: Die schwimmende Bank auf Tour
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Bankschiff Bahtera SevaDie schwimmende Bank auf Tour
Auf Indonesiens 6.000 bewohnten Inseln hat der Großteil der Bevölkerung kein Konto. Ein Bankschiff ist der jüngste Versuch, das zu ändern. Die Bevölkerung reagiert positiv darauf.
Das Bankschiff ist die erste schwimmende Filiale, weitere sollen folgen.
Bangkok Am Bootssteg der kleinen indonesischen Insel Untung Jawa sehen die Menschen bereits aus großer Distanz, dass ein besonderer Besuch ansteht. An Deck des orange-blau lackierten Schiffs, das sich aus Richtung der Hauptstadt Jakarta nähert, steht ein Sicherheitsmann mit Maschinengewehr. Er bewacht das Bargeld, das die „Bahtera Seva I“ für die Inselbewohner geladen hat. Das Schiff, das seit August einmal pro Woche in Untung Jawa Halt macht, ist Indonesiens erste schwimmende Bankfiliale.
In Südostasiens größter Volkswirtschaft leben Millionen Menschen ohne Zugang zum Finanzsystem. Alle 6 000 bewohnten Inseln des Landes mit einer eigenen Niederlassung auszustatten, ist für Indonesiens Banken eine unlösbare Aufgabe. Mit ihrem Bankschiff versucht die Staatsbank Bank Rakyat Indonesia (BRI) nun, einen Teil der abgelegenen Gegenden zu erschließen.
Das Bankschiff Bahtera Seva I
Die Bahtera Seva I fährt seit August 2015 mehrere der 6.000 Inseln Indonesien an. Sie gehört der Staatsbank Bank Rakyat Indonesia. Mit der Zentrale verbunden ist die Bathera Seva I über Satellit.
Rund 8.000 Menschen bewohnen die Inseln. Das Angebot der schwimmenden Bank umfasst die Kontoeröffnung, Überweisungen und Kreditvergabe.
Wenn sie zu einer Bank wollten, mussten die Bewohner von Untung Jawa und den Nachbarinseln, die mit ihren Sandstränden für die Hauptstadtbewohner ein beliebtes Ausflugsziel sind, bisher erst eine stundenlange Bootsfahrt auf sich nehmen. Ein Konto hat deshalb kaum jemand in der Region, die vom Fischfang und Tourismus lebt. Das will die Besetzung des BRI-Bankschiffs ändern. Mit insgesamt elf Mitarbeitern an Bord stach es vor wenigen Monaten erstmals in See. Seither pendelt die „Bahtera Seva“ zwischen Jakarta und den Seribu-Inseln in der Javasee.
Die Bank beschreibt das neue Angebot als Entwicklungshilfe. Vorrangiges Ziel sei es, einen Beitrag zum ökonomischen Aufbau zu leisten, sagte der stellvertretende BRI-Leiter Sunarso, der wie viele Indonesier keinen Familiennamen trägt, anlässlich der Jungfernfahrt. „Wir wollen den Regionen mit dem Zugang zu Finanzdienstleistungen dabei helfen, ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten zu nutzen.“
Doch ohne Eigennutz ist das Engagement aber nicht. Die vier großen Banken Indonesiens, zu denen neben BRI die Banken Mandiri, Central Asia und Negara Indonesia gehören, leiden unter der Schwäche der heimischen Wirtschaft, die derzeit so langsam wächst wie zuletzt 2009 im Zuge der globalen Finanzkrise. Sie versuchen deshalb verstärkt, bisher unerschlossenes Kundenpotenzial zu heben.
Der Aufholbedarf ist groß
Laut einem Vergleich der Weltbank ist der Anteil der Menschen ohne Bankverbindung in Indonesien unter den großen Schwellenländern des Kontinents mit Abstand am höchsten. Nur etwas mehr als jeder dritte Erwachsene verfügt in dem 250 Millionen Einwohner großen Land über ein Konto. In Indien ist es jeder zweite, in China sind 80 Prozent Kunden einer Bank.
Auch das Internet half in den vergangenen Jahren kaum. Wegen regulatorischer Hürden ist der Bankzugang mit Smartphones immer noch so gut wie bedeutungslos.
Serie einzigartiger Bankfilialen
In manchen Ländern schließen Banken Geschäftsstellen, in anderen gibt es noch lange nicht genug. Unsere Serie zeigt Banken an besonderen Orten – von der schwimmenden Filiale in Indonesien bis zur Bank im Getreidespeicher.
D Ihr Buhlen um die Banklosen zahlt sich für die Finanzkonzerne zunehmend aus. Die Bank BRI, die über Indonesiens größtes Netz an Geldautomaten verfügt, begibt sich nicht nur mit dem Bankschiff zu seinen Kunden, sondern betreibt auch eine Flotte von hunderten Kleinbussen, mit denen Mitarbeiter durch Dörfer ohne eigene Filialen fahren. Hauptgeschäft der mobilen Banken ist die Vergabe von Mikrokrediten – etwa an Bauern, die Geld für Werkzeuge und Düngemittel brauchen.
Für BRI, die sich laut der Organisation Banking with the Poor als der größte Mikrokreditgeber der Welt etabliert hat, ist das Geschäftsfeld inzwischen unverzichtbar. Manager Sunarso bezeichnete die Mikrokredite, die bei BRI ein Drittel der gesamten Kreditvergabe ausmachen, bei der Vorstellung der jüngsten Quartalszahlen als wichtigsten Wachstumsmotor. Ihr Volumen stieg im Jahresvergleich mit über 14 Prozent überdurchschnittlich stark.
Kleinkredite werden gefördert
Die Vergabe von Kleinkrediten gehört auch zu den Leistungen auf der „Bahtera Seva I“. Nachdem das Boot am Pier angelegt hat, empfangen die Bankmitarbeiter ihre Kunden an Bord in einem kleinen, klimatisierten Raum. In einer Ecke steht ein Geldautomat, daneben bearbeiten zwei Angestellte Transaktionswünsche mit ihren Notebooks, die über Satellit mit der Zentrale verbunden sind.
Ein Kollege kümmert sich um die Neukunden. Der Erklärungsbedarf ist bei der Kontoeröffnung groß. Laut einer Umfrage der Entwicklungshilfeorganisation InterMedia unter 6 000 Indonesiern im vergangenen Jahr gibt es in der finanziellen Bildung erhebliche Mängel. Nur 71 Prozent der Studienteilnehmer verstanden das Prinzip von verzinsten Sparguthaben, die Berechnung der Zinskosten bei Krediten konnten lediglich 15 Prozent nachvollziehen.
Steuerleute der Bahtera Seva
Eine Bankfiliale nimmt Kurs auf ihre Kunden.
Stattdessen spielen informelle Sparformen in Indonesien noch immer eine große Rolle: Beim sogenannten Arisan treffen sich Dorfbewohner in regelmäßigen Abständen abwechselnd in den Häusern der Gruppenmitglieder. Der Gastgeber erhält dann von jedem Teilnehmer einen kleinen Betrag – den er dann bei den folgenden Treffen in kleinen Teilen wieder an die Gemeinschaft zurückzahlen muss. Doch mit dem Prinzip gelingt es vielen nicht, ausreichende Reserven aufzubauen. Die Menschen ohne Zugang zu Bankdienstleistungen seien finanziell überdurchschnittlich stark verwundbar, urteilen die InterMedia-Forscher in ihrem Indonesien-Bericht. „Bei Notfällen haben sie nur selten Rücklagen, um für unerwartete Ausgaben aufkommen zu können.“ Sein Angebot an Inselbewohner ohne Bankzugang will BRI-Vizechef Sunarso weiter ausbauen: Jedes Jahr soll eine weitere schwimmende Bankfiliale, die rund eine Million Euro in der Anschaffung kostet, hinzukommen: „Wir sehen uns gerade im Osten des Landes um und wollen herausfinden, wo man das Schiff am meisten benötigt.“